Hoffnung braucht Solidarität
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Pünktlich zum 3. Oktober ist von der Bundesregierung in der letzten Woche der diesjährige Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit gebilligt worden. Vielfach beeindrucken die Zahlen: Das Bruttoinlandsprodukt ist fast kontinuierlich gestiegen, die Arbeitslosenzahlen auf einem rekordverdächtig niedrigen Wert. Der Osten scheint dem Westen deutlich näher gerückt, die Legitimation für den Solidaritätszuschlag schwindet. Wenn da nicht Stichworte wie "Vielfalt bürgerlichen Engagements", "Extremismusprävention" oder auch "gesellschaftlicher Zusammenhalt" wären. Sie alle erinnern an Bilder der vergangenen Jahre und stehen für eine entscheidende Herausforderung der neuen Bundesländer. Dabei ist inzwischen weitgehend anerkannt, dass der Transformationsprozess nach der Friedlichen Revolution für diese Entwicklungen nicht zu unterschätzen ist. Er stellt bis heute eine enorme Herausforderung für die ostdeutsche Bevölkerung dar, weil er für alle einen radikalen Umbruch bedeutete – nicht nur im Politischen und Sozialen, sondern bis hinein in die Familien und ihr Wertekorsett.
Mit den Menschen die Umbruchserfahrungen zu gestalten, ist auch für die Christen eine Herausforderung. Einerseits müssen sie in ihrem Glauben gestärkt werden, um angesichts einer areligiösen Gesellschaft das Evangelium auf mitteldeutsch buchstabieren zu können. Andererseits braucht es aber auch eine institutionalisierte Förderung. Mit ihren verschiedenen Bildungsinstitutionen und caritativen Einrichtungen haben die Kirchen in unserem Land eine Struktur, um Menschen zu begegnen, die seit Generationen keinen persönlichen Kontakt mehr mit dem Glauben hatten. Was in den alten Bundesländern selbstverständlich erscheint, ist im Osten eine Errungenschaft, die auch zur Wirklichkeit der Deutschen Einheit gehört.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Ohne die solidarischen Zuwendungen der westdeutschen Diözesen wären die institutionellen Strukturen kaum möglich, um Christen trotz ihrer Minderheitensituation zu befähigen, Salz der Gesellschaft zu sein. Wenn in den kommenden Monaten also nicht nur in Koalitionsverträgen, sondern auch innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz darum gerungen wird, welche Prioritäten den neuen Haushalt auszeichnen und wie solidarisch man dabei künftig mit den Menschen in den neuen Bundesländern sein will, darf dies nicht aus dem Blick geraten. Nicht durch westdeutsche Finanzhilfen verkrustete Strukturen gilt es zu erhalten. Sondern jene Scharniere, die ein enormes Potential bieten, den Transformationsprozess aus christlicher Perspektive zu unterstützen und gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden. Auch das sind Schritte auf dem Weg zur Deutschen Einheit.