"Valerie und der Priester" ist zuende gegangen

Ein Priester, eine Journalistin, ein Jahr

Veröffentlicht am 19.05.2017 um 14:40 Uhr – Lesedauer: 
Medien

Bonn ‐ Der Glaube war ihr fremd. Trotzdem heftete sich die Journalistin Valerie Schönian an die Fersen des Priesters Franziskus von Boeselager. Sie lernte seine Gemeinde kennen, er ihre Meinung zum Zölibat. Eine Bilanz.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Frage: Was haben Sie gedacht, als Sie den jeweils anderen das erste Mal gesehen haben?

Von Boeselager: Wir hatten ja ein erstes Treffen, um zu entscheiden, ob das Projekt mit uns klappen kann. In den ersten fünf Sekunden, die ja bekanntlich über den persönlichen Eindruck entscheiden, habe ich gedacht: Ja, das kann ich mir vorstellen, eine nette junge Frau! Sie wirkte nicht aufgesetzt oder kühl und distanziert. Das war zuvor meine größte Befürchtung. Aber es war sofort Sympathie da.

Schönian: Das erste Mal gesehen habe ich Franziskus auf einem Foto bei Google. Vor unserem Kennenlern-Treffen habe ich nach ihm gesucht. Mein Eindruck war: Nett und priesterlich. Als ich ihn dann persönlich getroffen habe, hat sich das bestätigt. Nach den ersten Gesprächen habe ich mir dann gedacht, dass ich schon mit ihm auskommen würde.

Frage: Was war der schönste Moment, den Sie in diesem Jahr zusammen erlebt haben?

Von Boeselager: Da gab es ziemlich viele besondere Momente, größere und kleinere! Zum Beispiel der Weltjugendtag in Polen, zu dem wir hingereist sind, und die Tage, an denen ich Valerie in Berlin besucht habe. Da habe ich ihre Welt kennengelernt, das war sehr intensiv. Kleinere besondere Momente gab es in der Gemeindearbeit, zum Beispiel bei einem Kondolenzgespräch: Eine Dame war verstorben, die wir zuvor einmal besucht hatten, als sie noch lebte. In dem Haus lebte auch eine polnische Pflegerin, die ist uns richtig in die Arme gefallen ist – also nicht nur mir, sondern auch Valerie! Da habe ich gemerkt, dass Valerie hier in der Seelsorge integriert ist. Sie war Teil des Ganzen und nicht außen vor.

Schönian: Es gab eigentlich nicht den einen schönsten Moment, sondern sehr viele. Zum Beispiel, als mich Franziskus in Berlin besucht hat oder wir in Menden bei seiner Familie zum Heimatbesuch waren. Da hatten wir eine ungezwungene Zeit miteinander und konnten uns wirklich kennenlernen. Das war eine wichtige Voraussetzung für das gegenseitige Verständnis. Aber auch Momente mit der Gemeinde waren schön, zum Beispiel, wenn es Gemeindefeste gab und ich die Leute dort bereits kannte. Da hatte ich das Gefühl, auch als Mensch angekommen zu sein.

Player wird geladen ...
Video: © katholisch.de

Beichtet Valerie bei Franziskus? Und hat sich Franziskus in Valerie verliebt? Katholisch.de hat die beiden Protagonisten des Projekts "Valerie und der Priester" einen Tag lang in Münster begleitet.

Frage: Womit hatten Sie Schwierigkeiten?

Von Boeselager: Inhaltlich gab es immer wieder Themen, bei denen es schwierig wurde und sogar geknallt hat. Zum Beispiel haben wir auf dem Flug nach Rom sehr hitzig über das Thema Homosexualität diskutiert. Und dann waren wir uns uneinig über die Reihenfolge der Themen im Projekt. Valerie wollte gerne sofort ein Reizthema, das Frauenthema, besprechen, aber ich wollte erst einmal zeigen, wie ein Priester so arbeitet und was ihn beschäftigt. Das haben wir dann gelöst und mit Gemeinsamkeiten weitergemacht. Denn das Spannende war, dass wir uns von unserer Grundeinstellung und unseren Werten her einig sind: Wir suchen beide das Gute, das Wahre, das Schöne, das Gerechte. Allerdings war es vor allem da nicht einfach, wo ich Dinge vom Glauben her gesehen habe und Valerie diese Perspektive nicht einnehmen konnte. Schwierig war aber vor allem die zeitliche Organisation. Ich hatte ja Dienst in der Gemeinde und wir mussten nebenher Zeit für Valeries Fragen finden. Und natürlich haben wir unsere Stärken und Schwächen kennengelernt. Wir sind beide nicht so die Pünktlichsten und nicht gut bei der Orientierung. Dadurch haben wir es uns nicht leicht gemacht, aber das gegenseitig auch mit Gelassenheit ertragen [lacht].

