G20-Gipfel: Wenn Kirche in der Sicherheitszone liegt
Herr Schultz, Ihre Pfarrei St. Joseph liegt im Hamburger Schanzenviertel - genau der Stadtbezirk, der gerade wegen den gewalttätigen Demonstrationen von G20-Gegnern in den Schlagzeilen ist. Wieviel bekommen Sie und Ihre Gemeinde davon mit?
Karl Schultz: Wir selbst hatten zwar noch kein brennendes Auto vor der Kirche, aber ein paar hundert Demonstranten. Das war schon heftig und hatte mit "normalen" Demonstrationen nichts mehr zu tun.
Frage: Wie können Sie zurzeit noch Ihrer Arbeit nachgehen?
Schultz: Die eigentliche Demonstrationsnacht war ja in der Nacht auf Freitag. Zu dieser Zeit arbeite ich für gewöhnlich nicht. Der Gottesdienst am Donnerstag musste ausfallen, weil das Gebiet abgesperrt war. Es gibt diese Beeinträchtigungen, weil unser gesamter Stadtteil, also auch das Territorium unserer Gemeinde, zur Sicherheitszone gehört. Das Schanzenviertel ist gleich zweimal betroffen: Einmal davon, dass sich die Linksradikalen im Viertel treffen - aber das tun sie auch sonst, zum Beispiel an jedem ersten Mai. Und dann davon, dass das Zentrum der Verhandlungen, also das Messegelände, nicht weit von hier entfernt ist. Daher gibt es hier eine hohe Polizeipräsenz. Zwar müssen wir nicht unsere Ausweise vorzeigen, wenn wir zur Kirche wollen. Aber es verändert die Atmosphäre, wenn an jeder Ecke zwei Polizisten stehen. Das verunsichert ein wenig, weil man das nicht gewohnt ist. Es ist eben eine Ausnahmesituation.
Frage: Wie ist die Stimmung in Ihrer Gemeinde?
Schultz: Viele Eltern schicken ihre Kinder nicht in die Schule oder in den Kindergarten, das merken wir auch in unseren Einrichtungen. Viele aus der Gemeinde sind weggefahren, auch im Pfarrteam haben die meisten Urlaub genommen. Wir wussten ja, dass unser Stadtviertel betroffen sein würde.
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Frage: Haben Sie von Ihrer Gemeinde aus besondere Aktionen für den G20-Gipfel geplant?
Schultz: Ich bin als Pfarrer im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg. Gemeinsam haben wir Kirchen geöffnet und Andachten und Gottesdienste organisiert – etwa am Samstag mit dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße und der evangelisch-lutherischen Bischöfin für den Sprengel Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs. Wir beten - aber nicht nur für den friedlichen Ausgang des Gipfels. Das Treffen der 20 wichtigsten Lenker der Welt ist ja an sich ein Gebetsanliegen: Zum Beispiel, dass die Politiker sich verständigen können und dass es zu einem Ergebnis kommt. Ich finde, dass so ein Treffen auch eine Berechtigung hat, man sollte sich dabei also nicht nur auf die Gegenposition konzentrieren. Dennoch bin ich sehr dafür, dass wir in unserem Land ein Demonstrationsrecht haben. Denn es gibt gute Gründe, zu demonstrieren. Aber das muss man unterscheiden von denen, die seit Jahren daraus ein Ritual gemacht haben und nur kommen, um Krawall zu machen und Autos anzuzünden.
Frage: Kommen Sie eigentlich mit den Demonstranten in Berührung?
Schultz: Mit denen vom sogenannten Schwarzen Block nicht, denn die sind ja gar nicht auf Dialog aus. Am Rande der geöffneten Kirchen bin ich aber bereits mit friedlichen Demonstranten ins Gespräch gekommen. Das Spannende dabei ist: Wenn man sich die Kapitalismuskritik von Papst Johannes Paul II. noch einmal durchliest oder auch die von Papst Franziskus, da staune ich immer wieder, dass das im Grunde doch sehr linke Positionen sind.