Verurteilte Christin als Symbol der Radikalisierung des Sudan

Schicksal weiter ungewiss

Veröffentlicht am 02.06.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Schicksal weiter ungewiss
Bild: © KNA
Sudan

Bonn ‐ Die zum Tod verurteilte sudanesische Christin Mariam Yahia Ibrahim Ishag kommt vorerst nicht frei. Über ihre Haftentlassung könne nur ein Berufungsgericht entscheiden, teilte das Außenministerium in Khartum laut BBC am Sonntag mit. Einen Tag zuvor hatte der britische Sender noch über eine mögliche Freilassung spekuliert. Doch hinter dem Schicksal von Ishag steckt mehr. Es steht symbolisch für die Existenzängste der Regierung und eine zunehmende Radikalisierung der sudanischen Gesellschaft.

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Dem Afrikareferenten der "Gesellschaft für bedrohte Völker", Ulrich Delius, entlockt die erneute Wendung im Fall Ishag nicht viel mehr als ein Kopfschütteln. Im Sudan gebe es für Opfer von Mord, Vergewaltigung oder Vertreibung in den Bürgerkriegsregionen keine Gerechtigkeit, "erst recht nicht, wenn es Andersgläubige sind", sagt er. In der Justiz herrsche zudem "weitgehende Gleichschaltung". Mit Blick auf eine Entscheidung durch das Berufungsgericht erklärte Delius, es sei lächerlich, dass sich eine Regierung, die bei schweren Menschenrechtsverletzungen Straflosigkeit propagiere, nun zum Retter des Rechtsstaats mache. "Hier macht sich der Bock zum Gärtner und will sich im Ausland dafür auch noch feiern lassen", so der Afrikareferent.

Das Schicksal von Mariam Ishag sorgt weltweit für Entrüstung. Die 27 Jahre alte Ärztin, die am Dienstag im Gefängnis angekettet eine kleine Tochter zur Welt gebracht hat, wurde zum Tode durch Erhängen verurteilt. Der Grund: Sie hatte einen Christen aus dem Südsudan geheiratet. Ihre eigene Verwandtschaft verstieß sie daraufhin und zeigte sie an. Als Begründung für das Urteil gab das Gericht "Abtrünnigkeit" vom Islam an. Ihr Verteidiger legte beim Obersten Gericht Berufung ein, da seine Mandantin schließlich schon immer Christin gewesen sei. Ihr Vater sei zwar ein Muslim, die Mutter – bei der sie aufgewachsen war – aber eine orthodoxe Christin aus Äthiopien, so der Anwalt.

Der Bamberger Erzbischof, Ludwig Schick.
Bild: ©dpa/David Ebener

Der Bamberger Erzbischof, Ludwig Schick.

"Der Sudan ist beratungsresistent"

Wie die Sache nun weitergeht, sei nicht absehbar, "da der Sudan ziemlich beratungsresistent ist", sagt Daniel Legutke, Menschenrechtsbeauftragter von Justitia et pax, katholisch.de. Man habe bereits versucht zu intervenieren und die Behörden vor Ort angeschrieben – bisher ohne Erfolg. Egal ob sich die Vereinten Nationen oder die Bundesregierung eingeschaltet haben: Der sudanesische Staatspräsident Umar al-Baschir bleibt unbeeindruckt. "Wir hoffen dennoch, dass der Druck noch etwas bewirkt", so Legutke. Weitere Sanktionen – zum Beispiel das Streichen der Entwicklungshilfe – hält er jedoch für sinnlos. Damit treffe man nur "die Ärmsten der Armen", nicht aber die Regierung.

Auch Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche, hatte in der vergangenen Woche gegen das Todesurteil protestiert. "Wir fordern die sofortige Freilassung dieser Frau aus humanitären Gründen", sagte er. Es liege kein Rechtsgrund für eine Verurteilung vor, da die Frau lediglich das Menschenrecht auf Eheschließung wahrgenommen habe, so Schick. "Dies darf niemals und nirgendwo die Todesstrafe oder Verhaftung nach sich ziehen."

Doch geht es für den sudanesischen Präsidenten, gegen den unter anderem ein Haftbefehl wegen Völkermordes vom Internationalen Strafgerichtshof vorliegt, um weit mehr als eine Eheschließung. Al-Baschir sieht sich und seinen Staat, der als eines der ärmsten Entwicklungsländer des Kontinents gilt, mit einer Existenzkrise konfrontiert. Die hat sich nach der Abspaltung des Südsudans vor knapp drei Jahren noch einmal verschärft – politisch und wirtschaftlich. Denn der Südsudan verfügt über rund 80 Prozent der bekannten Ölvorkommen des ehemaligen Gesamtsudan.

Durch flammende Reden gegen den Westen versuchen al-Bashir und seine Regierung, die Unterstützung der Bevölkerung zurückzugewinnen. Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Religion. Der Islam ist seit dem 7. Jahrhundert tief in der sudanesischen Gesellschaft verwurzelt. Rund 95 Prozent der Sudanesen gehören ihm an. Obwohl das Christentum schon länger – nämlich seit dem 1. Jahrhundert – im Land präsent ist und im 19. Jahrhundert eine regelrechte "Renaissance" erfuhr, wird es paradoxerweise als der sudanesischen Kultur fremd angesehen.

Abfall vom Glauben zum Verbrechen erklärt

Von der politischen Elite nicht selten als "pro westlich" eingestuft werden die Christen so zum Sündenbock. Die Scharia, die im Sudan die Grundlage des herrschenden Rechtssystems ist, verschlimmert ihre Lage noch. Dabei trifft es vor allem die christlichen Konvertiten. Denn mittlerweile hat die Regierung den Abfall vom Glauben (Apostasie) zum Verbrechen erklärt und mit der Todesstrafe belegt.

"Die Geisteshaltung der Regierung ist tief islamisch und damit gegen alle Christen gerichtet, wenn sie könnten, würden sie unsere Organisation schließen und sagen: geht zur Hölle", meint der Präsident der katholischen Hilfsorganisation "Society of Saint Vincent De Paul" (SVDP), Nasri Morgos Buctor. So ist es wenig überraschend, dass der Sudan auf dem Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks "Open Doors" immer weiter emporklettert. Lag der Staat im Nordosten Afrikas 2011 noch auf Platz 35, nimmt er 2014 schon Platz 11 ein. Mariam Ishag wird diese Statistik nicht verbessern. (mit Material von KNA/dpa)

Von Björn Odendahl