Schwester Charis Doepgen über das Sonntagsevangelium

Jesu Versuchung und unsere Versuchung

Veröffentlicht am 04.03.2017 um 17:55 Uhr – Lesedauer: 
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Bonn ‐ Fastenzeit ist die Zeit der Versuchung. Im Sonntagsevangelium wird Jesus in der Wüste in Versuchung geführt - mit Happy End, meint Schwester Charis Doepgen. Was bedeutet das für unsere Beziehung zu Jesus?

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Impuls von Schwester Charis Doepgen

Versuchung – ein Thema, zu dem offenbar Christen besonders viel einfällt.  Wir stehen am Beginn der Fastenzeit und sind vorerst durch gute Vorsätze vor der "zartesten Versuchung, seit es Schokolade gibt" und anderen "süßen Verführungen" der Werbung geschützt. Dass wir dem Thema – und damit dem Tatbestand – aber nicht entkommen können, wird auf den ersten Seiten der Bibel deutlich. Schon im Paradies geht es los. Seither müssen wir mit der Erkenntnis leben, dass wir mit unserem Appetit auf mehr Leben oft zu den falschen Früchten greifen. Ich bin sicher, jedem und jeder, die das Thema ernst nehmen, fällt aus der eigenen Biografie dazu etwas ein.

Und nun auch Jesus! Der Bericht über sein öffentliches Auftreten beginnt mit der vertraulichen Mitteilung: Auch er hatte Versuchungen. Da sind sich die ersten drei Evangelisten einig. Heute lesen wir die Fassung von Matthäus. Die Geschichte ist nicht nur ein Lehrstück über die Standhaftigkeit Jesu, sondern ebenso über die abgefeimten Methoden des Versuchers. Vorsicht also!

Gleich nach der Taufe geht es los. Jesus hatte gerade die wunderbare Zusage vernommen, geliebter Sohn zu sein. Mit diesem Wissen geht er in seine vierzigtägigen Exerzitien. Was kann da alles hochkommen! Nach dem Fasten kommt der Hunger und mit ihm die Stunde des Versuchers. Die Schwachstelle im Fleisch ist gefunden. Die leiblichen Bedürfnisse übertönen auf einmal alles. So willkommen jetzt ein Stück Brot wäre, die Versuchung zielt darauf ab, das Sohnsein zu testen. Wer bin ich, was kann ich... Da setzt der Teufel an. Souverän wehrt Jesu die Zumutung mit dem Wort Gottes ab. Er lässt nicht zu, dass einer den Keil des Zweifels zwischen seine persönliche Gottesbeziehung und das biblische Gotteswort treibt. Noch zwei Versuche nach dem gleichen Muster scheitern an Jesu Überlegenheit. - Menschlich betrachtet ist die Versuchung, an Gottes Sorge für mich zu zweifeln, wenn es mir schlecht geht, sehr real. Oft sind die tragenden Hände wenig spürbar. Es gibt eine Verzagtheit, vor der sich der Glaube immer wieder bewähren muss. - Gleichzeitig kennen wir das andere extrem: die Selbstüberschätzung. Wenn der Lohn ein eigener Herrschaftsbereich ist, wo einer schalten und walten kann nach belieben, werden auch schon mal ein paar fremde Götter angebetet. Wer die Beispiele dafür nicht bei sich selbst findet, kann sie leicht in unserer Welt entdecken.

Bei Matthäus hat die Versuchung Jesu ein Happy End: Der Teufel ließ von ihm ab und Engel dienten ihm. Ganz anders Lukas, wo der Teufel nur für eine gewisse Zeit von ihm ablässt und die Engel fehlen. Scorseses Film von der "Letzten Versuchung Jesu" spekuliert mit dieser Notiz. - Nüchterner ist da der Hebräerbrief: In Jesus "haben wir ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat" (4,15).

Von Sr. Charis Doepgen OSB

Evangelium nach Matthäus (Mt 4,1-11)

In jener Zeit wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.

Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.

Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.

Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.

Die Autorin

Schwester Charis Doepgen OSB ist Benediktinerin in der Abtei St. Erentraud in Kellenried bei Ravensburg.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreiben Ordensleute und Priester für uns.