Musik französischen Komponisten Olivier Messiaen erklingt im Gottesdienst

Schräge Töne in der Görlitzer Kathedrale

Veröffentlicht am 14.01.2017 um 12:20 Uhr – Lesedauer: 
Musik

Görlitz ‐ Entgegen der Hörgewohnheiten werde das sein, kündigt Organist Thomas Seyda an: Am Sonntag ertönt im Gottesdienst in Görtlitz die Musik Olivier Messiaens. Zwischen Stadt und Komponisten gibt es eine enge Verbindung.

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Dass Olivier Messiaens Musik am Sonntag im Hochamt in der Görlitzer Kathedrale St. Jakobus erklingt, ist für Thomas Seyda nur logisch. "Olivier Messiaen war zeitlebens Kirchenmusiker", sagt der Cheforganist und Kirchenmusikdirektor der Diözese Görlitz. Dennoch sei Messiaens Musik keine "liturgische Musik" und für die Hörgewohnheiten der meisten Kirchgänger wahrscheinlich eher ungewöhnlich.

"Das wird Neuland sein"

"Die meisten Katholiken haben sich mit Messiaen wohl noch nie beschäftigt. Das wird Neuland sein", sagt Seyda, der in der Messe am Sonntag drei Stücke des 1992 verstorbenen Musikers spielen wird. Die Stadt Görlitz hat eine besondere Verbindung zu Olivier Messiaen, die ihre Wurzeln im Zweiten Weltkrieg hat.

Ein Mann sitzt am Klavier
Bild: ©picture-alliance/akg-images/Marion Kalter

Der französische Komponist Olivier Messiaen (1908 bis 1992), aufgenommen 1983 in Paris.

Im Jahr 1939 wurde Olivier Messiaen zum Kriegsdienst berufen, wo er 1940 in Gefangenschaft geriet. Knapp neun Monate verbrachte er als Kriegsgefangener im Stammlager VIIIA der Deutschen Wehrmacht im Ostteil von Görlitz, dem heutigen Zgorzelec, wo er das "Quartett auf das Ende der Zeit" ("Quatuor pour la fin du temps") komponierte und zusammen mit anderen Lagerinsassen auch zur Uraufführung brachte. Die Aufführenden waren Jean Le Bouaire (Violine), Henri Akoka (Klarinette), Etienne Pascquier (Cello) und Oliver Messiaen am Klavier.

Ermöglicht wurde dies durch den wohlwollenden Lagerkommandanten Franzpeter Goebels, der später als Konzertpianist und Klavierprofessor an der Nordwestdeutschen Musikakademie (heute Hochschule für Musik) Detmold bekannt wurde. Das "Quartett auf das Ende der Zeit" gilt als eine der wichtigsten Kompositionen des 20. Jahrhunderts. Mit dem Titel bezog sich Messiaen auf die Offenbarung des Johannes. Dort fällt der Untergang der Welt zusammen mit dem Beginn der Ewigkeit. Der Musikjournalist Volker Hagedorn schreibt dazu: "Das ist für Nichtgläubige wenig trostreich, doch bei Messiaen hört man, dass Ewigkeit nicht erst am Jüngsten Tag beginnen muss".

In der Görlitzer Kathedrale werden drei Stücke gespielt: Zur Gabenbereitung spielt Thomas Seyda "Force et agilité des corps glorieux" ("Die Geistigkeit der verklärten Leiber") ) aus dem Orgelzyklus "Les Corps Glorieux" ("Die verklärten Leiber"). "Desseins éternels" ("Ewige Ratschlüsse") aus dem Zyklus "La Nativité du Seigeur" ("Die Geburt des Herrn") erklingt zur Kommunion. Zum Schluss wird Seyda "L'Apparition de l'église éternelle" ("Erscheinung der ewigen Kirche") spielen.

„Das wird Neuland sein.“

—  Zitat: Thomas Seyda über Olivier Messiaen.

So sperrig Messiaens Musik für manche Ohren sein mag, so unumstritten ist sein tiefer Glaube. 1931 übernahm er die Organistenstelle an der Pariser Kirche La Trinité, die er 60 Jahre lang innehatte. Wenngleich die Hauptaufgabe Messiaens in der liturgischen Begleitung während der Messe bestand, so hatte er doch auch die Möglichkeit, eigene Improvisationen zu spielen. Zusammen mit André Jolivet, Yves Baudrier und Jean-Yves Daniel-Lesur gilt Messiaen als Gründer der Jeune France, eine Gruppe von Komponisten, die sich 1936 formierte. Im selben Jahr, 1936, begann Messiaen seine Lehrtätigkeit. Er unterrichtete Blattspiel am Klavier an der École Normale de Musique de Paris und Orgelimprovisation an der Schola Cantorum.

Messiaen schöpfte für seine Musik Anregungen aus dem Studium der Zahlenmystik, indischer Rhythmen, der Gregorianik, des Vogelgesangs oder der Musik Claude Debussys und Igor Strawinskys. Über all diese verschiedenartigen Inspirationen hinaus ist seine Musik von spiritueller Energie und einem tiefen, katholischen Glauben geprägt. Er war außerdem Synästhetiker, der Klänge mit Farben assoziierte.

Möglicherweise keine Ausnahme

"Ich habe drei relativ gut zu hörende Stücke ausgesucht" sagt Seyda über die Auswahl, die am Sonntag im Gottesdienst erklingt. Er wolle niemanden verschrecken, der Messiaens Musik zum ersten Mal hört. "Ich habe selbst lange keinen Zugang gefunden", so der Organist, der erste Berührungen mit Messiaen während des Studiums an der Musikhochschule in München hatte. Die spezielle Geschichte, die die Stadt und Messiaen gemeinsam haben, war für ihn ein Anlass, sich intensiver mit ihm zu beschäftigen. Dass Messiaens Musik im Gottesdienst erklingt, bleibt in Görlitz möglicherweise keine Ausnahme. "Es ist vorstellbar, dass wir das wiederholen", sagt Thomas Seyda.

Von Markus Kremser