Zu Besuch in der höchstgelegenen Kirche Deutschlands

Wo man Gott am nächsten ist

Veröffentlicht am 28.08.2017 um 14:30 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ Auf 1.740 Meter Höhe in den Alpen liegt Deutschlands höchstes Gotteshaus: die Wendelsteinkirche. Katholisch.de hat die Kirche besucht und dabei nicht nur erfahren, warum Gott wahrscheinlich ein Bayer ist.

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"Hier oben bin ich Gott am nächsten," schwärmt Veronika Zaggl und blickt über die Berggipfel. Sie ist Mesnerin in der Wendelsteinkirche, der höchstgelegenen Kirche Deutschlands. Auf 1.740 Meter Höhe in den Bayerischen Alpen liegt das "Kircherl", wie es die Bayerin liebevoll nennt. Das Besondere an der Kirche ist, dass sie im Altar Reliquien von drei Märtyrern enthalte und damit eine "richtige" Kirche und keine Kapelle wie etwa auf der Zugspitze sei. Die Reliquien stammen von den Heiligen Christanus, Constantinus und Coronata und wurden 1890 bischöflich konsekriert.  

Das grüne Dach der Wendelsteinkirche birgt sich wie gemalt in die atemberaubende Bergkulisse und schmiegt sich in die schroffe Felswand, die sogenannte Schwaigerwand. An der Felswand ist eine Tafel angebracht, auf der geschrieben steht: "Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott." Die Botschaft der Berge ist für alle da.

Mehrmals wöchentlich kommt die Mesnerin herauf

Hier finden von Mai bis Oktober sonntags regelmäßig Gottesdienste statt. Erst vor kurzem wurde die Kirche auf dem Wendelstein innen frisch renoviert und wieder eingeweiht. Besonders stolz sei Zaggl, dass sie bei der Festmesse mit dem Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, alles richtig gemacht habe. Es sei ein schönes Fest mit über Tausend Gottesdienstbesuchern gewesen. Der Gottesdienst wurde im Freien auf der Aussichtsplattform vor der Kirche gefeiert.

Bild: ©katholisch.de

Veronika Zaggl ist Mesnerin auf der höchst gelegenen Kirche Deutschlands.

Mehrmals wöchentlich kommt die Mesnerin hier herauf. Sie putzt, räumt auf, wechselt die Altarwäsche und frischt die Blumen auf. Gerne schließt sie sich dann auch mal in die Kirche ein, um die Ruhe drinnen zu genießen. Man kommt hier wie automatisch ins Gebet. "Maria hilf". Der Gottesmutter Maria ist die Wendelsteinkirche auch geweiht, für die Bayern ist es die Patrona Bavariae. In der Mitte des Hochaltares steht die aus Holz geschnitzte Patronin Bayerns, im roten Kleid mit blauem Umhang, einer Krone auf dem Haupt und einem Kreuz als Zepter in der Hand, hält sie das Jesuskind auf dem Arm. Das Patrozinium der Wendelsteinkirche fällt genau auf den ersten Mai. Weil da in den Bergen meistens noch Schnee liegt, wurde das Fest in den Sommermonat August verlegt und mit dem Fest "Maria Königin" verbunden. Diese Besonderheit wird seit der Einweihung der Kirche bis heute beibehalten. Das Kirchweihfest wird also immer am Sonntag nach dem 22. August gefeiert. 

"Wir wissen schon, wo wir hier daheim sind", sagt Zaggl stolz. Immer wieder, wenn sie mit der Zahnradbahn herauf fahre, entfährt ihr ein "Jetzt bin ich wieder da". Die Wendelsteinkirche ist ein Stück Heimat für sie geworden. Obwohl Veronika Zaggl erst seit knapp zwei Jahren den Mesnerdienst hier oben übernommen hat, weiß sie, worauf es ankommt. "Man muss die Kirche im Herzen tragen, sonst geht das nicht", sagt sie. Das habe sie von ihrem Vorgänger im Amt gelernt, das war ihr Ehemann Peter Zaggl. Dass er damals vor zwei Jahren so plötzlich verstorben ist, schmerzt Zaggl bis heute. Doch die Ruhe da oben hilft ihr, den Tod ihres Mannes besser zu verarbeiten. In der kleinen Sakristei hängt ein Bild von ihm. Im sogenannten Mess-Einschreibbuch, das in der Sakristei auf einem kleinen Tisch liegt, hat sie den letzten Mesnerdienst ihres Mannes auch eingetragen, es war der 14. Juni 2015.

Bild: ©katholisch.de / Madeleine Spendier

Das Altarbild in der Wendelsteinkirche zeigt die Gottesmutter Maria, die Patrona Bavariae.

