Mitten im Konflikt führt Kiew eine Militärseelsorge ein

Geistlicher Beistand

Veröffentlicht am 07.09.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Menschen in Kiew bei einer Friedensdemonstration.
Bild: © KNA
Ukraine

Kiew ‐ Wenn die verwundeten Soldaten im Militärkrankenhaus im ukrainischen Charkiw den hageren Priester Igor Lipchanski erblicken, reagieren sie unterschiedlich. "Manche bitten mich, dass ich für sie bete", erzählt der junge griechisch-katholische Geistliche. Nur selten wünschten sich Schwerverletzte das Sakrament der Krankensalbung.

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Wenn er das Krankenzimmer betrete, reagierten einige der Soldaten, die bei Kämpfen mit prorussischen Separatisten im Osten des Landes verwundet wurden, mit dem Satz: "Ich habe nicht vor, zu sterben." Lipchanski ist einer von Dutzenden ukrainischen Seelsorgern, die den Soldaten der ukrainischen Armee beistehen. Er nahm dafür vor einigen Monaten eigens an einer Schulung des Verteidigungsministeriums teil - gemeinsam mit Psychologen und Sozialarbeitern. Seit Anfang August, als zahlreiche verwundete Soldaten in das Krankenhaus eingeliefert wurden, tröstet er die Patienten und betet mit ihnen.

Lange zögerte der ukrainische Staat mit der Einführung der Seelsorge für die Armee. Bis heute gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Militärgeistlichen. Doch nun will die Regierung Priester für die Armee und die Nationalgarde einstellen und damit die Seelsorge legalisieren. Das Konzept des Verteidigungsministeriums sei fast fertig, hieß es in Kiew. Die Kirchen begrüßten die Initiative bereits, schließlich halten sie den Schritt für überfällig.

Weihbischof: "Dienst unentbehrlich für unsere Soldaten"

Trotz aller Freude über den Regierungsplan bedauert der Generalsekretär der griechisch-katholischen Bischofssynode, Weihbischof Bogdan Dziurach, dass erst im Krieg in der Ostukraine anerkannt werde, "dass die Kapläne keine fakultative Option für die Armee darstellen, sondern dass ihr Dienst unentbehrlich für unsere Soldaten ist". Die Kirchen wollten vom Staat als Partner betrachtet werden, wenn es um das geistliche Wohl der Soldaten gehe. Aber bisher habe es wegen kirchenfeindlicher Vorurteile, die ihre Wurzeln in der Sowjetzeit hätten, viele Hindernisse für die Soldatenseelsorge gegeben, etwa in der Bürokratie.

Mehr als 50 griechisch-katholische Geistliche sind bereits seit mehr als einem Jahr in der Soldatenseelsorge tätig. Einige begleiten derzeit die Regierungstruppen in den umkämpften Regionen Donezk und Lugansk. "Natürlich wollen wir die Zahl der Militärseelsorger erhöhen", so Dziurach. Die Priester müssten jedoch für ihren Militäreinsatz geschult werden. "Gott sei Dank haben wir genug Seelsorger, die sich bereiterklärt haben, in solch dramatischen Umständen mit dem Volk zu bleiben und den Leidenden Trost und Hilfe zu bringen."

180 Seelsorger sollen für Soldatenpastoral eingestellt werden

Insgesamt 180 Seelsorger soll die Regierung nach dem Willen des zuständigen Beirats des Verteidigungsministeriums für die Soldatenpastoral einstellen. Bereits 2009 hatte das Ministerium Religionsvertreter in den Beirat berufen. 2011 lag ein erster Entwurf für die Soldatenseelsorge vor.

Die griechisch-katholische Kirche brachte 2013 ein eigenes Gebetbuch für die Soldaten heraus. Auflage: 10.000 Exemplare. Mehrfach versicherte die Kirche den Regierungstruppen angesichts der Gefechte ihre Unterstützung, sammelte etwa Geld für neue Helme für die Soldaten. Sie betonte zugleich, dass Priester niemals Waffen in die Hand nehmen würden.

Auch Lipchanski sagt, er segne die Soldaten nicht für den Krieg, sondern für den Frieden. "Hier geht es nicht darum, dass wir aufbrechen, um fremde Länder zu erobern." Vielmehr solle die Ukraine verteidigt werden. Er bete dafür, "dass es Ruhe gibt, dass der Herr die Jungs beschützen möge, damit sie am Leben bleiben und heil aus dem Kampf zurückkehren, und dass die Verwundeten wieder auf die Beine kommen".

Von Oliver Hinz (KNA)