Erfrischend hell und ohne Korsett
Noch drängen sich die Pilger entlang des schmalen Gangs, den der Bauzaun ihnen lässt. Doch rechtzeitig vor Ostern wird in wenigen Tagen die künstliche Barriere rund um eine der heiligsten Stätten der Christenheit abgebaut. Die Arbeiten an der Grabkapelle in der Jerusalemer Grabeskirche sind so gut wie abgeschlossen.
Zur feierlichen Wiedereinweihung der sogenannten Ädikula am kommenden Mittwoch hat sich hoher Besuch angekündigt. Neben den Oberhäuptern jener Kirchen, die Eigentümer der Grabeskirche sind, - dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos III., dem armenisch-apostolischen Patriarchen Nourhan Manougian und dem Administrator des Lateinischen Patriarchats, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, hat offenbar auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel sein Kommen angekündigt.
Linktipp: Überraschende Entdeckung am heiligen Grab
Restauratoren haben bei den seit dreieinhalb Monaten laufenden Arbeiten an der Südseite der Grabkapelle ("Ädikula") in der Jerusalemer Grabeskirche eine überraschende Entdeckung gemacht. (Artikel von August 2016)Die oberen Meter des weißen Sichtschutzes sind bereits verschwunden. Sie geben eine erste Ahnung der Ädikula frei, wie sie seit über 70 Jahren keiner mehr gesehen hat: Erfrischend hell hebt sich das kleine Gebäude von den weiterhin rußergrauten Säulen der Rotunde ab. Von dem eisernen Korsett, das die Briten dem maroden Bau 1947 wegen Einsturzgefahr verpassten, ist keine Spur mehr zu sehen. Erst der durch einen Spalt im Bauzaun erhaschte Blick zeigt noch Überreste der Eisenträger: Letzte Stumpen ragen ein paar Zentimeter aus dem Fußboden. Zusammen mit dem provisorischen Schutzbelag im Baustellenbereich sollen auch sie bis kommenden Mittwoch entfernt sein.
Die Arbeit ist ein Zeichen für die ganze Christenheit
Die Instandsetzung des bedeutenden Baus durch Forscher und Fachleute der Technischen Universität Athen haben sich nicht nur die Jerusalemer Kirchen etwas kosten lassen. Ein Großteil der Gesamtkosten des Projekts in Höhe von 3,4 Millionen Euro wurde von privaten Spendern und dem gemeinnützigen World Monuments Fund finanziert. Mehr noch als das Geld zählt jedoch in den Augen des obersten Hüters der katholischen Heiligen Stätten im Heiligen Land, Franziskanerkustos Francesco Patton, der hohe symbolische Wert der Arbeit. Die im Einverständnis der drei an der Kapelle durchgeführten Arbeiten "sind ein bedeutendes Zeichen für die ganze Christenheit, weil es zeigt, dass wir zusammenarbeiten können", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Jerusalem.
Nach 10 Monaten Bauzeit machen sich Ungeduld und Zufriedenheit breit. Drei Tage noch, sagt der koptische Priester, der an der provisorisch in einer Art Baucontainer eingerichteten Kapelle seitlich des koptischen Bereichs an der Rückseite des Grabes seinen Dienst tut. Am Sonntag - ein breites Lächeln ziert das bärtige Gesicht - dürfen auch die Kopten wieder an ihren angestammten, jetzt frisch renovierten Platz zurück. An der Instandsetzung des geteilten heiligen Ortes hatten sie freilich nicht mitzureden: Wie die Äthiopier und Syrer haben die Kopten nur Nutzungsrechte an der Grabeskirche. Den Besitz teilen sich Lateiner, Griechen und Armenier.
Deren Einigung über die längst fälligen Arbeiten an der Ädikula galt in dem traditionell nicht konfliktfreien Miteinander der drei Konfessionen als bemerkenswert. Als nicht weniger bedeutsam dürfte die angekündigte Teilnahme des Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., bewertet werden. Das Verhältnis zwischen Theophilos III. und Bartholomaios I. galt nicht immer als unbelastet.
Wie tragfähig die neue Ökumene in Sachen heiliger Bauträgerschaft ist, wird sie in naher Zukunft beweisen können. Eine Folgestudie der griechischen Forscher legt den Kirchen nahe, den gesamten Bereich der Rotunde im Untergrund zu stabilisieren. Hohlräume, ein verzweigtes Tunnel- und Kanalsystem, Korrosion und eindringendes Wasser gefährden nach ihrer Einschätzung die Stabilität der runderneuerten Grabkapelle. Einigen sich die Kirchen, soll nach dem Willen der Forscher eine zweite zehnmonatige Bauphase folgen. Wie so oft bei historischen Stätten könnte es dann gleich nach Ostern wieder heißen: Nach dem Bau ist vor dem Bau.