"Priester fallen nicht vom Himmel"
Gegelte Haare, sportliche Figur, modische Brille: Georg Taubitz entspricht nicht gerade dem Klischee von einem Priesteramtskandidaten. Dennoch hat er seit seiner Schulzeit den Wunsch, sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen. In diesem Jahr empfängt der 25-jährige Kieler vom Hamburger Erzbischof Stefan Heße die Weihe - und wird damit bundesweit einer der jüngsten Neupriester. Sein Beruf liegt nicht gerade im Trend: Seit den 1990er Jahren sinkt die Zahl der katholischen Geistlichen. Wurden 1995 laut Zentrum für Berufungspastoral in Freiburg noch 186 Männer in den deutschen Diözesen geweiht, so waren es 2015 nur noch 51. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl wieder leicht auf 82. Im laufenden Jahr werden wahrscheinlich 76 junge Männer zu Diözesanpriestern geweiht. Am Pfingstwochenende, an dem traditionell viele Priesterweihen stattfinden, wurden in den meisten der 27 deutschen Diözesen ein bis zwei Kandidaten geweiht. Das Bistum Osnabrück meldete vor kurzem, dass erstmals seit mindestens 100 Jahren keine Weihe stattfindet. "Der Mangel ist eklatant", kommentiert ein Sprecher. Besserung ist nicht in Sicht. Die Zahl älterer Geistlicher, die in den Ruhestand gehen, steigt stetig.
"Vor diesem Hintergrund hat man natürlich Angst"
Kandidat Taubitz betrachtet die Entwicklung mit Respekt: "Ihr seid die Zukunft der Kirche", habe man ihm und seinen Mitstudenten immer gesagt. "Vor diesem Hintergrund hat man natürlich ein bisschen Angst." Es könne durchaus schwer sein, so viel Verantwortung zu tragen. "Ich hoffe, bei meiner Arbeit nicht zu verbrennen." Andererseits freue er sich auf die Arbeit mit den Menschen. "Ich glaube schon, dass ich ein erfülltes Priesterleben führen kann." Eigentlich wollte Taubitz, der aus einer musikalischen Familie stammt, einmal Hornist werden. Von Kind an war er in seiner Heimat Kiel in der Kirche engagiert - erst als Messdiener, später als Jugendgruppenleiter. "Auf einer Kinderfreizeit kurz vor dem Abitur hat es mich dann erwischt. Als unser Kaplan die Messe feierte, habe ich plötzlich gespürt, dass da mehr dahintersteckt." Der erste, dem Taubitz von seinem Berufswunsch erzählte, war sein Fahrlehrer. Es dauerte eine Weile, bis er sich traute, mit der Familie darüber zu sprechen.
Als die Freunde von seinem Ziel erfuhren, erntete er unterschiedliche Reaktionen: "Gehst Du jetzt auch zu den Kinderschändern?", hätten einige gefragt. Nur einige wenige hätten versucht, ihn zu verstehen. Trotzdem blieb sich Taubitz treu, studierte nach dem Abitur Theologie zunächst in Frankfurt und später in Rom, wo er im Herbst auch zum Priester geweiht wird. Den Hauptgrund dafür, warum nur noch wenige diesen Weg einschlagen, sieht Hartmut Niehues in einer "Krise des Glaubens". Er ist Vorsitzender der Regentenkonferenz, der die Leiter der Priesterseminare angehören. Manche Ausbildungsgemeinschaft habe Schwierigkeiten, weil sie so klein geworden sei, berichtet er.
Kein Patentrezept gegen den Priestermangel
Aktuell gebe es Überlegungen in zwei Richtungen. Ein Weg sei, die Ausbildung noch mehr zu bündeln und Standorte zusammenzulegen. So bieten etwa die Diözesen Paderborn, Erfurt und Fulda seit 2008 einen gemeinsamen Pastoralkurs an. Eine andere Idee sei, die Ausbildungsgänge von Priestern und Gemeindereferenten zusammenzulegen. Ansatzweise gibt es das bereits in den Bistümern Mainz und Münster. Ein Patentrezept hat auch Niehues nicht parat. Noch mehr Werbung für den Priesterberuf zu machen, als es viele Diözesen ohnehin schon tun, hält er nicht für den richtigen Weg. Vielmehr brauche es eine grundlegendere Neubesinnung im kirchlichen Leben. "Wenn beispielsweise die Eucharistie für viele Gläubigen keine Bedeutung mehr hat, dann brauchen wir uns nicht wundern, dass es keine Neupriester mehr gibt." Ähnlich sieht das auch Georg Taubitz. Wenn eine Gemeinde keinen Seelsorger mehr habe, dann müsse sie sich fragen, warum kein Priester aus ihren eigenen Reihen stamme. Ihm persönlich ist es daher ein Anliegen, immer wieder von seiner Berufung zu erzählen: "Priester fallen nicht vom Himmel. Es schadet nicht, offen zu sagen, dass Priester aus ganz normalen Familien aus unseren Gemeinden kommen."