Pasti oder Antipasti?
Warum immer weniger junge Menschen sich für einen Beruf in der Kirche entscheiden, das interessiert auch den Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Der Verband beschäftigte sich auf seiner Hauptversammlung im Mai mit dieser Frage. Max Pilger hat dort – "quasi als Betroffener", sagt er –erklärt, warum er an seiner Berufswahl zweifelt. Katholisch.de dokumentiert das Statement:
Warum studiere ich katholische Theologie?
Pastoralreferent zu sein fand ich, ganz unreflektiert, immer schon gut – weil ich tolle Gemeindearbeit erlebt habe und Menschen zum Vorbild hatte, die zu 100 Prozent authentisch waren, die mich geprägt haben und von denen ich den Eindruck habe, dass sie ihre Arbeit mit ganzem Einsatz und ganzer Freude machen. Das fand ich erstrebenswert, denn sie haben in meinen Augen gute und sinnvolle Dinge gemacht, für andere und für sich. Die Wahl des Studienfachs ist mir dann irgendwie so passiert, denn – ehrlich gesagt – hatte ich die Einschreibungsfrist für Studiengänge mit NC verpasst, und Theologie war eben zulassungsfrei.
Das ist meines Erachtens ein erster wichtiger Punkt: Junge Menschen brauchen Vorbilder, an denen sie erleben, dass es gut ist, in der Kirche zu arbeiten! Und das müssen Menschen sein, die etwas auf dem Kasten haben, um Jugendliche zu begeistern, die auch etwas auf dem Kasten haben. Und das ist ein Teufelskreis: weniger fähige Mitarbeiter*innen, weniger Vorbilder, noch weniger fähige Mitarbeiter*innen.
Das Studium ist eben ein Studium. Es gibt Dinge, die interessieren mich, und es gibt Dinge, die interessieren mich nicht. Ein Studium ist nicht besonders praktisch, sondern reflektiert bestenfalls Praktiken, auch das ist okay. Mein Problem war eher, dass die Inhalte so unglaublich wenig mit der Lebensrealität der Menschen zu tun haben, die sich nicht im katholischen Kontext bewegen. Ohne die Jugendverbände hätte ich sicher abgebrochen. Denn: In meinem Studium habe ich fast keine Gesprächspartner*innen für die wirklich wichtigen Fragen gefunden – mit denen ich darüber sprechen könnte, was ich eigentlich wirklich glaube, wo meine Zweifel liegen und nicht nur, was ich kirchenpolitisch kritisiere. Diese Menschen habe ich im Verband getroffen.
Der Autor
Max Pilger (27) studiert in Bonn katholische Theologie und ist Mitglied im Bewerberkreis für angehende Pastoralreferenten des Erzbistums Köln. Er ist ehrenamtlicher Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Nordrhein-Westfalen in der Katholischen jungen Gemeinde (KjG). Dieser Beitrag erschien zuerst bei y-nachten.deDas geht bei mir sogar soweit, dass ich gerade in Seminaren sitze und mich überwinden muss, etwas zu sagen – weil ich Angst habe, von der mir gegenübersitzenden schweigenden Reihe der Kommiliton*innen in schwarzen Hemden oder Jacketts, teilweise mit Kollar, beurteilt und verurteilt zu werden. Das ist mir sehr lange nicht mehr passiert.
Das klingt furchtbar pauschal und wird den einzelnen Menschen nicht gerecht, aber der Eindruck ist da und auf den kommt es in diesem Fall an. Das muss sich ändern, nicht nur im Studium! Ehrliche Gespräche über den persönlichen Glauben, Zweifel, Brüche und Grenzen sind angstbesetzt und das macht unauthentisch.
Woran entscheidet sich die Frage – pastoraler Dienst oder nicht?
Zuerst: Was spricht überhaupt für den pastoralen Dienst? Praktika gehören in der neuen Studienordnung zwingend dazu, das ist gut – war es für mich. Arbeit in der Gemeinde bietet einen Freiraum und Ressourcen wie nichts anderes. Den eigenen Interessen und Fähigkeiten entsprechend gute Dinge zu tun, Netzwerke zu bilden, Zeit zu haben, Menschen nachhaltig zu begleiten, auch dem Einzelfall Raum geben zu können – sich radikal auf die Seite der Schwachen und Ausgegrenzten stellen zu können, das hat mich begeistert. Und ich hab die Erfahrung gemacht und die Rückmeldung bekommen, dass ich das gut kann.
Was steht dem gegenüber: Gefühlt alles andere. Das große Problem ist für mich, dass ich die katholische Kirche in ihrer Rolle als Arbeitgeberin als übergriffig erlebe. Ich bin in einem bestimmten Rahmen bereit, mich der Sache zu verschreiben, aber ich will mein Leben selbst in der Hand halten. Mir nicht vorschreiben lassen, in welchem Stadtteil ich zu wohnen habe, mit wem ich zusammenleben darf, in welches Geschlecht ich mich verlieben soll, in welcher Richtung ich mich politisch engagieren will. All das ist ja auch erst mal kein Problem, solange ich ein Leben zu leben plane, das in das Bild der heteronormativen Normalfamilie reinpasst.
Aber ein Leben verläuft einfach nicht immer wie geplant. Und wenn dann auf einmal etwas nicht mehr ins Bild passt, stehe ich dumm da. Denn das mit der Barmherzigkeit ist so eine Sache: Natürlich hoffe ich darauf, dass sich dann eine Lösung finden lässt. Aber ich habe kein Anrecht darauf. Diese Barmherzigkeit ist nur eine andere Ausdrucksform eines strukturellen Machtgefälles.
