Katholisch.de hat einen Blick in eine Kita-Küche geworfen

Wie hat's geschmeckt?

Veröffentlicht am 31.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Bonn ‐ Der Deutsche Familienverband fordert die Qualität der Verpflegung in Kindergärten zu verbessern. Wissenschaftlerinnen hatten herausgefunden, dass das Essen in Kindergärten nicht ausgewogen sei.

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Immer wieder diskutierten Politiker und Verbände in den vergangenen Tagen über das Betreuungsgeld. Eine unsinnige Debatte, findet der Deutsche Familienverband und fordert stattdessen die Qualität in Kindergärten zu verbessern. Darunter würde auch die Verpflegung der Kinder fallen. Ein Punkt, der vor einigen Wochen in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung stark kritisiert wurde: Drei Wissenschaftlerinnen hatten herausgefunden, dass das Essen in Kindergärten nicht ausgewogen sei.

Katholisch.de hat daraufhin eine Kindertagesstätte besucht, um einen Blick in die Küche zu werfen. Denn das Ergebnis der Studie war eindeutig: Nur in jeder dritten deutschen Kita entspricht das Mittagessen den anerkannten Standards. Es gebe zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse und Obst, lautete die Grunderkenntnis der Studie, die erstmals repräsentativ Qualität und Kosten des Mittagessens in deutschen Kitas untersucht hat. Insgesamt 1.082 Einrichtungen waren dafür befragt worden. Bemängelt wurde vor allem, dass die Träger zu wenig Geld für die Verpflegung der Kinder einplanen würden, außerdem fehle Personal.

Ein Gegenbeispiel ist da die Kindertagesstätte St. Rochus in Bonn. Hier wird das Mittagessen selbst zubereitet, eine Ausnahme in der Kindergartenlandschaft. Ulrike Hennes ist seit neun Uhr im Haus. Auf ihrem Weg in die katholische Kita hat sie noch die restlichen Zutaten für das heutige Mittagessen mitgebracht, es gibt Pellkartoffeln mit Quark sowie geschnittene Paprika, Gurke und Tomate. Auch wenn bis zum Essen noch ein wenig Zeit ist – eine Pause liegt erst einmal nicht drin: Denn die ersten Kinder essen um halb zwölf.

Bild: ©Sophia Michalzik/katholisch.de

Ulrike Hennes kocht für 79 Kinder in der Kita St. Rochus am Brüser Berg in Bonn.

Ulrike Hennes: "Ich koche mit Herz"

"Uns ist das Selberkochen ungeheuer wichtig", sagt Leiterin Marlies Mertens. Denn der Appetit komme bei den Kindern auch dadurch, dass sie ihr Mittagessen riechen könnten oder mal einen Blick in die Küche werfen. In St. Rochus arbeiten insgesamt 17 Mitarbeiter mit 79 Kindern. Und die sollen mitbekommen, wie gekocht wird, sagt die 59-jährige Mertens. Häufig stünden auch schon vormittags Kinder bei Köchin Ulrike Hennes und fragten, was es heute gebe. Neben der Tür zur Küche hängt außerdem ein Schild mit einem Bild für jedes Gericht in der Woche.

Die fast 80 Kinder in St. Rochus verteilen sich auf insgesamt vier Gruppen. "Nur zwei Kinder essen nicht hier", erzählt Leiterin Mertens. Zu Beginn eine Herausforderung für Ulrike Hennes in der Küche – denn bis sie vor 15 Jahren anfing für die Kita zu arbeiten, hatte sie keine Erfahrung mit dem Kochen in solch einer Größenordnung. Doch die Arbeit macht ihr Spaß. "Ich koche mit Herz", sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. "Wenn ich hierher komme, geht es mir gut."

In den meisten Einrichtungen bringt ein Caterer das Essen

Das negative Ergebnis der Bertelsmann-Studie habe sie nicht überrascht, sagt Marlies Mertens. Eine gut ausgestattete Küche samt Fachkräften ist teuer, weiß die Leiterin. Zudem sei ein selbstzubereitetes Mittagessen in dieser Größenordnung eine logistische Herausforderung. Laut der Bertelsmann-Studie lassen sich zwei Drittel aller Kitas das Essen daher von einem Caterer liefern. Doch auch diese Unternehmen hätten mit einem Preisdruck zu kämpfen, was sich wiederum auf die Qualität auswirke, sagt Mertens.

