Schwester Ursula Hertewich über Rituale am Morgen

Sechs Tipps für einen guten Start in den Tag

Veröffentlicht am 27.04.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Spiritualität

Bonn ‐ Morgenmuffel oder Frühaufsteher? Ganz egal, Schwester Ursula Hertewich aus dem Kloster Arenberg verrät, welche Rituale am Morgen helfen können, mit Ruhe und Gelassenheit in den neuen Tag zu starten.

  • Teilen:

1. Mit Schwung in den Tag

Für mich als Ordensfrau beginnt der Tag um 5:30 Uhr. Damit ich schnell aus dem Bett komme, stelle ich mir den Wecker pünktlich. Ich bin keine Frühaufsteherin und springe immer erst in letzter Sekunde aus dem Bett. Das Gute daran ist, dass ich mich nicht mehr umdrehe und auch nicht weiter schlafe, sondern in zehn Minuten auf der Matte stehe und fertig angezogen bin. Das erfordert Disziplin, aber meine Erfahrung zeigt: Wenn ich länger als gewohnt schlafe, bin ich tagsüber richtig müde. Eine Mitschwester hat einmal gesagt, dass es nicht gut ist, wenn wir abends wie ein Pudel müde ins Bett fallen und morgens genauso verschlafen wieder aus den Federn kriechen. Ich glaube, es geht darum, ganz bewusst den alten Tag hinter sich zu lassen und mit Schwung in den neuen Tag zu starten. Mir fällt auf, ich bin viel entspannter, wenn ich diszipliniert und vorbereitet aufstehe. Beim Aufstehen spreche ich daher immer folgendes Gebet:

Gott, dieser Tag
und was er bringen mag
sei mir aus Deiner Hand gegeben.
Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Du bist der Weg:
ich will ihn gehen.
Du bist die Wahrheit:
ich will sie sehen.
Du bist das Leben:
mag mich umgeben
Leid und Kühle,
Glück und Glut,
alles ist gut,
so wie es kommt.
Gib, dass es mir frommt!

In Deinem Namen
beginne ich. Amen.

Wenn ich mich morgens so vorbereitet auf den Tag einlasse, dann hat das Auswirkungen, auf alles, was ich anpacke.

2. Die Stille genießen

Im Kloster beginnen wir Ordensfrauen den Tag immer im Schweigen. Das heißt, die ersten zweieinhalb Stunden in der Frühe verbringen wir komplett in Stille, vom Aufstehen bis nach dem Frühstück. Eine regelmäßige Gewohnheit, die Spuren in meinem Leben hinterlässt. Auch weil ich morgens nicht so gerne rede, kommt mir das entgegen. Das nächtliche Schweigen von der Komplet am Vorabend bis nach dem Frühstück am Morgen ist eine alte klösterliche Tradition. Das Schöne daran ist: Alle Schwestern halten sich daran, keine spricht die andere an. Außer im Notfall natürlich. Ich habe am Morgen keinen Radiowecker, lese keine Zeitung, gehe nicht ins Internet. Ich starte in den neuen Tag ganz nach der Devise, die Welt bleibt draußen, die Nachrichten können warten. Meine Erfahrung zeigt, dass mir das wirklich gut tut. Statt mir den Kopf zu zerbrechen über die unzähligen ungelösten Probleme, nehme ich unsere Welt und speziell die Menschen, mit denen ich unterwegs bin, hinein in mein Morgengebet.

3. Gott hören

Bevor wir uns als Gemeinschaft in der Kirche täglich zur Laudes, dem Morgengebet, versammeln, nimmt sich jede Schwester Zeit zur Meditation. Am Anfang und am Schluss dieser Meditation spreche ich ein Gebet. Gerne bete ich dabei mit den Worten von Bruder Klaus das Gebet "Mein Herr und mein Gott":

Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir,
was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich führet zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. Amen.

Danach bin ich im Schweigen und bleibe still. Diese halbe Stunde gehört nur mir und Gott. Auch hier mache ich mir bewusst, dass mein Leben von Gott behütet ist. Ich stelle den anbrechenden Tag bewusst unter den Schutz Gottes. Und so meditiere ich in diesen neuen Tag mit Dankbarkeit. Ich richte mich auf Gott hin aus und bin so gleichzeitig ausgerichtet auf den Tag, der vor mir liegt, auf die Menschen, denen ich begegnen werde. Meistens betrachte ich dabei einen Psalm oder einen Vers aus dem jeweiligen Tagesevangelium. Vielleicht kann es auch jemandem helfen, die Bibel an einer beliebigen Stelle aufzuschlagen. Das Wort, auf das mein Blick zuerst fällt, kann das Wort sein, das heute für mich bedeutsam wird. Ich kann mich fragen: Was will dieses Wort mir heute sagen? Auch die Worte der Psalmen können hilfreich sein. Das Wichtigste ist, gegenwärtig zu werden vor Gott. Ich gehe dazu jeden Morgen in den Meditationsraum oder an einen anderen Ort, an dem ich mich wohlfühle. Wenn ich meditiere, versuche ich meine Gedanken zu beruhigen und einfach vor Gott da zu sein.

