Theologen kritisieren "antijüdische Christologie"
Die Tatsache, dass Jesus Jude war, ist nach Einschätzung christlicher und jüdischer Theologen noch nicht ausreichend in der christlichen Theologie aufgearbeitet worden. Das Jude-Sein Jesu werde heute zwar nicht mehr bestritten, doch blieben notwendige Schlussfolgerungen daraus noch aus, so das Ergebnis einer Podiumsdiskussion am Donnerstag beim Kirchentag in Berlin.
So habe sich zwar die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom Antisemitismus Martin Luthers distanziert und sich gegen Judenmission ausgesprochen, sagte der Rektor des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam, Rabbiner Walter Homolka. "In den Bekenntnisschriften, auf die die Pfarrer ordiniert werden, kommen die neuen Einsichten aber nicht vor", fügte er hinzu. Insofern seien sie "jederzeit reversibel". Homolka äußerte sich bei einer Diskussion zum Thema "Reformationsjubiläum als 'Christusfest'? Auf der Suche nach einer nicht antijüdischen Christologie".
Der Tübinger evangelische Theologe Christoph Schwöbel räumte ein, dass in der christlichen Theologie bis zum Ende des 20. Jahrhunderts "viel Unsinn produziert" worden sei. So sei es lange ein gängiges Kriterium zur Unterscheidung originaler Jesus-Worte gewesen, dass sich entsprechende Aussagen weder im zeitgenössischen Judentum noch im frühen Christentum gefunden hätten. Heute gehe es darum, so Schwöbel, "die eigene Identität nicht im Gegensatz zu anderen zu formulieren".
Feministische Theologie als Anti-Haltung?
Die Geschäftsführerin des Evangelischen Zentrums Frauen und Männer in Hannover, Eske Wollrad, meinte, das Denken in "Antithesen" im Sinne der Überbietung des "Alten Testaments" durch das Neue sei in den Gemeinden immer noch weit verbreitet. Auch in der in den vergangenen Jahren entwickelten Feministischen Theologie sei häufig die angeblich "patriarchale jüdische Religion" als negative Gegenfolie zu Jesus als dem "neuen Mann" gezeichnet worden. (KNA)