Vor 50 Jahren schrieb Paul VI. seine große Sozialenzyklika

"Entwicklung ist der neue Name für Frieden"

Veröffentlicht am 26.03.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Geschichte

Vatikanstadt ‐ Sie warb für einen gerechten Ausgleich zwischen den Nationen. Damit war die Sozialenzyklika "Populorum progressio" vor 50 Jahren ein Meilenstein für die Konzeption der Entwicklungshilfe.

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Wenige Schlagworte haben die Katholische Soziallehre so sehr geprägt wie der Satz, dass "Entwicklung der neue Name für Frieden" sei. Festen Bestand hat bis heute auch das äußerst restriktive Ja zu Gewalt und Revolution - nämlich im Fall der "eindeutigen und lange dauernden Gewaltherrschaft, die die Grundrechte der Person schwer verletzt und dem Gemeinwohl des Landes ernsten Schaden zufügt". Beide Aussagen stammen aus der Sozialenzyklika "Populorum progressio" (Über die Entwicklung der Völker), die Papst Paul VI. vor 50 Jahren, am 26. März 1967, vorlegte.

Enzyklika in der Tradition der Soziallehre

Das internationale Medienecho auf das Lehrschreiben des Konzilspapstes war sehr breit, aber auch irritierend. Es erntete Lob aus Moskau und Kritik aus den USA. "New York Times" und "Wall Street Journal" wollten in der Sozialenzyklika marxistische Anklänge erkennen - während die sowjetische Presseagentur "Nowosti" einen "großen Fortschritt in der Soziallehre der katholischen Kirche" lobte. Nach einer gründlichen Lektüre des Dokuments relativierten sich die Vorbehalte.

Eineinhalb Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), das Fragen weltweiter Gerechtigkeit bereits angesprochen hatte, wollte Paul VI. das Thema in einem eigenen Lehrschreiben nochmals entfalten. Es fügt sich ein in die Tradition der Katholischen Soziallehre, die Leo XIII. 76 Jahre zuvor mit ihrer Magna Charta, dem Schreiben "Rerum novarum", grundgelegt hatte. Zu deren 40. Jahrestag 1931 hatte Pius XI. "Quadragesimo anno" herausgegeben, und nochmals 30 Jahre später entwickelte Johannes XXIII. die Soziallehre mit "Mater et magistra" weiter.

Bild: ©KNA

Paul VI. war von 1963 bis 1978 Papst.

"Populorum progressio" war das erste päpstliche Lehrschreiben, das sich ganz mit der internationalen Entwicklung befasst. Seine Analyse ist deutlich und bedrückend: "Heute ist - darüber müssen sich alle klar sein - die Soziale Frage weltweit geworden." Verlangt sei ein gerechter Ausgleich zwischen entwickelten und unterentwickelten Ländern. Es gebe einen "Skandal schreiender Ungerechtigkeit nicht nur im Besitz der Güter, sondern mehr noch in deren Gebrauch". Die Wirtschaft habe "ausschließlich dem Menschen zu dienen". Der "Überfluss der reichen Länder muss den ärmeren zustatten kommen".

Paul VI.: Von Entwicklung hängt die Zukunft der Zivilisation ab

Drei Pflichten schreibt der Papst in der Enzyklika fest: erstens zu Solidarität, zur Hilfe der reichen Völker für die Entwicklungsländer. Zweitens zu sozialer Gerechtigkeit, die abstellt, was an Wirtschaftsbeziehungen zwischen den mächtigen und schwachen Völkern ungesund ist. Drittens die "Pflicht zur Liebe zu allen, zur Schaffung einer menschlicheren Welt für alle, wo alle geben und empfangen können, ohne dass der Fortschritt der einen ein Hindernis für die Entwicklung der anderen ist". Von wirtschaftlicher Entwicklung und von der Teilhabe aller Menschen am sozialen und politischen Wachstum und an Bildung hänge die Zukunft der Zivilisation ab, betont Paul VI.

Linktipp: Die Mutter aller Sozialenzykliken

Lange wurde der Kirche im 19. Jahrhundert vorgeworfen, die Antwort auf die "Soziale Frage" verschlafen zu haben. Doch 1891 meldete sich Papst Leo XIII. mit der ersten Sozialenzyklika "Rerum novarum" zu Wort. (Artikel vom Mai 2016)

Klare Aussagen enthält das Schreiben zum Thema Privateigentum. Die Kirche lehne dies keinesfalls ab, aber es dürfe niemals zum Schaden des Gemeinwohls genutzt werden. Es gebe "für niemanden ein unbedingtes und unumschränktes Recht" auf privates Eigentum. Niemand dürfe seinen Überfluss ausschließlich sich selbst vorbehalten, wenn anderen das Notwendigste fehlt. Eine klare Absage an Kapitalflucht ins Ausland, wie es gerade von den aufstrebenden Eliten der jungen Staaten zum eigenen Nutzen praktiziert wird.

"Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen"

Die Enzyklika stellt klar: Der Christ "kann kein System annehmen, dem eine materialistische und atheistische Philosophie zugrunde liegt". Ebenso entschieden wendet sie sich gegen einen ungehemmten Liberalismus, gegen Vorstellungen, wonach "der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an den Produktionsmitteln ein absolutes Recht, ohne Schranken, ohne entsprechende Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber darstellt". Man könne solchen Missbrauch nicht scharf genug verurteilen, und: "Noch einmal sei feierlich daran erinnert, dass die Wirtschaft ausschließlich dem Menschen zu dienen hat."

Von Johannes Schidelko (KNA)