Für die Erstkommunion-Katechese gibt es verschiedene Modelle

Damit die Kirche ihre Kinder nicht verliert

Veröffentlicht am 20.04.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kommunionkinder stehen mit ihren Kerzen in der Kirchenbank.
Bild: © KNA
Erstkommunion

Bonn ‐ Am Sonntag empfangen Tausende Kinder in Deutschland zum ersten Mal das Sakrament der Eucharistie. Doch welche Art der Vorbereitung hilft, damit sie der Kirche auch nach der Erstkommunion erhalten bleiben?

  • Teilen:

Schluss, aus, vorbei: Kaum ist der große Tag der Erstkommunion vorüber, verschwindet die Kirche rasch wieder aus den Köpfen vieler Kinder und ihrer Familien. Auch wenn eine Evaluationsstudie vor einiger Zeit herausgefunden hat, dass die Erstkommunion-Praxis samt Vorbereitung besser als ihr Ruf sei, lässt sich eines nicht bestreiten: In vielen Fällen bleibt die Erstkommunion zugleich die "Letztkommunion" – zumindest für einen längeren Zeitraum. Eine Chance, die Kommunionkinder und ihre Eltern auch langfristig für Glaube und Kirche zu begeistern, liegt in der Vorbereitungsphase – der Erstkommunion-Katechese. Dafür existieren verschiedene Vorschläge.

Der klassische Fall: Gemeindekatechese

Vielerorts findet für die Erstkommunion-Vorbereitung nach wie vor die klassische Gemeindekatechese Anwendung. Bei regelmäßigen Treffen arbeitet ein Team von ehrenamtlichen Katecheten aus der Gemeinde in Kleingruppen mit den Kindern. Häufig sind dabei Elternteile der Kommunionkinder involviert; man spricht bei den Katecheten auch von "Tischmüttern" oder "Tischvätern". In den Gruppenstunden sollen die Kinder spielerisch ihren Glauben entdecken und mit wichtigen Inhalten der christlichen Botschaft in Berührung kommen. Gleichzeitig soll genug Raum bleiben, damit sie eigene Fragen stellen und über ihre Vorstellungen von Gott und Glaube sprechen können.

Unterstützt werden die Katecheten durch das Pastoralteam der Gemeinde, das sie auf ihren Dienst vorbereitet und entsprechendes Material für die Arbeit mit den Kindern zur Verfügung stellt. In manchen Gegenden tragen die Hauptamtlichen die Katechese auch alleine. Die meist mehrmonatigen Vorbereitungskurse der Kinder werden häufig ergänzt durch Wochenendfreizeiten, spezielle Familien- und Kindergottesdienste, die zum besseren Verständnis der Liturgie beitragen, sowie den Religionsunterricht in der Schule. Teil der Katechese ist nicht zuletzt die Vorbereitung auf die Erstbeichte, die vor der Erstkommunion erfolgt.

„Nicht nur Kinder gehen zur Erstkommunion, sondern die ganze Familie.“

—  Zitat: Aus der Studie zur Erstkommunion-Katechese

Die klassische Gemeindekatechese zur Vorbereitung der Erstkommunion hat Vor- und Nachteile. Authentisch gestaltet von überzeugten und überzeugenden Katecheten, kann sie den gewünschten Effekt einer nachhaltigen Glaubensbildung erzielen. Doch dafür braucht es eine entsprechende Unterstützung der Katecheten. Und diese sei vielerorts nicht gegeben, so ein Ergebnis der Erstkommunion-Studie "Werte – Religion – Glaubenskommunikation", die die Forschungsgruppe "Religion und Gesellschaft" durchgeführt hat. "Es reicht nicht, den Leuten einfach eine Mappe in die Hand zu drücken und dann zu sagen 'mach mal'", sagt Stefan Altmeyer von der Universität Bonn, der an der Studie beteiligt war. Auch mangelt es an guten Materialien, die wesentlich für eine nachhaltige Katechese wären – den Kindern werde oft loses, selbstkopiertes Material mitgegeben, das laut Studie wirkungslos sei.