Der Beruf kann riesig viele Freiheiten eröffnen – wenn der jeweilige leitende Pfarrer mich lässt. Und das kommt immer ganz auf den Einzelfall an und aussuchen kann ich mir hier leider nicht, in welche Gemeinde ich komme. In diesen Fragen sehe ich keine Bewegung. Das schreckt mich wirklich stark ab.
Wen will die Kirche in ihrem Team haben?
Dahinter steht in meiner Wahrnehmung noch eine andere Frage, nämlich die, wen wir als Kirche eigentlich in unserem Team haben wollen. Ich erlebe es in der Ausbildung schon so, dass viel Wert darauf gelegt wird, wie ich ein spirituelles und geistliches Leben führen kann, wie ich meine Berufung in Beziehung zum Evangelium verstehe und diesen ganzen Kram. Das mag wichtig sein, mir sagt das nicht so viel. Für mich sind die Fragen: Wie erreiche ich Menschen? Wie unterstütze ich eine Gruppe darin, sich zu organisieren? Wo setze ich Grenzen? Wie funktioniert ein Sozialraum? Eben: Wie mache ich meinen Job vernünftig?
„Ich bin mit ganz schön vielen Fragen auf einer anstrengenden Suche – und finde das vollkommen in Ordnung.“
Dazu kommt, dass ich bisweilen den Eindruck bekomme, dass auch die Qualität meiner Christusbeziehung darüber entscheiden soll, ob und wie ich geeignet bin, im pastoralen Dienst zu arbeiten. Und dass, wenn ich mich dagegen entscheide (oder irgendwann merken sollte, dass es die falsche Entscheidung gewesen ist), mein Glaube dann wohl nicht tief/stark/tragfähig genug war. Dagegen möchte ich mich ganz entschieden wehren. Ich bin mit ganz schön vielen Fragen auf einer anstrengenden Suche – und finde das vollkommen in Ordnung.
Die Frage ist also ein bisschen (sehr zugespitzt wohlgemerkt und ganz schlimm schwarz-weiß formuliert): Wollen wir rechtgläubige Menschen in der Kirche haben, die in das katholische Bild eines richtigen Lebensentwurfes passen, oder wollen wir Leute haben, die es drauf haben, die den Mund aufmachen, wenn etwas nicht passt, die Dinge klar benennen, auch ohne spirituelle Soße? Die authentisch sind und damit Menschen erreichen, die gerade nicht im Blick sind – dafür aber vielleicht unbequemer. Und mein Eindruck ist, dass diese Menschen nicht erwünscht sind, aber so dringend nötig.
Es braucht einen Mentalitätswechsel
Also: In der Kirche zu arbeiten muss gut aussehen, damit Menschen sich interessieren. Und zwar nicht, mit Verlaub, im Sinne einer neuen Hochglanz-Website mit strahlend-grinsenden Gesichtern, sondern als Zusicherung, dass ich hier mit meiner Vorstellung von meinem Leben reinpasse, angenommen werde und mich beteiligen darf.
Dossier: Berufe in der Kirche
Ob Pfarrer oder Pastoralreferent, Küster oder Kirchenmusiker: Die Berufe in der Kirche sind vielfältig – und angesichts von immer größeren Pfarreien und zurückgehenden Priesterzahlen stehen sie vor großen Herausforderungen. In unserem Dossier stellen wir die einzelnen Berufsbilder vor.Dazu gehört, dass die Residenzplicht fällt (auch wenn ich einen gewissen Sinn nachvollziehen kann!), dass ich mich auf Stellen frei bewerben darf und nicht das Gefühl bekomme, von einer Personalabteilung verschachert zu werden. Dazu gehört ein Wechsel in der Mentalität zu einer Kirche, die im Sinne einer professionellen Dienstleisterin für die Menschen da sein will! Ich finde, dass Gemeindereferent*innen im Gehalt den Pastoralreferent*innen mindestens angeglichen, wenn nicht gleichgestellt werden müssen, und dass dann eben fähige Sozialarbeiter*innen flächendeckend eigestellt werden, die zwar nicht Theologie studiert haben, aber etwas von der Sache verstehen. Und das geht ja auch, einzelne Dinge werden so in anderen Bistümern gehandhabt.
Die Kirche will auch was von uns
Als ich gefragt wurde, ob ich auf der Hauptversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zu diesem Thema etwas erzählen will, wurde gesagt, ich solle mir das gut überlegen. Schließlich seien auch Personalverantwortliche aus der Kirche hier. Und genau das ist der Kern des Problems. Das mag in anderen Unternehmen ähnlich sein – aber wenn es mir da nicht passt, kann ich zur Konkurrenz wechseln. Das geht in der Kirche nicht und darum hat die Kirche eine besondere Verantwortung, der sie in meinen Augen einfach nicht gerecht wird oder die sie nicht wahrhaben will.
Die Konsequenz: Ich habe Lust und will es eigentlich gerne probieren im pastoralen Dienst. Aber ich werde auf jeden Fall noch irgendetwas anderes machen, bevor ich (nach mindestens fünf Jahren Studium übrigens) in die weitere drei Jahre dauernde Ausbildung gehe (auch das muss sich ändern!), damit ich zur Not sagen kann: Ne, dann eben nicht. Denn ich will nicht nur etwas von der Kirche, sondern die Kirche will auch etwas von mir.