DBK-Vorsitzender fordert höhere Steuern auf Vermögen

Kardinal Marx kritisiert Hartz IV

Veröffentlicht am 08.04.2017 um 09:52 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Hamburg ‐ Kardinal Reinhard Marx hält nicht nur den Hartz-IV-Regelsatz für zu niedrig, sondern auch die Steuern auf Vermögen. Und dann sprach er noch einmal über Fremdenhass und "rote Linien" für Christen.

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat sich für eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften ausgesprochen. "Wenn die Vermögensverteilung immer ungleicher wird, dann kann der Staat nicht so tun, als ob ihn das nichts anginge. Im Sinne der Gerechtigkeit müssen Vermögen und Erbschaften, aber auch der Kapitalverkehr stärker besteuert werden", sagte Marx im Interview des "Spiegel" (Samstag).

In Deutschland herrsche "großer Wohlstand", aber es gehe nicht überall gerecht zu, betonte der Erzbischof von München und Freising. "Die Vermögen sind ungleich verteilt, und die Einkünfte aus Kapital stiegen in den vergangenen Jahren teilweise wesentlich schneller als die aus Arbeit." Auch regional gebe es Unterschiede.

Zu hohe verfestigte Arbeitslosigkeit

Mit Blick auf die Hartz-IV-Gesetze sagte Marx, dass zwar der Kern die "durchaus richtige Idee des Forderns und Förderns" gewesen sei. "Nur wurden die Ziele, die sich die Politik damals gesetzt hat, nicht alle erreicht", kritisierte der Kardinal. "Wir haben immer noch eine zu hohe verfestigte Arbeitslosigkeit. Und der Regelsatz ist viel zu niedrig, als dass er dazu dienen könnte, den Menschen eine gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sichern."

Marx sagte, er habe "manchmal den Eindruck, dass der Einfluss der Agenda-Reformen auf die Beschäftigung stark übertrieben wird". Es sei richtig gewesen, "nach einem Weg zu suchen, wie man die Menschen aus der Arbeitslosigkeit wieder herausholen kann". Hilfe zur Selbsthilfe sei auch ein Prinzip der Katholischen Soziallehre. Die Menschen sollten eigenverantwortlich auch mit ihrer Arbeit ihr Leben menschenwürdig gestalten können.

Bild: ©picture alliance / dpa

Kardinal Marx wurde erneut gefragt, ob es für einen Christen möglich sei, die AfD zu wählen.

"Dazu reichen die Arbeitsgelegenheiten des Niedriglohnbereiches nicht aus", erklärte der Kardinal. Langfristig gute Arbeitsplätze würden durch Investitionen und nicht durch "Hartz-Gesetze" geschaffen. "Der Niedriglohnbereich sollte ja ein Einstieg sein in einen Normalarbeitsvertrag mit anständiger Entlohnung." Die Hoffnung sei allerdings "nicht ganz aufgegangen".

Das Normalarbeitsverhältnis sei das "Rückgrat unserer Gesellschaft und damit auch der Freiheit", betonte Marx. Wer arbeite, müsse am Ende mehr als nur das Nötigste zum Überleben haben. "Er muss auch am gesellschaftlichen Fortschritt teilnehmen können. Nur so werden wir den Menschen Unsicherheiten und Ängste nehmen."

Marx bekräftigt "rote Linien" für Christen

Erneut wandte sich Marx in dem Interview gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. "Ein Christ sollte höchste Vorsicht walten lassen, wenn Politiker wieder dem Nationalismus das Wort reden, wenn sie Fremdenfeindlichkeit schüren oder eine ganze Religion zum Feind erklären", so der Kardinal. "Wenn solche Fahnen aufgezogen werden, kann man als Christ nicht einfach hinterhermarschieren. Da sind wir als katholische Bischöfe aufgerufen, rote Linien zu definieren."

Marx antwortete damit auf die Frage, ob man Christ sein und AfD wählen könne. Er sagte auf die Frage ebenfalls: "Das kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten." Auf die Frage, was er machen würde, wenn die AfD-Führung die Deutsche Bischofskonferenz einmal treffen wolle, sagte der Münchner Kardinal: "Wir haben es bislang immer so gehalten, dass die im Bundestag vertretenen Parteien Gespräche bekommen, wenn sie das wünschen und wir uns auf Themen und Gesprächspartner einigen können."

Marx sagte, Populismus gebe es "von links wie von rechts". Die "großen Vereinfacher suchen nach einem Schuldigen und nach einer simplen Lösung". Der Kardinal betonte: "Für die einen sind es die Reichen, denen man angeblich problemlos etwas wegnehmen kann, damit es den Armen besser geht. Für die anderen sind es die Flüchtlinge und die Forderung: Wenn man die nicht mehr ins Land lässt, wird alles gut." Er zeigte sich zuversichtlich, dass die offene Gesellschaft in Deutschland stark genug sei, "solchen simplen Denkweisen nicht anheimzufallen." (bod/KNA)