Heilige Helden, unsterbliche Götter: Fußball als Religion

"Fußball Halleluja"

Veröffentlicht am 11.09.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Buntes

Amsterdam ‐ Fußball ist mehr als ein Spiel mit 22 Spielern und einem Ball. Das wissen echte Fans natürlich längst. Manche lassen sich sogar "Football is my religion" auf ihren Körper tätowieren. Andere wollen in einem Sarg in den Farben ihres Clubs begraben werden. Nun kommt das Phänomen ins Museum. Als erste europäische Stadt zeigt Amsterdam die internationale Ausstellung "Fußball Halleluja!".

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Fußball habe für viele Fans die Rolle der Religion übernommen, stellt der Direktor des Amsterdam Museums , Paul Spies, fest: "Die Stadien werden immer voller, die Kirchen immer leerer." Die Rituale von Fans nähmen immer breiteren Raum ein und ähnelten denen der katholischen Kirche.

In Amsterdam empfängt die internationale Fußballhymne "You'll never walk alone" die Besucher zur Schau von heiligen Helden, unsterblichen Göttern, Reliquien und Ritualen. Gemeinsam mit dem historischen Museum Basel sammelte das Amsterdamer Stadtmuseum Pokale, Fanartikel, Videos, Fotos und viele Anekdoten und Analysen.

Neue Volksreligion

Das schrillste Phänomen der neuen Volksreligion kommt aus den Niederlanden, einem der säkularsten Länder Europas. Sobald international ein Pokal zu vergeben ist, bricht im Land das Oranje-Fieber aus. Alles färbt sich orange vom Bier bis zum Kuchen.

Aber das Fieber grassiert auch im Rest Europas, nicht nur zur Zeit von Europa- oder Weltmeisterschaften. An jedem Wochenende pilgern Fans in Scharen in die Stadien, beobachtet Museumsdirektor Spies und findet: "Es sind Prozessionen zu den neuen Tempeln."

Heiligsprechung in Rekordzeit

Und die Spieler werden wie Heilige verehrt. Doch während in der katholischen Kirche vor einer Heiligsprechung schon mal ein paar hundert Jahre vergehen und jemand auch mindestens ein Wunder vollbringen muss, geht das beim Volkssport Nummer eins bedeutend schneller. Ein geniales Tor, ein gehaltener Elfmeter und schon winkt dem Spieler ewiger Ruhm, werden schwitzige Shirts und krakelige Autogramme wie Reliquien verehrt.

Die niederländische Fußball-Legende Johan Cruyff etwa, der Ajax Amsterdam und dem FC Barcelona zu Weltruhm verhalf, erhielt den Beinamen "Der Erlöser". Der argentinische Superstar Lionel Messi ist längst der "Messias", und Diego Maradona ist für viele schlicht und einfach Gott.

Skurille Reliquien

Das hält der Argentinier übrigens auch nicht für übertrieben. Sein umstrittenes Tor bei der WM 1986 hatte er "mit der Hand Gottes" erzielt, gab er vor einigen Jahren zu. In Neapel errichtete ein Kneipenwirt einen Altar für Maradona, aus Dank für dessen Leistung beim SSC Neapel in den 80er Jahren. "Er mauerte sogar original Haare von Maradona ein", erklärt die Konservatorin der Ausstellung, Annemarie de Wildt. Leider, so bedauert sie, ist in Amsterdam nur eine Nachbildung des Heiligtums zu sehen - ohne Haare.

Wie eine Reliquie glänzt in einer Vitrine auch der Goldene Schuh des ehemaligen Oranje-Stars Marco van Basten. Original-Gras aus dem Berliner Olympiastadion vom WM-Finale 2006 ist ebenso zu sehen wie ein Stein des alten Ajax-Stadions.

Mit Voodoo und Gottes Hilfe

"Mit Gott auf Schalke" bitten Fans in Gelsenkirchen um Hilfe von oben. Und weil es nicht schaden kann, setzen andere auch auf Hilfe anderer Mächte. Aus Togo bekam das Museum einen Voodoo-Altar der Nationalmannschaft. Annemarie de Wildt weist auf die kleinen Vorhängeschlösser an den Beinen von Ton-Püppchen. "Mit dem Zauber sollten die Gegner gelähmt werden."

Natürlich reserviert das Amsterdam Museum einen Teil der Schau für den eigenen Rekordmeister Ajax Amsterdam. Wenn "Fußball Halleluja" aber in den kommenden vier Jahren durch Europa reist, sollen jeweils die lokalen Helden im Zentrum stehen. In Deutschland wird das der SV Werder Bremen sein.

Von Annette Birschel (dpa)

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