Andreas Beltz zum Jahrestag des NSU-Prozesses

Mehr Fragen als Antworten

Veröffentlicht am 06.05.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
NSU-Prozess

Bonn ‐ Berichterstattung zu nahezu jedem Verhandlungstag, ungebrochenes öffentliches Interesse auch aus dem Ausland: Wohl kein Gerichtsverfahren seit der Wiedervereinigung hat in Deutschland so viel Aufmerksamkeit bekommen wie der NSU-Prozess. Neben der juristischen Aufarbeitung von zehn Morden mit mutmaßlich rechtsextremistischem Hintergrund wirft der Prozess weitere Fragen auf:

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Vor allem die nach dem Zusammenleben von Deutschen und Migranten und nach der Arbeit der deutschen Polizei- und Justizbehörden. Für Andreas Belz, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus und Referent für politische Bildung im Bistum Mainz, sind auch ein Jahr nach dem Prozessbeginn noch viele Fragen offen.

Ein gigantisches Puzzle

"Es bedarf noch erheblicher weiterer Aufklärung", fordert er gegenüber katholisch.de. "Bisher ist es den staatlichen Behörden trotz jahrelanger Ermittlungen noch nicht gelungen, Klarheit zu schaffen. Viele Zusammenhänge bezüglich der NSU-Morde sind noch vollkommen unklar". Auch, dass die Hauptangeklagte Beate Zschäpe beharrlich schweige, mache die Wahrheitsfindung äußerst schwierig. "Der Prozess gleicht einem Puzzlespiel", fasst Belz, der den Prozess von Beginn an verfolgt, seine Eindrücke zusammen.

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Video: © Bernadette Schrama

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Dass in einigen Medien die Vermutung angestellt wird, es sei in der Vergangenheit nicht nur zu Vermittlungspannen gekommen, sondern rechtsextremistische Bestrebungen seien geduldet oder gedeckt worden, kann Belz verstehen: "Es liegt an den deutschen Behörden und Institutionen, in Zukunft diesem Eindruck entgegen zu wirken und weiter aufzuklären", so Belz.

Damit sei es aber nicht getan: "Möglicherweise haben die Behörden versagt, aber auch die Zivilgesellschaft und Kirche müssen sich fragen, ob sie rechtsextremistischen Bestrebungen entschieden genug entgegen getreten sind", erklärt er.

Viele Fragen, wenig Antworten

Wie die gesamte Gesellschaft habe auch die katholische Kirche dem Thema lange nicht genug Beachtung geschenkt. Es sei jedoch an der Zeit, sich jedoch mit der Existenz von rechtsextremen Einstellungen in den eigenen Reihen und in der Gesellschaft auseinanderzusetzen: "Wenn wir ein authentisches Zeugnis des Glaubens abgeben wollen, dann müssen wir uns nach innen und nach außen der Diskussion stellen und nach Lösungen suchen“, ist Belz überzeugt. Die "Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus" sei ein Zeichen für dieses Bemühen.

Viele der Fragen, die der NSU-Prozess aufwerfe, könne der Prozess gar nicht beantworten – schließlich gehe es dort ausschließlich um eine juristische Aufarbeitung der Morde. "Das Gerichtsverfahren kann rechtsextremistische Einstellungen in der Gesellschaft nicht ändern – womöglich noch nicht einmal die Einstellungen der Angeklagten. Aber er kann eine gesellschaftliche Diskussion über das Thema auslösen", resümiert Belz. (gho)

Kirche und Rechtsextremismus

Die "Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus – aktiv für Demokratie und Menschenrechte" (BAG K+R) ist ein Zusammenschluss von Initiativen, Organisationen und Arbeitsgruppen. Sie will mit ihrer Arbeit gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit innerhalb und außerhalb der Kirchen benennen, ihnen konstruktiv entgegentreten und sie überwinden.