Die Pilger stehen bis zu zwölf Stunden an

Eine Million Küsse für Nikolaus-Reliquien

Veröffentlicht am 25.06.2017 um 14:17 Uhr – Lesedauer: 
Heilige

Moskau ‐ Lange sahen orthodoxe Russen die Katholiken als gefährliche Konkurrenz an. Nun lässt der Papst in Moskau die Reliquien des heiligen Nikolaus ausstellen. Dafür stehen die Pilger bis zu zwölf Stunden an.

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Drei Kilometer Schlange stehen, bis zu zwölf Stunden Warten: In Russland haben die von der katholischen Kirche vor einem Monat ausgeliehenen Reliquien des heiligen Nikolaus einen Massenansturm ausgelöst. Die Zahl der Pilger, die bislang die Gebeine des Heiligen in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau besuchten, überschritt am Freitagnachmittag laut Kirchenangaben die Eine-Million-Marke. Beobachter sehen durch die gern gesehene Leihgabe allmählich den Weg für einen Russlandbesuch von Papst Franziskus geebnet.

Aus ganz Russland und auch aus der Ukraine und Weißrussland reisten den Angaben zufolge Gläubige an, um den goldenen Reliquienschein zu berühren und vor ihm zu beten. Die Moskauer wurden eigens aufgerufen, nicht am Wochenende, sondern unter der Woche zu kommen. Denn an Wochenenden träfen bis zu 800 Busse von weit her ein. Nikolaus ist einer der meistverehrten Heiligen der Christenheit. In der katholischen Kirche wird er häufig als "Nothelfer" angerufen; die orthodoxen Christen bezeichnen ihn als "Wundertäter". Für viele Russen ist er der wichtigste Heilige; ein Hoffnungsträger, den sie um Beistand und Schutz bitten. Russische TV-Sender berichteten ausführlich über die Ausstellung der Gebeine - und wiesen auch darauf hin, dass sie von der katholischen Kirche übergeben wurden.

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Die Nikolaus-Reliquien waren auf Bitten des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. und von Papst Franziskus am 21. Mai aus dem süditalienischen Bari nach Moskau gebracht worden. Kyrill I. würdigte die Ausstellung der Reliquien in Russland als "freudiges Ereignis"; sie sei ein "weiteres konkretes Ergebnis unseres Treffens mit Papst Franziskus auf Kuba". Bei ihrer historischen und bislang einzigen Begegnung im Februar 2016 in Havanna hatten beide Kirchenoberhäupter zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen aufgerufen.

Verbesserung des Verhältnisses zwischen Patriarchat und Vatikan?

Eine Verbesserung des lange schwierigen Verhältnisses zwischen dem orthodoxen Moskauer Patriarchat und dem Vatikan erwartet nun der Vorsitzende der katholischen Russischen Bischofskonferenz, Bischof Clemens Pickel. "Die Reliquien-Leihgabe ist ist ja als Zeichen in dieser Richtung gedacht, nicht nur auf Zukunft hin", sagte der Bischof von Sankt Klemens in Saratow der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Sie ist auch ein Beweis dafür, dass sich das Verhältnis zwischen unseren beiden Kirche normalisiert."

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Bislang ist den meisten Russen die katholische Kirche sehr fremd. Nur rund 800.000 Katholiken leben in dem Riesenreich. Mit einem Bevölkerungsanteil von etwa 0,6 Prozent sind sie eine kleine Diasporakirche. Orthodoxe Geistliche stellten die katholische Kirche früher als enorm gefährliche Konkurrenz dar. Doch die Zeiten ändern sich. Drei von vier Russen befürworteten 2016 in einer Umfrage einen Besuch von Papst Franziskus in ihrem Land. Im August wird die Nummer Zwei des Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, in Moskau erwartet. Er werde Russlands Staatspräsidenten Wladimir Putin und Kyrill I. treffen, bestätigte Parolin vergangene Woche.

Vor einigen Monaten hatte in Moskau eine Ausstellung von 42 wertvollen Gemälden aus vatikanischen Museen viel Beachtung gefunden. Wegen der enormen Besucherzahlen verlängerte die staatliche Tretjakow-Galerie die Schau um zehn Tage. Die Ausstellung ging auf eine Vereinbarung von Putin mit Franziskus zurück.

Die Nikolaus-Reliquien können noch bis 12. Juli in Moskau verehrt werden; anschließend werden sie bis 28. Juli in Sankt Petersburg ausgestellt. Reliquienverehrung spielt in der orthodoxen Kirche eine sehr große Rolle. Im Januar 2014 hatten in Moskau und Sankt Petersburg nach offiziellen Angaben 585.000 Menschen die Gaben Weihrauch, Gold und Myrrhe aufgesucht, die das Jesuskind laut der Überlieferung von den Heiligen Drei Königen bekommen hatte. Die Reliquien stammen aus der Mönchsrepublik Athos im Norden Griechenlands. 2011 hatte ein anderes Athos-Kloster die Reliquie des Gürtels der Jungfrau Maria nach Russland ausgeliehen. Zu ihr pilgerten damals 3,5 Millionen Menschen.

Von Oliver Hinz (KNA)

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Reliquien faszinieren die Menschen seit jeher. Doch mit der Zeit nahm der Kult mitunter groteske Züge an. Was alles verehrt und für authentisch befunden wurde, klingt heute teilweise unglaublich. (Artikel von Juni 2017)