Auch pflegende Angehörige brauchen Auszeiten zum Kraft tanken

So geht Urlaub in einem der härtesten Jobs

Veröffentlicht am 29.07.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Pflege

Berlin ‐ Sie leisten einen der härtesten Jobs überhaupt: Menschen, die einen Angehörigen pflegen. Dabei verzichten sie oft sogar auf wichtige Verschnaufpausen. Doch es geht auch anders - ohne schlechtes Gewissen.

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Alle Welt freut sich auf den Sommerurlaub. Doch viele der etwa 4,7 Millionen pflegenden Angehörigen in Deutschland wissen nicht, wie sie ihre Pflegeaufgabe und eigene Erholungsbedürfnisse miteinander vereinbaren sollen. Nur etwa jeder vierte pflegende Angehörige nimmt sich nach Schätzungen regelmäßig eine Auszeit, um die Batterien wieder aufzuladen.

Einer der härtesten Jobs überhaupt

Dabei haben sie einen der härtesten Jobs in Deutschland: Wer einen Angehörigen pflegt, erbringt jeden Tag rund um die Uhr körperliche Höchstleistungen, bekommt zu wenig Schlaf und ist hohen seelischen Belastungen ausgesetzt. Pflegende Familienmitglieder - über 80 Prozent sind Frauen - neigen außerdem dazu, ihre eigenen Bedürfnisse einzuschränken und ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie einmal nur an sich denken.

"Grundsätzlich gilt: Nur wer gut für sich selbst sorgt, hat langfristig die Kraft, auch für andere gut zu sorgen", rät Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP), am Montag in Berlin. Pflegende Angehörige sollten daher ganz offen vermitteln, dass sie die Auszeit zur Regeneration benötigen, um neue Kraft zu tanken und so die Pflege anschließend weiter leisten zu können. Das ZQP hat deshalb Tipps für pflegende Angehörige zusammengestellt. "Wichtig ist auf jeden Fall, den Pflegebedürftigen möglichst weitgehend in alle Entscheidungen einzubeziehen", rät Suhr.

Viele trauen sich einen Urlaub mit pflegebedürftigen Angehörigen nicht zu: Doch mit Hilfe spezialisierter Veranstalter ist das durchaus machbar. Wohlfahrtsverbände, gemeinnützige Reiseveranstalter, Pensionen, Ferienanlagen sowie Pflegehotels haben sich auf "Pflegeferien" spezialisiert. Die Pflege kann dann am Urlaubsort entweder vollständig oder teilweise abgegeben werden. Manche Angebote sind zudem auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zugeschnitten. Pflegeberatungsstellen und teilweise auch Betroffenenverbände informieren, wie sich ein passender Urlaub realisieren und bezahlen lässt.

Linktipp: Ferien trotz Pflege

Wie ein behindertengerechtes Hotel finden? Wie den Transport organisieren? Und was, wenn am Urlaubsort gesundheitliche Probleme auftreten? Dafür gibt es den gemeinnützigen Verein "Ferien mit Pflege". (Artikel von Juli 2013)

Einige Kranken- und Pflegekassen finanzieren pflegenden Angehörigen auch spezielle Kuraufenthalte, bei denen Pflegebedürftige oder behinderte Kinder mitreisen dürfen. Ist gemeinsamer Urlaub nicht möglich, stellt sich für den Angehörigen oftmals die Frage, wer die Pflege in der eigenen Urlaubszeit übernimmt. Dafür sieht die Pflegeversicherung zwei Möglichkeiten vor: die Verhinderungs- und die Kurzzeitpflege.

Wenn Pflegebedürftige weiterhin zu Hause gepflegt werden wollen, kann die Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden. Die Betreuung wird dann durch eine andere Person übernommen. Wird sie etwa von einem ambulanten Pflegedienst oder dem Nachbarn geleistet, beläuft sich die Leistung der Pflegeversicherung auf bis zu 1.612 Euro - für sechs Wochen pro Kalenderjahr. Voraussetzung: Der Pflegebedürftige hat einen der Pflegerade 2 bis 5 erreicht.

Unterstützung kommt auch der Familie zugute

Oftmals springen Kinder, Schwiegerkinder, Enkel oder Personen ein, die mit im Haushalt des Pflegebedürftigen wohnen. Dann richtet sich die Leistung nach der Höhe des Pflegegelds. Die Helfer können teilweise auch anfallende Kosten geltend machen. Dazu zählen Fahrtkosten oder Verdienstausfall. Der Höchstbetrag darf insgesamt 1.612 Euro nicht überschreiten. Verhinderungspflege kann auch stundenweise in Anspruch genommen werden. Besonders bei der Betreuung von Menschen mit Demenz kann dies hilfreich sein, wenn Angehörige einmal beruhigt das Haus verlassen wollen.

Alternativ zur Verhinderungspflege besteht auch die Möglichkeit, den Pflegebedürftigen in einer Pflegeeinrichtung mit Kurzzeitpflege-Angebot unterzubringen. Allerdings ist das Angebot in Deutschland laut ZQP regional unterschiedlich ausgeprägt. Bis zu 1.612 Euro für maximal acht Wochen im Jahr übernehmen die Kassen. Zu den Möglichkeiten und finanziellen Zuschüssen im Einzelfall sollten sich pflegende Angehörige professionell beraten lassen, rät Suhr. Seit 2016 hat jeder pflegende Angehörige einen Anspruch auf eine individuelle Begleitung und Pflegeberatung durch seine Pflegekasse.

Von Christoph Arens (KNA)