Alle mit ins Boot nehmen: Familienkatechese

"Nicht nur Kinder gehen zur Erstkommunion, sondern die ganze Familie", lautet ein weiteres zentrales Ergebnis der Kommunion-Studie. Deshalb sollten im Idealfall alle Eltern von Anfang an in die Vorbereitung miteinbezogen werden. Ein Modell, das dem besonders Rechnung tragen möchte, ist die sogenannte Familienkatechese, für die der emeritierte Tübinger Religionspädagoge Albert Biesinger wirbt. "Bei der Familienkatechese erwerben auch die Eltern die Kompetenz, mit ihrem Kind über Glaubensthemen zu sprechen", erklärt Biesinger. Sie erhalten entsprechendes Material sowie Vorbereitung und Begleitung durch Hauptamtliche bei einem oder mehreren Elterntreffen.

"Praktisch läuft das so, dass die Eltern eingeladen sind, jede Woche eine halbe Stunde mit ihren Kindern in einem Familienbuch zur Erstkommunion zu lesen", erklärt Biesinger. Daneben gibt es regelmäßige Treffen mit Gleichaltrigen in Kommunionkindergruppen. So bekommen laut Biesinger in einem Prozess sowohl die Kinder als auch ihre Eltern (neu) Zugang und Vertrauen zur Kirche und erwerben Wissen über biblische Geschichten. Darüber hinaus zeige die Familienkatechese nachhaltige Wirkung: Dort, wo sie Anwendung finde, seien etwa regelmäßige Familiengottesdienste eingeführt worden, überdurchschnittlich viele Kommunionkinder würden Ministranten werden, sogar mehr Menschen würden wieder in die Kirche eintreten, sagt Biesinger.

Bild: ©privat

Albert Biesinger, Religionspädagoge und Diakon, bereitet im Jahr 2015 seine Enkelin Lisa mit dem Familienbuch auf ihre Erstkommunion vor.

Die Familienkatechese wurde auch während der Familiensynode im Vatikan 2015 als "wirksame Methode" gewürdigt. Für Papst Franziskus dürfte sie ebenfalls ein vertrautes Instrument sein, ist sie doch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in Chile entstanden und besonders in lateinamerikanischen Gemeinden seit Jahrzehnten weit verbreitet. Dennoch basiert dieses Modell zunächst einmal auf der Grundlage, dass alle Eltern eines Kommunionjahrgangs auch "wollen" müssen. Biesinger gesteht ein: "Man kann nicht alle erreichen, weil manche nur die Erstkommunion für das Kind wollen, aber selbst nichts mit dem Thema Glauben zu tun haben wollen."

Katechese kann Generationen verbinden

Fernab klassischer Jahrgangskatechese stehen weitere Vorschläge zur Erstkommunion-Vorbereitung. Etwa das Modell der "Generationenverbindenden Kommunion-Katechese", für das sich der Hamburger Katechese-Referent Jens Ehebrecht-Zumsande in seinem gleichnamigen Buch ausspricht. "Der Ansatz ist, dass religiöses Lernen und religiöse Bildung nie abgeschlossen, sondern ein lebenslanger Prozess sind", erklärt der Referent. Somit gebe es auch kein "richtiges Alter" für die Erstkommunion; mit der gängigen Praxis, dass Kinder im dritten Schuljahr erstmals die Eucharistie empfangen, sei willkürlich ein Zeitpunkt festgelegt worden.

Im Idealfall müssen laut Ehebrecht-Zumsande in einer Gemeinde über das ganze Jahr verteilt regelmäßig katechetische Angebote zu verschiedenen Glaubensthemen angeboten werden – so auch zur Eucharistie. Daran könnten Menschen jeden Alters teilnehmen, die im Laufe der Zeit ein Gemeinschaftsgefühl entwickelten. "Meine These ist, dass der Wunsch nach einem Sakrament automatisch erwächst, wenn erst einmal das Zugehörigkeitsgefühl da ist", so der Referent. Für eine nachhaltige Wirkung müsse die Katechese nahe bei den Menschen sein; entscheidend seien Themen und Lernerfahrungen, die mit der Lebenssituation der Teilnehmer zu tun hätten.

