Weihbischof Wolfgang Bischof über den Karfreitag

Bis zur letzten Konsequenz

Veröffentlicht am 14.04.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Karwoche

München ‐ Immanuel - Gott mit uns: Dieser Name ist als Verheißung für den Messias beim Propheten Jesaja zu finden. Die Evangelien übertragen diesen Titel auf Jesus. Zu Recht, findet Weihbischof Wolfgang Bischof.

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Um das Geschehen des Karfreitags zu verstehen, hilft mir der Blick auf die Szene am Ölberg: Wenige Stunden vor seinem Tod zeigt Jesus eine menschlich äußerst verständliche Seite, er bittet den Vater: "Nimm diesen Kelch von mir!" (Mk 14,36) Gleichzeitig macht er deutlich: "Aber nicht, was ich will, sondern was du willst soll geschehen." Beide Aussagen gehören für mich zusammen und werden dadurch sinngebend für den Karfreitag.

Jesus lebte als Mensch mitten unter den Menschen. Er machte die Erfahrungen von Freuden und Leiden des Lebens seiner Zeit. Grundsätzlich hat sich an diesem Erfahrungsreichtum des Menschseins bis auf den heutigen Tag nichts geändert. Damals wie heute sind Gefühle wie Trauer und Leid, Angst und Sorge genauso wie Freude und Zuversicht, Hoffnung und Trost prägend für unseren menschlichen Alltag.

Unerschütterliches Vertrauen in Gott

So fällt es uns nicht schwer, sich Jesus nahe zu fühlen, der Angst zeigt. Allzu verständlich ist für uns seine Beklemmung angesichts des nahen Todes. Er klammert sich an die menschlich verständliche Hoffnung, es möge doch noch irgendwie einen anderen Ausgang der Geschichte geben.

Und dann, im nächsten Satz, die Kehrtwende, die Umkehr hin zu dem, was ihn vom Menschen unterscheidet, sein Wissen und sein unerschütterliches Vertrauen in Gott, welches sich wie eine Klammer schon zu Beginn des Verses ankündigt: "Abba, Vater, alles ist dir möglich."

Wolfgang Bischof im Porträt
Bild: ©KNA

Wolfgang Bischof ist Weihbischof im Erzbistum München und Freising.

Wie schwer so ein Satz fallen kann, wird mir immer wieder bewusst, wenn ich Sterbenden begegne, die durch eine Krankheit oder einen Unfall aus dem Leben förmlich gerissen werden. Für einen Außenstehenden ist oft nicht zu verstehen, wie manche mit ihrem Schicksal hadern und andere ihre Situation annehmen und den Lebensweg zu Ende gehen.

Ich denke dabei auch an die Opfer von Terror und Gewalt in unseren Tagen, die oftmals gar nicht die Gelegenheit haben, sich in ihre Lage zu fügen, die plötzlich und völlig unerwartet aus dem Leben scheiden müssen.

Jesus geht seinen Weg über das Ende hinaus

All diese extremen Momente des Lebens bringen mir das Beispiel Jesu am Ölberg und letztlich im Augenblick seines Todes ins Gedächtnis. Jesus ist sich seines Sendungsauftrages selbst in diesem Moment bewusst und bleibt ihm treu. Er geht seinen Weg unbeirrt bis zum Ende und – wie wir aus der österlichen Perspektive heraus hinzufügen können – auch darüber hinaus.

Es bestärkt mich in meinem Glauben, wenn im Evangelium an dieser Stelle keine Legion von Engeln von Gott gesandt wird, um seinen Sohn zu retten, wie im Gespräch mit Pilatus als menschlich denkbare Reaktion Gottes angedeutet wird (vgl. Mt 26,53). Probleme, die schnell beseitigt werden, oder Notlagen, die sich plötzlich auflösen, das passt nicht zum Gott Jesu Christi.

Linktipp: "Es ist vollbracht!"

Der Karfreitag steht im Zeichen des Leides und erinnert an die Kreuzigung Jesu. In dem Begriff "Karfreitag" steckt das althochdeutsche Wort für Trauer. Die Liturgie an Karfreitag ist in ihrer Form im Kirchenjahr einmalig. (Artikel aus dem Februar 2015)

Der Gott, den Jesus seinen und unseren Vater nennt, ist kein Feuerwehrmann und kein Notarzt, der kommt, wenn es brennt. Jesus hat einen Gott verkündet, der nicht so in das Leben eingreift, wie Menschen sich das wünschen oder vorstellen. Sein Handeln offenbart sich auf eine viel tiefere Weise. Der Name, der Jesus im Evangelium gegeben wird, Immanuel, Gott mit uns, zeigt, dass er ein Leben lang an der Seite des Menschen steht.

Im Bild des mitgehenden Gottes durch das Leben wird deutlich, dass Gott da ist, aber nicht, wie wir uns das manchmal vorstellen, eingreift und etwas zu unseren Gunsten verändert. Die Begleitung Gottes ist eine dauerhafte, die in schönen Momenten genauso erfahren werden kann wie in den schwierigen. Gott steht uns zur Seite, er verlässt uns nicht. Dieses Glaubenswissen macht mir immer wieder Mut, auch in kniffligen Augenblicken weiterzugehen.

Gott steht bis zur letzten Konsequenz zum Menschen

Der Kreuzestod Jesu führt uns diese Zusage Gottes vor Augen, die Jesus seinen Jüngern gegenüber unterstreicht mit den Worten: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20). Das gilt auch in der letzten Stunde seines und unseres Lebens. Diese Nähe Gottes gibt Jesus die Kraft, sein Schicksal, sein nun zu Ende gehendes Leben, ganz in die Hand Gottes zu geben (Lk 23,46).

Der Karfreitag führt uns Christen vor Augen, dass Gott bis zur letzten Konsequenz zum Menschen steht und wir trotz der Dunkelheiten unseres Daseins stets auf das österliche Licht der Auferstehung vertrauen dürfen.

Von Wolfgang Bischof