Kurienkardinal Ravasi über Frauen im Vatikan und Papstkritiker

Ravasi: Diakonat der Frau wäre möglich

Veröffentlicht am 24.02.2017 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Kardinal Ravasi ist Präsident des Päpstlichen Kulturrats. Er richtete das erste rein weibliche Beratergremium im Vatikan ein. Im Interview spricht Ravasi über weibliche Perspektiven und papstkritische Plakate.

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Kurienkardinal Gianfranco Ravasi (74) ist seit 2007 Präsident des Päpstlichen Kulturrats. Er twittert regelmäßig und hört auch schon mal Rockmusik und Rap, um zu verstehen, wie die Jugend tickt. An seinem Rat richtete er das erste rein weibliche Beratungsgremium ein. Im Interview spricht der Kardinal außerdem über die jüngst aufgetauchten papstkritischen Plakate.

Frage: Herr Kardinal, der Päpstliche Kulturrat ist in vielen Bereichen aktiv, der Vorhof der Völker für den Dialog mit Nicht-Glaubenden beispielsweise wird inzwischen an vielen Orten weltweit veranstaltet. Wird es ihn bald auch in China geben?

Ravasi: Da müssen wir erst einmal das Staatssekretariat seine Arbeit machen lassen. Die Beziehungen müssen stabilisiert werden. Ich bekomme öfter Besuch von chinesischen Professoren aus Peking, Shanghai, die mich für Vorträge an ihren Unis einladen. Aber bisher bin ich keiner Einladung gefolgt. Das kann vielleicht mein Nachfolger im Amt machen, ich denke, das braucht noch Zeit: Es muss die Frage der Bischofsernennungen geklärt werden, die Situation der katholischen Staatskirche und der sogenannten Untergrundkirche...Wenn das gelöst ist, ist auch eine Papstreise nach China denkbar.

Frage: Und wie steht es um die Frauen im Vatikan? Sie haben ja mit dem Frauenrat erstmals ein eigenes, rein weibliches Beratergremium für Ihren Rat eingeführt...

Ravasi: Ja, 35 Frauen, unterschiedlichster Herkunft und Ausbildung. Eine Universitätsprofessorin ist genauso dabei wie eine Mutter, zwei Muslima, eine Jüdin, Nicht-Gläubige, Frauen aus der Modebranche, Journalistinnen. Es ist sehr bunt gemischt. Hier im Rat habe ich Frauen sonst nur im administrativen Bereich. Die Beraterinnen sollen einerseits Vorschläge für die vatikanischen Behörden machen. Zweitens, meiner Meinung nach noch bedeutsamer, sollen sie alles lesen und bewerten, was wir hier machen - aus weiblicher Sicht, auch kritisch. Frauen sehen viele Dinge anders als Männer. Sie bereiten auch die Vollversammlung mit vor und wer kann, wird daran teilnehmen. Ich hoffe, dass unser Modell ein Vorbild für andere Päpstliche Räte ist.

Frage: Kritiker sagen, es gibt Frauenberaterinnen bisher nur am Päpstlichen Kulturrat, weil Kultur keine so wichtige Rolle im Vatikan spielt...

Ravasi: Oder, weil der Kulturbereich etwas offener ist und man da machen kann, was man will! (lacht) Natürlich weiß ich, dass es hier leichter ist, so etwas auszuprobieren. Bei der Glaubenskongregation wäre es zum Beispiel schwieriger. Es gibt aber viele qualifizierte Theologinnen, die jetzt endlich auch in der Theologen-Kommission präsent sind. Es besteht generell das Risiko, dass Frauen von vielen nur als "Kosmetik" gesehen werden. Nach dem Motto, wenn der Papst das sagt, müssen auch ein paar "Quotenfrauen" her, sonst gibt's Ärger. Auch der Begriff "genio femminile" (Genius der Frau) von Papst Johannes Paul II. hat einigen nicht gefallen.

Natürlich gehe ich auch ein Risiko ein. Wenn eine der Frauenberaterinnen beispielsweise sagen würde, sie sei für das Frauenpriestertum - und meiner Meinung nach wäre es legitim, ihre Meinung zu äußern - gäbe das wahrscheinlich hinterher die Schlagzeile: Kardinal Ravasi hat Frauenpriestertum vorgeschlagen. Diese Ambiguität in der Kommunikation und den Medien ist aktuell ein sehr großes Problem.

Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie für Frauen in der katholischen Kirche?

Ravasi: Ein Diakonat für Frauen wäre glaube ich möglich. Aber natürlich muss darüber diskutiert werden, die historische Tradition ist sehr komplex. Generell denke ich, sich ständig auf das Frauenpriestertum zu fixieren, ist klerikal. Wieso fangen wir nicht an, über andere, sehr wichtige Funktionen von Frauen in der Kirche zu reden? Zum Beispiel die Leitung einer Pfarrei, aus struktureller Sicht. Oder der Bereich der Katechese, der Freiwilligenarbeit, der Finanzen, der architektonischen Planung, der Gestaltung. Warum sollte man das nicht in die Hand von Frauen geben? Auch in den Vatikan-Behörden könnte es eine stärkere Frauen-Präsenz geben, auch auf höheren Ebenen. Das hat auch der Papst gesagt. Natürlich geht das nicht sofort.

Frage: Nicht alles, was der Papst sagt, wird positiv aufgenommen. In der jüngsten Zeit gab es erstmals papstkritische Plakate in Rom, auch eine gefälschte Schmähausgabe der Vatikanzeitung...

Ravasi: Ich denke, da stecken "Ultrakatholiken" dahinter. Das sind schwache Minderheiten. Aber sie sind gut darin, die Massenkommunikationsmittel zu nutzen, so dass alle darüber sprechen. Schauen Sie sich die Internetseiten dieser Ultratraditionalisten einmal an: Sie sind thematisch, theologisch, intellektuell gesehen extrem armselig. Oft geht es auch um Banalitäten. Aber technisch sind sie meistens gut gemacht, diesbezüglich könnte man sich noch was abschauen. Und ansonsten, schon Georg Christoph Lichtenberg sagte: "Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen".

Von Stefanie Stahlhofen (KNA)