Bei der Katechese differenzieren

In der Praxis sieht die generationenverbindende Kommunion-Katechese einen gemeinsamen Einstieg aller Altersgruppen vor. Darauf folgt eine altersdifferenzierte Phase mit Workshops und Gesprächsgruppen zum Thema Eucharistie jeweils für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In einem weiteren Schritt mischen sich die Gruppen und sprechen über die Ergebnisse. "Hinzu kommen Elemente wie ein gemeinsamer Brunch und ein gemeinsamer Gottesdienst", sagt Ehebrecht-Zumsande. Dort, wo man dieses Modell ausprobiert habe, sei das Feedback durchaus positiv gewesen. Um auch glaubensferne Menschen erreichen zu können, brauche es sowohl in der Katechese als auch in der Liturgie "eine neue Sprache, eine neue Ästhetik und neue Orte für neue Zielgruppen", so der Referent.

Kommunionvorbereitung in einer Kirchengemeinde.
Bild: ©KNA

Zur Kommunionvorbereitung gehört auch, dass die Kinder in der Kirche Abläufe der Liturgie kennenlernen und den Gottesdienst zur Erstkommunion vorher üben.

In der Sprache der Kirche sieht auch die Luzerner Religionspädagogin Monika Jakobs ein Problem. "Es muss noch stärker darum gerungen werden, die theologischen Inhalte verständlich und lebensrelevant anzubieten", sagt sie. Gerade für Kinder müssten Erklärungen immer mit Erfahrungen verknüpft sein. Mit Blick auf die Erstkommunion-Vorbereitung könne zudem nicht bei allen Kindern eines Jahrgangs dasselbe Vorwissen zu Glaubensthemen vorausgesetzt werden. Eine Alternative zur bisherigen Praxis wäre laut Jakobs, den Termin der Erstkommunion "zu individualisieren und ganz von der jeweiligen Situation des Kindes und seiner Familie abhängig zu machen".

Hinsichtlich der Kommunion-Vorbereitung spricht sich die Religionspädagogin für eine "differenzierte Katechese" aus. In Städten gebe es die pastorale Option, dabei Eltern und Kinder aus verschiedenen Pfarreien zusammenbringen. Diese würden je nach Vorwissen und Interessen in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Den Fortgeschrittenen sollten wöchentlich tiefergehende katechetische Angebote gemacht werden "und den anderen erklärt man zunächst, wie ein Gottesdienst funktioniert und wozu er gut ist", so Jakobs. "Ich könnte mir so etwas wie ein Minimalprogramm und ein ausführliches Programm vorstellen." Auf diese Weise fühlten sich die einen nicht über-, die anderen nicht unterfordert.

Alternativen für die Zukunft?

Differenzierte wie auch generationenverbindende Katechese haben den Vorteil, dass sie die Menschen und ihre jeweilige Lebenssituation genauer in den Blick nehmen. Die beiden Modelle verabschieden sich jedoch auch von der klassischen Jahrgangskatechse. Bislang war es so, dass fast alle Kinder, die katholisch getauft sind, auch zur Erstkommunion gingen. Wird nun der Termin der Erstkommunion individualisiert und bekommt die Katechese immer stärker den Charakter eines reinen Angebots, besteht die Gefahr, dass Menschen verlorengehen und die Zahl der Kommunionkinder sinkt. Eine schwierige Entscheidung: Lässt man weiter "automatisiert" ganze Jahrgänge geschlossen zur Erstkommunion gehen, obwohl sich viele Kinder und ihre Familien schnell wieder von der Kirche abwenden? Oder vertraut man ganz auf die Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen und riskiert somit, dass von vornherein immer weniger junge Menschen das Sakrament der Eucharistie empfangen?

Welches Modell der Vorbereitung sorgt also dafür, dass nach der Erstkommunion nicht unmittelbar "Schluss" ist – die Kirche ihre Kinder nicht direkt wieder verliert? In einer Situation, in der die Mehrheit der Bevölkerung keine oder kaum noch eine Bindung zur Kirche hat, ist es wohl so, dass es "die eine richtige Art" der Vorbereitung auf die Erstkommunion nicht gibt. Die Frage ist eher, wie überzeugend die ehrenamtlichen Katecheten und Hauptamtlichen einer Gemeinde in ihrer Arbeit sind – und zudem, wie intensiv die Eltern sich beteiligen. Wenn die Kinder aus der Katechese für ihr Leben etwas mitnehmen, christliche Werte in den Alltag tragen, dann sind vielleicht auch die leerer gewordenen Kirchenbänke am Sonntag nach der Erstkommunion nicht das Schlimmste.

Von Tobias Glenz