In St. Rochus bezahlen die Eltern pro Monat 56 Euro für das Mittagessen. Frühstück wird in der Regel von zu Hause mitgebracht, einmal in der Woche wird es gemeinsam mit den Kinder selbst vorbereitet. Das Geld für das Mittagessen reiche zum Glück, meint Mertens – auch wenn große Sprünge nicht möglich seien, genauso wenig wie Bioprodukte. "Das ist einfach zu teuer." Das Gemüse bekäme die Kita von einem Supermarkt zur Verfügung gestellt, die restlichen Lebensmittel von einem Speziallieferanten für Gastronomie, Betriebsverpflegung und soziale Einrichtungen. "Obst bringen wir auch manchmal selber vom Bauern mit", erzählt Mertens.

Die Kinder bestimmen beim Essensplan mit

In St. Rochus wird nicht nur versucht, eine ausgewogene Ernährung anzubieten, sondern auch die Kinder in die Essensplanungen mit einzubeziehen: Jede Gruppe wählt für zwei Monate jeweils zwei Vertreter, die gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Ulrike Hennes das Essen für die nächsten Tage aussuchen. "Natürlich gibt es dann häufig den Wunsch nach Nudeln oder Milchreis", erzählt Marlies Mertens lachend. Aber die Erwachsenen würden darauf achten, dass das Essen nicht zu einseitig werde. Einmal die Woche gebe es Fleisch oder Fisch, einmal eine Süßspeise, mindestens einmal Salat und mindestens einmal ein Gemüsegericht. Gewählt wird über Essenskarten, auf denen die jeweiligen Angebote abgebildet sind.

Bild: ©Sophia Michalzik/katholisch.de

In St. Rochus in Bonn gibt es zu fast jedem Mittagessen Rohkost dazu - keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung anschaut, nach der nur in jeder dritten deutschen Kita die Ernährungsstandards beim Mittagessen erfüllt werden.

Doch es werden nicht nur die individuellen Wünsche der Kinder berücksichtigt, sondern auch ihr kultureller und religiöser Hintergrund. So sind 60 Prozent der Kinder in St. Rochus katholisch, die anderen 40 Prozent gehören aber weiteren Konfession an oder sind nicht getauft. Da es auch einige muslimische Kinder gibt, verzichtet die Kita weitestgehend auf Schweinefleisch. Wenn gegrillt wird, gebe es Geflügelwürstchen, so Mertens.

In der Küche wird kaum nach Rezept gekocht

In der Küche ist Ulrike Hennes derweil gut beschäftigt. Um 11.30 Uhr gibt es das erste Mittagessen für die Unter-Dreijährigen aus der Regenbogengruppe, um 12.30 Uhr folgt der Rest. Ab und zu kämen auch Eltern und fragten nach den Rezepten, erzählt die Köchin, während sie Paprika kleinschneidet. "Aber ich habe meistens keine. Ich schmecke einfach ab." Über die Mitbestimmung der Kinder freut sie sich – und auch über ihre schonungslose Ehrlichkeit. So seien auch schon Kinder zu ihr gekommen und hätten gefragt, wann sie denn mal wieder "etwas Richtiges" koche. Doch über solche Aussagen kann Ulrike Hennes lachen: "Ich finde das herrlich", sagt sie. "Die Kinder hier sind das Wichtigste für mich."

Während die zehn Kinder aus der Regenbogengruppe mittlerweile fertig mit dem Essen ist – es ist kaum etwas übrig geblieben – machen sich die "Älteren", die auf dem Außengelände spielen, für das Mittagessen fertig. Tisch decken, Hände waschen, hinsetzen. Bevor sich jeder etwas auf den Teller tut, gibt es ein Tischgebet . "Mir schmeckt alles gut im Kindegarten", sagt sie sechsjährige Julia während sie eine Kartoffel aufspießt. Ihr Lieblingsessen sei aber Milchreis. Frida, die derzeit Vertreterin ihrer Gruppe ist, mag hingegen am liebsten Nudelspinatauflauf. Immer wieder gehen die Kinder zum kleinen Servierwagen, um sich noch eine Kartoffel und etwas Quark aufzutun. Als Köchin Ulrike Hennes den Raum betritt und fragt, wie es geschmeckt hat, ruft ein Kind: "Gut! Ich muss mir noch mal nachnehmen."

Von Sophia Michalzik