Warum die Starkbierprobe eine Erfindung der Kirche ist

Nockherberg: Katholisch derbleckt?

Veröffentlicht am 28.02.2018 um 13:01 Uhr – Lesedauer: 
Brauchtum

Bonn ‐ O'zapft is'! Und das nicht zum Oktoberfest, sondern bei der Starkbierprobe auf dem Nockherberg. Immer mehr wurde das Fest eine Lästerei über die Politik. Doch die Tradition geht auf Mönche zurück.

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Die Starkbierprobe auf dem Münchner Nockherberg zieht, trotz vermeintlicher hochdeutscher Sprachprobleme, auch außerhalb Bayerns eine hohe Zuschauerzahl an. Fast 3 Millionen Interessierte in ganz Deutschland verfolgten das Politiker-"Derblecken", hochdeutsch: "sich über jemanden lustig machen", im vergangenen Jahr. Seit 1982 überträgt das Bayerische Fernsehen den Starkbieranstich mit Salvator-Fastenbier und die damit verbundene Politik-Veranstaltung im Fernsehen. Der eigentliche Salvator-Ausschank hat seine Ursprünge im ehemaligen Münchner Paulanerkloster.

Bereits 1627 zogen zehn Paulanermönche auf die Berufung von Kurfürst Maximilian I. von Bayern in das Kloster Neudeck ob der Au im heutigen München. Der Orden des heiligen Franz von Paola hielt sich an das Gebot des "ewigen Fastens": Alles Tierische bis auf Fisch war untersagt – Veganismus light sozusagen. Erlaubt waren allerdings Bier und Wein. Es heißt, dass die Mönche ab 1634 begonnen haben, ihr eigenes Bier zu brauen. "Zur eigenen Hausnothdurft" durfte zur damaligen Zeit jeder ohne besondere Braukonzession Bier herstellen.

Flüssiges bricht das Fasten nicht

Weil früher noch erheblich strengere Fastenregeln galten und die Mönche oft harte körperliche Arbeit verrichteten, galt das Bier insbesondere in der Fastenzeit als unerlässlich. Nach dem Motto "Liquidum non frangit ieiunum – Flüssiges bricht das Fasten nicht" brauten Mönche zur vorösterlichen Bußzeit ein besonders starkes Bier. Die Paulaner im Konvent bei München fingen 1651 an, im Frühjahr zu Ehren des Ordensgründers das "Sankt-Vater-Bier", dessen Name sich im Laufe der Jahre zum Salvator-Bier änderte, auszuschenken. Neun Jahre später erhielt das Kloster das Braurecht. Anfang des 18. Jahrhunderts etablierte sich der Starkbieranstich anlässlich des Todestages von Franz von Paola am 2. April.

Klosterbier: Ordentlich gebraut

Was die Kirche mit Bier zu tun hat? Eine ganze Menge! Immerhin gibt es auch heute noch viele Klosterbrauereien, Katholisch.de stellt sie vor.

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts war es üblich, dazu auch die Kurfürsten und den Hofstaat einzuladen und das erste Bier dem Kurfürsten mit den Worten "Salve pater patriae! Bibas, princeps optime! – Sei gegrüßt, Vater des Vaterlands! Trinke, bester Fürst!" zu überreichen. Die ausdrückliche Erlaubnis des öffentlichen Ausschanks am Festtag des Ordensgründers erhielt das Kloster allerdings erst 1751 durch ein kurfürstliches Mandat von Maximilian III. Joseph. Knapp 25 Jahre später, im Jahr 1774, wurde Braumeister und Laienbruder Frater Barnabas, mit bürgerlichem Namen Valentin Stephan Still, in das Kloster Neudeck ob der Au berufen. Unter seiner Führung wurde die Brauerei des Klosters bekannter und größer.

Eine kurze Ära

Kurfürst Karl Theodor verfügte schließlich 1780 über die ganzjährliche Ausschankgenehmigung für das Kloster. Frater Barnabas blieb bis zu seinem Tod 1795 leitender Braumeister der Paulaner. Vier Jahre später feierte Kurfürst Maximilian IV. Joseph mit seinem Hofstaat das bis dahin größte Volksfest der Stadt im Rahmen des "Heilig-Vater-Festes". Im Juli des gleichen Jahres wurde das Paulanerkloster Neudeck ob der Au allerdings im Zuge der Säkularisation aufgehoben. Das Klostergebäude wurde erst ein Militärhospital, dann ein "Zuchthaus". Das Brauhaus wurde 1803 an den Johanniterorden veräußert.

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Zehn Jahre später wurde die Bockbiertradition und der "Heilig-Vater-Bier"-Ausschank durch den Braumeister Franz Xaver Zacherl unter dem Namen "Salvator" fortgeführt. Bis heute ziert der Ordensgründer Franz von Paola Etikett und Logo der Paulanerbrauerei. Nach Zacherls Tod übernahmen seine Neffen die Brauerei und errichten auf dem Nockherberg einen Bierkeller, der spätere "Salvator-Keller", wo seit 1861 die Starkbierprobe stattfand. Zur dieser Zeit veränderte sich auch der Termin auf Mitte März. Bis heute beginnt der Starkbierausschank am Wochenende vor dem Josefstag (19. März). Seit 1858 wurde es üblich, zum Fastenbieranstich Volksschauspieler und "Gstanzlsänger", eine bayerische, spöttische Liedform, auftreten zu lassen. Die erste richtige Fastenrede durch den Humorist Jakob Geis gab es 1891.

"Derblecken" und Singspiel als Politikum

Die heutige Form der Nockherberg-Starkbierprobe mit der Fastenrede, dem Politiker-"Derblecken", und anschließendem Singspiel, das sich auf humorvolle und satirische Weise mit aktueller Politik beschäftigt, entwickelte sich Mitte des 20. Jahrhunderts. Seit 1965 wird die erste Maß, wie früher dem Kurfürsten, dem bayerischen Ministerpräsidenten übergeben. Die Bedeutung von Bruder Barnabas in der Geschichte des Starkbieranstichs wurde von 1992 bis 2010 gewürdigt. Die Redner traten in seiner Rolle auf und hielten eine Fastenpredigt für die anwesenden "Großkopferten", also einflussreiche hochgestellte Personen. Es heißt: Wer am meisten "derbleckt" wird, gilt als wichtig.

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Seit 2011 spricht mit der Kabarettistin Luise Kinseher als Mama Bavaria die erste Frau zu ihren "Kindern". Vergangenes Jahr stand sie wegen ihrer "zu braven" Rede in der Kritik. Das diesjährige Singspiel trägt den Namen "Die glorreiche 7" und spielt in der Kulisse eines Westerns. Die neuen Singspielautoren Stefan Betz und Richard Oehmann versprechen Großes. Die derzeitige Politik sorgt jedenfalls für genug "Stoff", damit die Politiker an diesem Abend auf jeden Fall gut "derbleckt" werden.

Von Julia Martin

Der Artikel erschien erstmals im Februar 2017.