Die Epidemie hat auch Folgen für nichterkrankte Menschen

Ebola ohne Ende

Veröffentlicht am 04.09.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Eine Frau in Schutzkleidung und Plastikhandschuhen redet mit einem Mann.
Bild: © KNA
Katastrophen

Heidenheim/Abidjan/Dakar ‐ Klar habe ich Angst, zurzeit in Westafrika zu sein. Dazu gehört auch mein Land", sagt Jose Marie Koussemou. Er ist leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Heidenheim. Seine Heimat ist Benin. Regelmäßig besucht der 42-Jährige Familie und Freunde. Doch was die Ebola-Epidemie betrifft, würde die Regierung von Benin versagen, keine ausreichenden Informationen geben und die Bevölkerung im Unklaren lassen.

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"Nach wie vor wird auch in Benin Busch-Fleisch konsumiert. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Ebola-Virus dadurch übertragen wird", betont Koussemou. "Die Menschen werden in absehbarer Zeit ihr Verhalten nicht ändern, weil ihnen die Übertragungswege überhaupt nicht bekannt sind."

Mittlerweile grassiert der Ebola-Virus in fünf afrikanischen Staaten: Neben dem Kongo sind dies Liberia, Sierra Leone , Guinea und Nigeria . Insgesamt sind in den vergangenen Monaten nach offiziellen Angaben rund 1.500 Menschen an dem Virus gestorben , es gibt mehr als 3.000 bestätigte Fälle.

Bild: ©picture alliance/dpa/Sam Taylor

Eine Ärztin überprüft ihre Schutzbrille, bevor sie den Raum mit Ebola-Infizierten in Guinea betritt.

Auswirkungen wie ein Tsunami

Nach Aussage der Weltgesundheitsorganisation liegt die Dunkelziffer mit rund 12.000 viel höher. Nach Ansicht der Vereinten Nationen stelle der Ebola-Ausbruch in Westafrika eine ähnlich große Herausforderung für die internationale Gemeinschaft dar wie der Tsunami im Indischen Ozean 2004.

Koussemou, der von 2002 bis 2003 sein praktisches Jahr an der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg gemacht hat, weiß, wie schwer es ist, Menschen zu erreichen, die nicht lesen und schreiben können. Und davon gibt es immer noch sehr viele in Benin. "Am besten ist die Aufklärung über das Radio. Denn das erreicht die Menschen auch in entlegenen Regionen. Ich habe diesen Wunsch gegenüber den Behörden geäußert."

Koussemou selbst hat in seiner Heimat ein Infoblatt zu Ebola herausgegeben. "Es ist in unserer offiziellen Sprache französisch, und mein Verein Oredola verteilt es." Er ergänzt, dass der Verein in Kooperation mit deutschen Ärzten entstanden ist und Hilfe bei schwierigen medizinischen Eingriffen vor Ort vermittelt. Geplant ist unter anderem ein Informationstag zu Ebola für die einheimische Bevölkerung, die der Arzt gemeinsam mit Kollegen vor Ort veranstalten will.

Händeschütteln verboten

Die noch nicht betroffenen Nachbarländer reagieren mit Vorsichtsmaßnahmen. Aus Furcht vor einer Ausbreitung der Seuche hat die Elfenbeinküste ihre Grenzen zu Guinea und Liberia geschlossen. Leon Zabo lebt in Abidjan, der größten Stadt der Elfenbeinküste. Er berichtet, dass die Behörden den Fluggesellschaften verbieten, Menschen aus Ebola-Gebieten einzufliegen .

Weiter darf das vielerorts beliebte "Busch-Fleisch" nicht mehr verzehrt werden, das beispielsweise von Affen, Eichhörnchen und Fledermäusen stammt. Flughunde oder Fledermäuse könnten ein direkter Träger des tödlichen Virus sein. Doch kontrollieren lässt sich die Jagd nicht. Auch Händeschütteln und Umarmungen sind verboten.

Währenddessen mangelt es in den von Ebola betroffenen Gebieten an Personal für die vielen Kranken. Die Helfer bekommen keine Gefahrenzulage. Hinzu kommt, dass sie von der Gesellschaft und sogar von ihren Familien aus Angst vor Ansteckung gemieden werden. Trotz Masken, Schutzbrillen und -anzügen sind seit Ausbruch der Seuche schon über 20 Krankenpfleger und -schwestern gestorben, auch einige Ärzte.

Ein falscher Griff genügt: Die hohe Arbeitsbelastung in den oftmals nur provisorisch eingerichteten Krankenstationen könne die Konzentration beim Anlegen der Schutzkleidung so beeinflussen, dass die Helfer sich oft selbst dem Virus ungeschützt aussetzen. Familienvater Leon Zabo hat große Angst, dass die tödliche Epidemie auch sein Land erreichen könnte, "zumal es noch keine erwiesene Heilung gibt".

„Gerade in dieser schweren Zeit bete ich viel zu Gott und bitte ihn um ein Wunder, damit wir alle bald zur Normalität zurückkehren können.“

—  Zitat: Francoise aus Dakar, Senegal

Im Senegal ist die Situation ähnlich: Die Landesgrenzen zum Nachbarland Guinea sind geschlossen, Schiffen und Flugzeugen aus den betroffenen Ländern wird der Zugang verweigert. Francoise arbeitet für eine internationale Organisation in der Hauptstadt Dakar. Ihren vollständigen Namen möchte sie nicht nennen. "Zu unserer Kultur zählt das Händeschütteln oder eine kurze Umarmung zur Begrüßung. Ich versuche das nun zu vermeiden, obwohl es mir sehr schwerfällt."

Wegen der Nähe zu Guinea hat auch sie Angst vor einem Ausbruch der Epidemie. Bis jetzt ist im Land eine Erkrankung bekannt. Ihr Glauben hilft ihr: "Gerade in dieser schweren Zeit bete ich viel zu Gott und bitte ihn um ein Wunder, damit wir alle bald zur Normalität zurückkehren können."

Der Glaube als Stütze

Auch Geoffroy Gantoli aus Benin vertraut auf Gott. "Wir hoffen, dass unser Land von Ebola verschont bleibt." Der Agrarexperte ist sich sicher, dass es viele Tote geben werde, da die Bevölkerung nicht auf einen Ausbruch der Seuche vorbereitet sei. "Hinzu kommt, dass die Menschen mit der Gefahr nicht unmittelbar konfrontiert sind und auch keine Ebola-Patienten sehen. Viele glauben nicht, dass von dem Virus eine so große Gefahr ausgeht oder er überhaupt existiert."

Nachrichten aus dem Nachbarland Nigeria werden auch die beninischen Gesundheitsbehörden aufrütteln und in höchste Alarmbereitschaft versetzen: Mittlerweile gibt es dort Infizierte und erste Tote. Hier liegen die Probleme ähnlich wie in den anderen Staaten Westafrikas: Informationen über die Krankheit erreichen längst nicht alle Bevölkerungsschichten. Klar im Vorteil liegt die städtische Bevölkerung, die Zugang zu allen Medien hat, während viele Dorfbewohner mangels medialer Versorgung von jeglicher Information ausgeschlossen sind.

Von Sabine Ludwig (KNA)