Ein Student vervollständigt den Petersplatz
Hoch oben über den Kolonnaden, den Säulengängen des Petersplatzes, ziert ihr Bildnis die Fassade des Apostolischen Palastes: Maria, "Mater Ecclesiae" – die Mutter der Kirche. Als der Architekt und Bildhauer Gian Lorenzo Bernini den Platz im 17. Jahrhundert entwarf, platzierte er auf der Balustrade der Kolonnaden insgesamt 140 gewaltige Heiligenstatuen. Hinzu kommen 13 weitere Statuen – Christus und die Apostel –, die die Fassade der Basilika krönen. Doch eine Darstellung der Gottesmutter scheint der große Bernini vergessen zu haben, als er die Piazza San Piedro schuf. Das Mosaik der Mater Ecclesiae vervollständigt den Petersplatz erst seit 1981.
Einen Hinweis, wer für die Mariendarstellung Verantwortung trägt, findet sich im Mosaik selbst. "Totus tuus" ("Ganz dein") steht dort geschrieben: der Wahlspruch Johannes Pauls II., daneben sein päpstliches Wappen. Doch den Anstoß dafür, ein Marienbildnis am Papstpalast anzubringen, gab nicht der inzwischen heiliggesprochene Pontifex. Wie sich der am Mosaik beteiligte Architekt Javier Cotelo erinnert, sprach ein Student den Papst nach einer Audienz im Jahr 1980 an: "Heiliger Vater, der Platz ist unvollständig … Alle Heiligen sind da, aber ich habe keine Darstellung von Maria gefunden." Johannes Paul erwiderte laut Cotelo: "Gut, gut! Dann müssen wir den Platz komplettieren."
Schüsse auf den Papst
Gemäß dem Wunsch des Papstes nach einem Marienbildnis am Petersplatz suchte man laut Cotelo nach einem geeigneten Ort und fand ihn in einem gut sichtbaren Giebelfenster des Apostolischen Palastes. Auch seien Entwürfe für das Mosaik angefertigt und dem Heiligen Vater vorgelegt worden. Am 13. Mai 1981 schoss der türkische Nationalist Mehmet Ali Agca bei einer Audienz auf dem Petersplatz auf Johannes Paul II. Es war der Jahrestag der Marienerscheinungen im portugiesischen Fatima. Der Papst überlebte nur knapp und schrieb das dem Schutz der Muttergottes von Fatima zu. Die Pläne für das Marienmosaik trieb Johannes Paul – nun auch aus Dankbarkeit für seine Errettung – weiter voran.
Laut Cotelo fiel bei der Wahl des Motivs die Entscheidung auf die älteste Darstellung der Gottesmutter im Petersdom. Die "Madonna della colonna" befand sich bereits auf einer Säule der alten Petersbasilika und konnte beim Abriss der antiken Kirche gerettet und in den Neubau übertragen werden. Die Inschrift des Mosaiks, "Mater Ecclesiae", geht auf Papst Paul VI. zurück, der Maria im Jahr 1964 gegen Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils den Titel "Mutter der Kirche" zusprach.
Das über zweieinhalb Meter hohe Bildnis wurde bis zum 7. Dezember 1981 in die Fassade des Apostolischen Palastes eingesetzt. Einen Tag später, am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, segnete es Johannes Paul II. und äußerte dabei den Wunsch, "dass alle, die zum Petersplatz kommen, ihre Augen zu ihr erheben mögen, um ihr mit kindlichem Vertrauen ihre Grüße und ihr Gebet entgegenzubringen".