Donald, Dolan und die Weisheit
Eigentlich sieht die US-Verfassung kein großes Zeremoniell für den Amtsantritt des Präsidenten vor. Dennoch wird auch Donald Trump seine Einführung mit Pomp und Gloria begehen – und mit göttlichem Beistand. Sechs Geistliche sollen ihn zum Antritt ihren Segen geben. Mehr als bei jedem seiner Vorgänger. Unter ihnen ist auch der New Yorker Erzbischof Kardinal Timothy Dolan.
Damit knüpft der Protestant Trump an eine Tradition an, die seit über 25 Jahren ausgesetzt war: die Teilnahme eines katholischen Geistlichen. Seit 1937 wird die "Presidential Inauguration" stets begleitet von einem oder mehreren Gebeten samt Segen für den neuen Amtsinhaber und seine Regierungszeit. Hinzu kommen thematisch abgestimmte Bibellesungen. Über vier Jahrzehnte hatte stets ein katholischer Würdenträger an dieser Zeremonie teilgenommen, bis George H.W. Bush im Jahr 1989 mit dieser Reihe brach (bei Ronald Reagans erster Eidesleistung 1981 war ebenfalls kein katholischer Geistlicher beteiligt). In diesem Jahr soll mit Dolan also erstmals wieder ein Vertreter der Kirche von Rom eine Schriftstelle vortragen.
Dolan setzt auf biblischen Dauerbrenner
Dolan wird dabei ein Bibelzitat verlesen, das es in sich hat, nämlich das Gebet des Königs Salomon um Weisheit aus dem gleichnamigen Buch. Dem Kardinal sei die Auswahl der Stelle nicht schwer gefallen, ließ er den "Catholic News Service" vor einigen Tagen wissen. "Ich bete sie ständig", erklärte er und fügte scherzend hinzu: "Der Herr hat mein Gebet immer noch nicht erhört."
"Gib mir die Weisheit, die an deiner Seite thront", betet Salomon im neunten Kapitel des Buches. Wenige Verse weiter erkennt er an, dass er durch die Gnade Gottes an die Regierung gelangt ist. Der Herr solle ihm nun auch die Weisheit zuteil werden lassen, "damit sie bei mir sei und alle Mühe mit mir teile und damit ich erkenne, was dir gefällt".
Linktipp: Viel Beistand für Trumps Amtseinführung
Donald Trump wird so viel geistlichen Beistand bei der Amtseinführung haben wie kein anderer US-Präsident vor ihm. Dazu gehört auch der New Yorker Kardinal Timothy Dolan. Einer wird jedoch fehlen.Dolan gilt nicht als Freund Donald Trumps. Während des Wahlkampfes hielt er sich mit inhaltlichen Äußerungen zu den Kandidaten zurück, kritisierte allerdings die beabsichtigte Einwanderungspolitik des späteren Siegers. Gleichwohl erklärte der Kardinal nun, die Einführung eines neuen Präsidenten sollte in guter amerikanischer Tradition als Anlass zur Hoffnung gesehen werden. Dass er für seine Teilnahme an der Einführung Trumps auch Kritik haben hören müssen, störe Dolan nicht weiter. Er fühle sich trotzdem geehrt und wäre einer Einladung von Trumps Kontrahentin Hillary Clinton bei anderem Wahlausgang genauso nachgekommen. "Wir Hirten und Religionsführer sind im heiligen Geschäft des Gebets. Menschen bitten uns, mit ihnen und für sie zu beten. Das bedeutet aber nicht, dass wir für oder gegen sie wären", sagte er weiter. "Das ist unsere heilige Verantwortung."
Seiner Verantwortung vor Gott wird auch Donald Trump sich – jedenfalls dem Wortlaut nach – stellen. Zwar sieht die US-Verfassung einen Amtseid ohne religiöse Beteuerung vor. Doch haben die Präsidenten seit George Washington stets erklärt, sie würden die geforderten Aufgaben erfüllen, so wahr ihnen Gott helfe. Ebenso legten spätestens seit Abraham Lincoln fast alle Präsidenten zu den Eidesworten ihre linke Hand auf eine Bibel – oder eben zwei, wie es nun auch Donald Trump tun will. Obama vertraute zuletzt auf ein Buch aus dem Besitz Martin Luther Kings sowie auf die Bibel, auf die bereits Lincoln schwor.
Die Bibel gleich welcher Ausgabe ist als Eidesbuch zwar eine gute Übung aber keine rechtliche Vorgabe. Und so kamen in der Geschichte auch schon andere Bücher zum Einsatz, unter denen ein katholisches Druckwerk besonders hervorragt: ein Missale Romanum. Lyndon B. Johnson legte nach dem Attentat auf John F. Kennedy seinen Amtseid ausgerechnet auf ein katholisches Messbuch ab. Wie es dazu kam, ist bis heute nicht geklärt.
Messbuch mit Bibel verwechselt?
Ein zeitgenössischer Medienbericht erklärt das wahrscheinliche Zustandekommen der Szene allerdings so: Nachdem "JFK" am 22. November 1963 in Dallas erschossen worden war, hatten es die Verantwortlichen eilig, den bisherigen Vize-Präsidenten Johnson per Eid formell ins höchste Staatsamt zu bringen. Nur gut zwei Stunden nach dem Ableben des Katholiken Kennedy fand die improvisierte Zeremonie an Bord der "Air Force One" statt. Ein Mitarbeiter machte sich im Flugzeug auf die Suche nach einer Bibel und fand im Privatabteil des Präsidenten das in Leder gebundene Buch mit lateinischer Aufschrift; noch in Cellophan eingeschlagen. Kennedy hatte das Buch zuvor wohl als Geschenk erhalten. Sowohl Johnson als auch die Richterin, welche ihm den Eid abnahm, erkannten das katholische Messbuch offenbar nicht als solches. Über den Verbleib des Missale ist bis heute nichts bekannt.
Ganz so katholisch wird es bei Trump nun nicht zugehen. Neben der anglikanischen "Lincoln-Bible", die zuletzt bei Obama zum Einsatz kam, greift der Milliardär zu einer privaten Familienbibel. Dabei handelt es sich um eine Schmuckausgabe der sogenannten "Revised Standard Version", einer protestantischen englischsprachigen Übersetzung. Die Bibel habe er im Alter von acht Jahren von seiner Mutter zum Abschluss der Sonntagsschule in seiner Gemeinde geschenkt bekommen, heißt es vom Vorbereitungskomitee der Einführung. Trotz ihres sentimentalen Wertes für Trump wird diese Bibel ihm jedoch eines nicht bieten können: das Buch der Weisheit, aus dem Dolan zu Beginn der Zeremonie vortragen wird. Denn das gehört bei protestantischen Gemeinschaften nicht zum biblischen Kanon. Inwiefern dieser Umstand Einfluss auf die Auswahl der Lesung hatte, sagte der Kardinal allerdings nicht.