Bild: ©katholisch.de

Schwester Ursula Hertewich ist Dominikanerin und genießt am Morgen gerne eine kurze Auszeit für ein Gebet im Klostergarten.

4. Gemeinsam Beten

Danach gehe ich zum täglichen Gottesdienst in die Klosterkirche. Ich gehe diesen Weg bewusst im Freien. Ich liebe es, diese paar Minuten an der frischen Luft zu sein und dem Vogelgezwitscher zu lauschen. Meine Gedanken können fließen und ich atme tief durch. Die frische Luft tut mir gut. Gerne gehe ich schon mal fünf Minuten früher los, um diese Zeit bewusst genießen zu können. Ich spüre hierbei, dass wir Christen jeden Morgen Ostern feiern. Jeder Morgen ist wie ein Neuanfang und alle Morgengebete erinnern uns daran, dass wir nach dem Dunkel der Nacht wieder von Jesus Christus auferweckt werden und zu neuem Leben aufstehen.
In der Kirche treffen wir Schwestern uns zum ersten gemeinsamen Gebet am Morgen, der Laudes. Wir schweigen aber weiterhin. Nur im Gebet sprechen wir das erste Mal. Das erste gemeinsame Gebet des Tages beginnt mit den Worten: „Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde“. Ich spüre bewusste, wie diese Worte mein Herz weit machen. Dieser kurze Psalmvers erinnert mich Tag für Tag daran, dass nicht ich selbst es bin, die Gott beliebig ins Wort bringen kann, sondern dass Gott mich öffnet, und mir die Gnade schenkt, sein Lob zu verkünden. Falls noch nicht vorher geschehen, werde ich spätestens bei diesen Worten hellwach, wie ein Flugzeug, das startet und langsam abhebt. Im Anschluss singen wir Schwestern  täglich Psalm 95. Diesen Psalm empfinde ich wie ein Vorzeichen für den Tag, weil wir uns bewusst unserem Schöpfer anvertrauen und uns gleichzeitig klar machen, wer hier der Chef ist. Es heißt da „Kommt lasst uns niederfallen, uns vor Ihm verneigen, lasst uns niederknien vor dem Herrn unserm Schöpfer - denn Er ist unser Gott“. Diese Worte stimmen mich auf den Tag ein und begleiten mich durch schwere und fröhliche Zeiten. Ich finde es großartig, jeden Tag so zu beginnen. Gott wirkt durch mich, ich öffne mich für das, was er an mir und durch mich wirken will.

5. Frühstücken im Schweigen

Ich frühstücke gerne und genieße den Duft des frisch gebrühten Kaffees am Morgen. Um viertel vor acht ist meine Zeit zum Genießen, bevor ich schon wenige Minuten später in die Arbeit starte. Was für eine Kraft in diesem Moment liegt! Für mich ist das geschenkte Zeit pur. Schließlich beginnt nun meine fitteste Zeit am Tag. Mein Tipp: Genießen Sie am Morgen etwas, was Ihnen gut tut und nehmen Sie sich Zeit dafür. Kulinarisch ganz nach Ihrem Geschmack. Das kann beispielsweise ein frisch gepresster Orangensaft sein, ein frisch aufgebrühter Kaffee oder ein selbst zubereiteter Tee mit Kräutern aus dem Garten. Für mich ist das Frühstück ein wichtiges Ritual, bei dem ich in aller Ruhe Kraft tanke, bevor ich in das Tagesgeschäft einsteige.

6. Segen für die Arbeit

Gut gestärkt geht es nun in den Arbeitstag. Doch zuvor werden wir Ordensschwestern nach dem Frühstück noch von unserer Priorin gesegnet: „Der Segen des allmächtigen Gottes komme auf uns herab und bleibe bei uns allezeit“. Danach machen wir das Kreuzzeichen. Mit diesem Kreuzzeichen stellen wir uns und den neuen Tag ganz bewusst unter den Segen Gottes. Ich wünsche Ihnen einen segensreichen Tag!

Von Madeleine Spendier