Schönian: Es gab immer wieder Streitthemen, die für Franziskus wie wahrscheinlich für viele Katholiken Reizthemen sind, weil es für sie im Glauben um etwas anderes geht. Diese Themen, wie Homosexualität, Frauenpriestertum oder die Rolle der Frau, waren mir aber wichtig. Da sind wir immer wieder in Diskussionen geraten und manchmal auch nicht weitergekommen. Aber das Bemerkenswerte war ja, dass das Projekt trotzdem weitergelaufen ist. Wir haben gemerkt: Es funktioniert. Man kann mit einer Person gut auskommen und sogar gute Momente haben, auch wenn man nicht in allen Themen übereinstimmt. Zum Beispiel haben wir auf dem Flug nach Rom über Homosexualität gestritten und danach gemeinsam die Stadt erkundet, was wirklich schön war. Normalerweise würde man nie in so eine Situation kommen, weil man nach einer solchen Auseinandersetzung getrennte Wege geht. Durch das Projekt hatte ich erst die Möglichkeit, die anderen Seiten von Franziskus kennen zu lernen.

Frage: Was hat sich bei Ihnen durch das Projekt verändert?

Von Boeselager: Ich glaube, einiges wird sich sicherlich erst noch einstellen, wenn mein Alltag wieder losgeht und Valerie nicht mehr dabei ist. Das wird mir sicherlich fehlen. Ich denke, dass das Projekt meinen Horizont erweitert hat für Themen, die auch kirchenfernere Menschen interessieren könnten. Und es hat mich sensibilisiert dafür, wie man Dinge sagt. Denn erst, wenn einem Fragen gestellt werden, gibt es die Notwendigkeit, Antworten und auch Argumente zu finden. Ich weiß nicht, inwieweit ich offener und toleranter gegenüber andersdenkenden Menschen geworden bin – das wird sich zeigen. Auf jeden Fall hat sich mein Vertrauen in Gottes Führung gestärkt. Es war ja nicht ganz klar, wie sich das Projekt entwickeln würde. Rückblickend war es eine Bestätigung, auch einmal etwas zu riskieren.

Schönian: Ich habe viel gelernt, vor allem über Perspektiven. Zum Beispiel, dass eine Entscheidung nicht irrational ist, nur weil es nicht meine Entscheidung ist. Aus Franziskus' Perspektive macht etwa sein Weg, Priester zu sein, total Sinn. Und ich habe viel über den Glauben gelernt, dass er mehr ist als nur diese Reizthemen, die bei mir zuerst auf dem Zettel standen. Zum Beispiel sind die Menschen ja nicht in der Kirche, weil Frauen keine Priester werden dürfen, sondern weil Kirche für sie Gemeinschaft, Liebe, Halt und die Hoffnung darauf bedeutet, den Himmel auf Erden zu schaffen. Natürlich habe ich mich auch mit meinem Glauben beschäftigt. Ich habe ausformuliert, was mir wichtig ist. Das hätte ich sonst wohl nicht gemacht, weil mich nie jemand gefragt hat. Mein Ergebnis nach vielen Wochen, in denen ich versuchte in mich hineinzuschauen: Ich glaube nicht an Jesus Christus oder einen personalen Gott. Aber ich will zum Beispiel glauben, dass ich mit Toten reden kann, ohne dass es ein Selbstgespräch ist. Außerdem habe ich eben gelernt, wie herzlich man miteinander umgehen kann, auch wenn man verschieden ist. Das, finde ich, ist gerade heutzutage eine wichtige Botschaft. Ich hoffe, es verändert mich in dem Sinn, dass ich noch offener auf Menschen zugehe, die anders denken.

Linktipp: Blog zu "Valerie und der Priester"

Valerie Schönian hat ihre Erlebnisse regelmäßig in einem Blog festgehalten. Dort können sie auch ihr persönliches Fazit über das Jahr nachlesen.

Frage: Wie, glauben Sie, hat das Projekt den jeweils anderen verändert?

Von Boeselager: Valeries Bild von der Kirche und vom katholischen Glauben hat sich verändert. Ich hoffe, ich habe einige Vorurteile korrigieren können – vielleicht haben sich aber auch einige bestätigt. Ich denke, sie versteht nun mehr, zum Beispiel, was ein Priester ist oder warum der Zölibat Sinn macht. Und für sie persönlich konnte sie viele Anregungen für ihre Weltanschauung bekommen und auch weiterkommen mit ihren Gedanken zum Glauben.

Schönian: Ich glaube, auch Franziskus hat etwas über Perspektiven gelernt. Er ist jetzt sicher sensibler dafür, dass es andere Menschen mit anderem Blick auf die Welt gibt. Und dafür, dass seine Weltanschauung für andere längst nicht selbstverständlich ist, weswegen er sie in Worten erklären muss, die diese Menschen verstehen können. Ich denke, dass er erfahren hat, dass man auch Andersdenkenden offen und ohne Vorurteile begegnen sollte. Und ich hoffe, dass er auch etwas über Feminismus gelernt hat [lacht].

Von Johanna Heckeley

Linktipp: "Valerie und der Priester" als Erfolg gewertet

Eine kirchenferne Journalistin begleitet einen Priester - und schreibt darüber einen Blog. Das Projekt der Deutschen Bischofskonferenz läuft nun ein halbes Jahr. Besonders Kontroverses komme gut an.