Die Mesnerin steckt frische Sonnenblumen in die Vase, die auf der Altarstufe steht. Seit der Kirchenrenovierung sind aus Sorge vor Verunreinigung keine Blumen mehr am Hochaltar erlaubt. Doch Zaggl hat Blumen aus Kunststoff für die Gottesmutter drapiert. "Sie leuchten ihr zur Ehre", freut sie sich. Hinter dem Hochaltar steht ein neuer Holzschrank. Darin verstaut die Mesnerin fein säuberlich die vier Messgewänder für die Priester und ein paar Messdienergewänder. Eines davon hängt schief am Kleiderhaken. "Das war bestimmt mein Enkel", schmunzelt Zaggl und rückt es wieder zurecht. Erst seit kurzem ministriert er hier. Darauf ist sie besonders stolz, auch weil so die Geschichte der Familie Zaggl auf dem Wendelstein weiter geschrieben wird.

Während die Mesnerin in der Kirche hantiert, strömen Besuchergruppen in die kleine Kirche. Sie fotografieren, halten kurz inne oder schauen neugierig um sich. Die neugotische Inneneinrichtung der Kirche wirkt einladend. Die Glasfenster, die von der besonderen Geschichte der Kirche erzählen und von ihrem Gründer, Max Kleiber, einem Kunstprofessor aus München, tauchen die Kirche in ein farbiges Licht.

Hin und wieder gebe es auch ergreifende Begegnungen in der Kirche, erzählt sie. Erst vor kurzem waren Pilger aus Spanien da. Diese Gruppe war auf dem Pilgerweg der Patrona Bavariae durch Europa unterwegs. Auf Knien haben sie hier in der Kirche vor dem Marienbild gebetet. Das habe sie sehr berührt.

Ganz auf sich gestellt ist Veronika Zaggl hier oben allerdings nicht. Der ehemalige Betriebsleiter der Zahnradbahn, Hans Vogt, ist für sie so etwas wie die rechte Hand hier auf der Wendelsteinkirche. "Der Ruheständler hilft mir, wenn ich etwas nicht genau weiß oder wenn es etwas zu reparieren gibt", erzählt Zaggl. Auch für die Renovierungsarbeiten an der Kirche in den letzten beiden Jahren habe er die Baufirmen beratend begleitet. "Hans und ich sind so etwas wie ein verschworenes Wendelsteinteam geworden", schwärmt die Mesnerin.

"Gott ist bestimmt ein Bayer"

"Gott ist bestimmt ein Bayer", ist sich Zaggl sicher, sonst hätte er hier in den Bergen nicht so ein Juwel wie die Wendelsteinkirche schaffen können. Wieder steht sie auf der Aussichtsplattform vor der Kirche und denkt laut nach. Dass sie nach dem Tod ihres Mannes ein Stück Hoffnung gefunden habe und den Himmel wieder anschauen kann, verdanke sie dieser besonderen Kirche. Es ist eine besondere Freiheit hier oben, die sie spüre und die dabei helfe, die Sorgen des Alltags kleiner zu machen. "Hier oben fühle ich mich nie alleine," so Zaggl. "Diese Ruhe tut mir einfach gut. Es schaut alles so friedlich aus, da unten. Wenn ich mit Gott rede, sage ich immer, danke, dass ich da sein darf. Ich glaube, er versteht, was ich meine." Mit solchen Gedanken gestärkt, fahre sie immer anders ins Tal hinunter, als sie heraufgekommen ist, verrät sie.

Bild: ©katholisch.de / Madeleine Spendier

Ein Blick von der Wendelinkapelle auf das "Wendelsteinkircherl".

Ihr letzter Blick fällt auf den Gipfel oberhalb der Wendelsteinkirche. Dort, neben dem Gipfelkreuz, und höher als die Kirche befindet sich auf 1838 Metern Höhe die Wendelinkapelle. Der Wendelstein verfügt also über beides: Kirche und Kapelle.

Immer, wenn sie mit Aufräumen und Putzen in der Kirche fertig ist, schließt Zaggl die Gittertüre hinter sich ab, bevor sie geht. "Zur Sicherheit", erklärt sie. Die Besucher können dann tagsüber durch die Glastür auf die Madonna schauen. Dann blieben die neuen Sitzbänke aus Holz auch länger schön, denn manche seien schon verkratzt von den vielen Wanderrucksäcken, erklärt sie.

Einen Wunsch hat sie schon, wenn sie in die Weite der Berge schaut: "Dass ich noch recht lange gesund bleibe und Mesnerin auf der Wendelsteinkirche sein kann." Zum Abschied ziert ein Lächeln ihr Gesicht und sie winkt aus der Zahnradbahn.

Von Madeleine Spendier