Katholische Organisationen diskutieren über Prostitutionsgesetz

Verbieten oder verbessern?

Veröffentlicht am 07.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Prostitution

Bonn ‐ Das unter der rot-grünen Bundesregierung 2001 erlassene Prostitutionsgesetz steht auf dem Prüfstand: Die Große Koalition hat sich auf eine umfassende Überarbeitung geeinigt. In katholischen Organisationen wird diskutiert, wie Prostituierten am besten geholfen werden kann. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) setzt auf eine Verbesserung von Rahmenbedingungen und Rechtsschutz, SOLWODI will Freier bestrafen.

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Im SkF gibt es seit vielen Jahren Beratungs- und Unterstützungsangebote für Prostituierte. In Essen betreibt der Ortsverein gemeinsam mit anderen Trägerorganisationen den "StrichPunkt" auf dem früheren Kirmesplatz an der Gladbecker Straße. Hier am Straßenstrich stehen die "Verrichtungsboxen", in die Freier mit ihren Autos fahren, um dort Sex mit Prostituierten zu haben. Die Mitarbeiterinnen des "StrichPunkts" wenden sich besonders an Frauen in schwierigen Lebenssituationen, die drogenabhängig oder in wirtschaftlichen Notlagen sind. Sie unterstützen Prostituierte, die aufhören wollen, sie vermitteln an andere Hilfseinrichtungen – und sie geben ganz handfeste Unterstützung: Hier gibt es Hygieneartikel und Verbandsmaterial, aber auch Kondome und die Möglichkeit, benutzte Spritzen gegen saubere zu tauschen.

Schwester Lea Ackermann.
Bild: ©KNA

Schwester Lea Ackermann.

Diese praktische Arbeit gibt es beim SkF seit einigen Jahren. Nun hat der SkF-Gesamtverein auf seiner Delegiertenversammlung Ende Juni eine politische Positionierung verabschiedet. "Wir wurden von Alice Schwarzer angefragt, ob wir uns ihrem Bündnis gegen Prostitution anschließen wollen", erzählt Nadine Mersch, die in der Verbandszentrale für Sozialpolitik zuständig ist. Der Vorstand habe sich dagegen entschieden. "Aber für uns war spätestens da klar: Wir müssen unsere Praxiserfahrungen zusammentragen und in die politische Diskussion einbringen." Dafür beauftragte der Verband eine Arbeitsgruppe, in der neben Sozialarbeiterinnen des SkF auch Wissenschaftler und Vertreter der Polizei mitgearbeitet haben. Aus deren Arbeit entstand das nun beschlossene Papier, mit dem der SkF sich an der Debatte um die Novellierung des Prostitutionsgesetzes beteiligt.

SkF will mit Forderungen Situation von Prostituierten verbessern

Die von dem Sozialverband beschlossenen Forderungen zielen vor allem darauf ab, die Situation von Prostituierten zu verbessern. Dazu gehören einheitliche Standards im Bau- und Gewerberecht für Bordelle und Bordellbetreiber, vor allem aber eine Absicherung von Hilfen für Prostituierte: Beratungsangebote und besonders Hilfen beim Ausstieg aus der Prostitution werden gefordert. Im Beschluss des Verbandes werden die Schwierigkeiten angesprochen, denen ausstiegswillige Frauen begegnen. Oft fehle ihnen ein familiäres Netzwerk, auf dem Arbeitsmarkt hätten sie keine Chancen. Für den SkF sind hier die Sozialbehörden gefragt: Die Arbeitsagenturen sollten spezielle Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen und unterstützen, die ehemalige Prostituierte bei der Integration in den regulären Arbeitsmarkt unterstützen.

Die Schwerpunktsetzung des SkF ist in der Kirche nicht unumstritten. Besonders der von Schwester Lea Ackermann geleitete Verein "SOLWODI – Solidarity With Women in Distress" steht für eine entschieden andere Herangehensweise. Zwar sind sich beide Organisationen im Grundsatz darüber einig, dass Menschenhandel und Zwangsprostitution bekämpft und die rechtliche Stellung von Prostituierten verbessert werden müssen. Anders als der SkF bewertet Schwester Lea das Prostitutionsgesetz aber weniger optimistisch; in der Praxis habe sich die rechtliche Lage wenig verbessert und sogar den Menschenhandel noch gefördert. SOLWODI möchte daher auch in Deutschland das "nordische Modell" einführen: In Skandinavien werden nicht die Anbieterinnen von Sexarbeit bestraft, sondern ihre Kunden. Freiern droht dort Geld- oder Gefängnisstrafe.

Aus Sicht des SkF hilft ein solches Verbot, sexuelle Dienstleistungen zu kaufen, nicht, um die Lage von Prostituierten zu verbessern. "Den Grundgedanken des Prostitutionsgesetzes teilen wir", so Mersch, "Kriminalisierung erhöht nur die Dunkelziffer und bringt den Frauen selbst nur Nachteile." Besser sei es, konsequent gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorzugehen statt Frauen zu kriminalisieren, die sich freiwillig für die Prostitution entschieden hätten. "Das heißt nicht, dass wir Prostitution für einen guten Lebensentwurf halten", erläutert Mersch die Position des SkF, "wir haben aber Respekt vor den Lebensentscheidungen dieser Frauen und nehmen sie ernst."

Von Felix Neumann