Krieg per Joystick

Veröffentlicht am 01.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Militär

Bonn ‐ Papst Innozenz II. war entsetzt: Im Jahr 1139 ächtete er die Armbrust als "durch Gott verhasst und für Christen als unpassend". Die hoch effektive Waffe galt ihm wegen ihrer Reichweite und ihrer Durchschlagskraft durch Ritterrüstungen als feige. Es drohe die Auslöschung des gesamten Ritterstandes. Genützt hat das Machtwort nicht. Die Armbrust ersetzte schon bald den Bogen als dominierende Waffe.

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Steinschleuder, Kanonenkugeln, Bomben und Raketen: Immer schon haben Menschen versucht, durch neue Waffen Überlegenheit herzustellen. Und immer wieder gab es ethische Bedenken, ob die neueste Technik des Tötens gerechtfertigt sei. Die Frage, ob jedes Mittel recht ist, drängt sich aber vor allem bei Massenvernichtungswaffen auf.

Starken Widerspruch hat der frühere Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere 2012 mit der Aussage ausgelöst, eine Waffe an sich sei ethisch stets als neutral zu betrachten. Es komme auf den Zweck und die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes an. Denn das humanitäre Völkerrecht ächtet bestimmte Waffen - nicht wegen ihrer Modernität oder möglicher technischer Überlegenheit, sondern wegen ihrer besonderen Wirkungsweise oder ihrer speziellen Methode des Tötens.

"Kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegsführung"

Seit der Entwicklung eines Kriegsvölkerrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehört es zu den Grundlagen des internationalen Rechts, dass selbst in einem gerechtfertigten Konflikt die Parteien "kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegsführung" haben, wie es in einem Zusatzprotokoll von 1977 zum Genfer Abkommen heißt.

So gibt es beispielsweise gegen sogenannte Dum-Dum-Geschosse, chemische Kampfmittel oder blind machende Laserwaffen einen internationalen Konsens. Gegen Antipersonenminen und Streumunition bildete sich ein solcher Konsens erst in den vergangenen Jahren. Eine intensive politische und philosophische Debatte lösten die Atomwaffen und das Gleichgewicht des Schreckens im Kalten Krieg der 1950er und 60er Jahre aus. Durch die Atombombe, so die Argumentation der Kritiker, könne der Mensch die Menschheit als Ganze töten.

Bild: ©Nicole Cronauge / Bistum Essen

Essens Bischof Franz-Josef Overbeck bei einer Pressekonferenz.

Demgegenüber sind bewaffnete Drohnen weit weniger bedrohlich: Sie sollen die Truppen quasi als Scharfschützen in der Luft begleiten und könnten so das Leben deutscher Soldaten retten. "Ohne eine moderne, leistungsfähige Ausrüstung setzten wir unsere Soldaten einer übermäßigen Gefahr aus", argumentiert beispielsweise der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat.

SPD, Grüne und Linke warnen hingegen, Drohnen bedeuteten eine stärkere Automatisierung der Entscheidung über Leben und Tod und senkten die Schwelle für Militäreinsätze. Es entstehe eine Art "Joystick-Mentalität" . "Das ist ethisch wie völkerrechtlich hochproblematisch", erklärte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. "Ein Mensch, der in Stuttgart am Bildschirm sitzt und einen Beschuss auslöst, schätzt doch die Situation in einem Dorf, das Tausende Kilometer weit weg ist, mit Sicherheit anders ein als jemand, der vor Ort die Lage kennt." Das freilich dürfte für Raketen ebenso gelten.

Overbeck bewegt sich zwischen Pro und Contra

Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck bewegt sich zwischen diesen Positionen . Der Einsatz von Drohnen setze Wirkungen und Gegenwirkungen frei, die Gewalt und Zerstörung in der Summe erhöhen könnten, argumentiert er - und betont zugleich, dass es auch Pflicht der Politik sei, das Leben eigener Soldaten bestmöglich zu schützen. Allerdings: "Eine Verringerung bestimmter Risiken für die eigenen Soldaten kann aber auch dazu führen, dass dadurch andere Risiken entstehen."

Umstritten sind Drohnen vor allem, weil der US-Geheimdienst sie für außergesetzliche Tötungen mutmaßlicher Terroristen einsetzt. So fordert die katholische Friedensbewegung Pax Christi die Bundesregierung auf, sich deutlich gegenüber dem Drohnenkrieg der US-Regierung abzugrenzen. Auch in den USA ist das heftig umstritten.

Militärexperten verweisen darauf, dass Drohnenangriffe langfristig den Hass gegen die USA weiter angefacht hätten. Und es gibt noch einen Bumerang-Effekt: Inzwischen sollen rund 60 Länder Drohnen entwickeln.

Von Christoph Arens (KNA)