700 Jahre "Enklave der Päpste" in der Nordprovence

Das Eichsfeld Frankreichs

Veröffentlicht am 02.07.2017 um 13:20 Uhr – Lesedauer: 
Papst

Valreas ‐ 1317, vor 700 Jahren, kaufte ein Papst Frankreichs König einige Dörfer im Norden der Provence ab: kurz zuvor noch Eigentum des Templerordens. Bis heute geht es dort etwas katholischer zu als anderswo.

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Sie ist ein Kuriosum der französischen Geschichte: die "Enclave des Papes". Bis im September 1791 Revolutionstruppen einmarschierten, gehörten die vier kleinen Dörfer im Norden der Provence über fast ein halbes Jahrtausend nicht zu Frankreich, sondern zum Kirchenstaat. Und einen Teil ihrer Identität konnten sich die Bewohner der "Enklave der Päpste" bis heute bewahren.

Hartnäckig haben sie einer Angliederung an das Departement Drome widerstanden, das sie ringsum einfasst. Stattdessen gehören sie bis heute als territoriale "Insel" zum südlich gelegenen Departement Vaucluse. Immer noch ist ihr eigentlicher Bezugspunkt Avignon, die einstige Residenz der Päpste, und nicht die viel näher liegenden Städte Montelimar oder Orange. Und bis heute sind sie - glaubt man den Einheimischen - den kleinen Tick katholischer als ihre Umgebung.

Schlüsselereignisse

Schlüsselereignisse für dieses historische Unikat sind die Verlagerung des Papsttums von Rom nach Avignon 1309 sowie die gewaltsame Auflösung des Templerordens - in unrühmlichem Zusammenspiel von Papst und französischer Krone. Johannes XXII. (1316-1334) kaufte 1317, vor 700 Jahren, die benachbarten Dörfer Valreas und Grillon und erhielt drei Jahre später auch die wohlhabende Templer-Komturei von Richerenches dazu, einen militärischen, geistlichen, aber vor allem landwirtschaftlichen Stützpunkt des Ordens. 1344 arrondierte Papst Clemens VI. (1342-1352) mit dem Kauf von Visan das kleine Territorium, das die päpstliche Grafschaft Venaissin nach Norden erweitern sollte.

Guten Cotes-du-Rhone-Wein gibt es hier, heute wie damals, dazu kleine, aber feine historische Denkmäler - und Ruhe vor dem sonstigen provenzalischen Massentourismus. Individualreisen und Wanderungen, kleine Gites, nicht große Busse sind das Erfolgsrezept der Region, die erst beginnt, sich ökotouristisch zu entfalten.

Bild: ©Pablo Debat/Fotolia.com

Der Papstpalast im südfranzösischen Avignon.

Sehenswert ist etwa die 1136 gegründete "Commanderie des Templiers" in Richerenches, von der erstaunlich große Teile erhalten sind. Von November bis März findet in dem kleinen Örtchen jeden Samstagmorgen einer der größten Trüffelmärkte Europas statt. Zum Fest des heiligen Antonius des Einsiedlers, dem Schutzpatron der Trüffelsucher, gibt es am dritten Sonntag im Januar eine traditionelle Messe mit provenzalischer Predigt und anschließendem Trüffelmenü, die Besucher von weither anzieht.

Sehens- und gehenswert auch der rund zehn Kilometer lange Rundwanderweg bei Valreas entlang der "bornes papales", der päpstlichen Grenzsteine aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Diese 22 erhaltenen Wegmarken mit dem päpstlichen Wappen, den gekreuzten Schlüsseln, bildeten einst eine Demarkationslinie zu den umliegenden Territorien. Vom Franziskanerturm (Tour des Cordeliers) in Valreas hat man einen guten Blick über die früheren Liegenschaften der Päpste.

Die Pferde der Templer

Innozenz VI. (1352-1362) verlangte von allen päpstlichen Städten, sich gegen die Raubzüge der "Grandes Compagnies" zu befestigen, also organisierten Gruppen marodierender Söldner. Das führte auch in der kleinen "Enclave" zum Ausbau teils mächtiger Mauerwerke, etwa in Richerenches. Einen Beleg dafür, dass das Interesse der Päpste an ihren provenzalischen Besitzungen auch nach der Rückkehr nach Rom nicht ganz erlahmte, hat ein junger französischer Historiker aus den Archiven des Vatikan zutage gefördert: Während der Religionskriege im 17. Jahrhundert wurde zum Schutz der päpstlichen Güter eigens eine Garnison aus Italien nach Valreas verlegt. Zunächst begeistert begrüßt, lag sie den Bewohnern allerdings mit der Zeit arg auf der Tasche.

Verloren ist heute freilich die agrarische Vielfalt des kleinen Gebietes, das als Enklave wirtschaftlich so autark wie möglich sein musste. Seit im großen Frost von 1956 Olivenhaine, Getreide und Obstplantagen erfroren, herrscht beinahe eine Wein-Monokultur. Auch die Pferdezucht, die einst die Templer auf ihrem Mustergut in Richerenches einführten, und die früher weit verbreiteten Schafherden sind aus dem von den "bornes papales" umschlossenen Gebiet verschwunden. Und auch der Papst als oberster Hirte ist längst nicht mehr da.

Von Alexander Brüggemann (KNA)