Hose statt Habit
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Frage: Schwester Gerlinde-Maria, Sie sind für mich die erste Franziskanerin in Hosen...
Sr. Gerlinde-Maria: Meine Ordensgemeinschaft stellt es uns frei, wie wir uns kleiden. So kann jede Schwester für sich entscheiden, ob sie lieber Ordenskleid und Schleier oder zivile Kleidung tragen will. Bei uns sind beide Formen erlaubt und üblich. Ich habe mich im Jahr 1994 für Hose und Bluse entschieden und fühle mich wohl damit.
Frage: Wie reagieren die Leute darauf?
Sr. Gerlinde-Maria: Es gibt hin und wieder welche, die fragen, warum ich keinen Habit trage. Es gibt aber auch viele, die es gut finden, wie ich angezogen bin. Auf jeden Fall ist meine Kleidung oft der Einstieg in ein Gespräch oder in eine Begegnung unterwegs. Das finde ich schön. Als ich zu Beginn meiner Ordenszeit den Habit getragen habe, war das nicht immer so. Hin und wieder habe ich sogar eine Hemmschwelle wahrgenommen.
Frage: Wie meinen Sie das?
Sr. Gerlinde-Maria: Ich hatte das Gefühl, dass die Leute meinten, mit mir nicht über alles reden zu können, weil ich einen Schleier trage. Seitdem ich aber in ziviler Kleidung unterwegs bin, ist diese Hemmschwelle wie weg. Ich habe das Gefühl, dass es ohne Habit leichter ist, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Das hat mir meine Entscheidung erleichtert, mich für die zivile Kleidung zu entscheiden. Ich finde es gut, dass wir heute frei wählen können.
Frage: Das war ja nicht immer so, oder?
Sr. Gerlinde-Maria: Bis vor 50 Jahren mussten alle Franziskanerinnen nach strenger Vorschrift die Ordenstracht tragen. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich die Waldbreitbacher Schwesterngemeinschaft mehr und mehr geöffnet und die Kleiderfrage sozusagen weiterentwickelt. Das war in jeder Hinsicht ein Schritt für unsere Gemeinschaft. Heute ist es selbstverständlich, dass eine Schwester in ziviler Kleidung neben einer Schwester in Ordenskleid sitzt und betet.
Frage: Aber sollte es nicht auch darum gehen, dass andere Sie durch den Habit leichter zuordnen können?
Sr. Gerlinde-Maria: Ich finde es gut und wertvoll, wenn Ordensfrauen einen Schleier tragen, denn er ist sicher ein Erkennungszeichen für andere. Aber im Gespräch mit anderen erlebe ich es oft, dass es wichtiger ist, dass die Leute spüren, dass ich Ordensfrau bin und nicht, wie ich gekleidet bin.
Frage: Will man nicht auch äußerlich zeigen, dass man eine Ordensschwester ist?
Sr. Gerlinde-Maria: Das Erkennungszeichen für mich als Ordensfrau ist das Kreuz, das ich immer um den Hals trage. Ich lebe mein Ordensleben ganz unter diesem Erkennungszeichen meiner Gemeinschaft. Außerdem trage ich noch einen Ring, als Zeichen der Verbundenheit mit Gott. Auf diese beiden Zeichen will ich niemals verzichten, zeigen sie doch, dass ich zu Christus gehöre.
Frage: Ist die lockere Kleiderordnung für Sie auch so etwas wie eine Befreiung für die Frau in einer männerdominierten Kirche?
Sr. Gerlinde-Maria: Es macht mir Freude mich weiblich zu kleiden und es macht mir Freude eine Farbe zu tragen. Es passt einfach zu mir, dass ich lila oder blaue Kleidung tage. Ich fühle mich wohl damit, mich so als Frau zu zeigen. Aber letztlich sind das äußerliche Zeichen und bestimmt keine Trotzreaktion oder gar ein Zeichen des Widerstandes gegen irgendetwas. Wenn ich eine lila Jacke trage, nimmt das gar nichts weg von meinem Ordensweg.
Frage: Warum wollten Sie damals ins Kloster eintreten?
Sr. Gerlinde-Maria: Ich bin seit März 1977 bei den Waldbreitbacher Franziskanerinnen. Ich bin in einer katholischen Familie großgeworden, der Glaube gehörte wie selbstverständlich zu meinem Leben dazu. Meine Ausbildung zur Krankenpflegerin habe ich in einem Krankenhaus der Waldbreitbacher Schwestern gemacht. Dort habe ich dann die Sehnsucht verspürt, meinen Glauben noch intensiver und in einer religiösen Gemeinschaft zu leben. Ich war damals 21 Jahre alt, hatte gerade meine Ausbildung abgeschlossen und wollte eigentlich als Missionarin auf Zeit ins Ausland gehen. Doch dann war ich zum ersten Mal in unserem Mutterhaus in Waldbreitbach zu Besuch und bin dort hängengeblieben.
Themenseite: Mein Glaube, mein Leben
Jedes Jahr treten zahlreiche Menschen aus der Kirche aus. Doch es geht auch anders herum. Die Themenseite bündelt Porträts über Menschen, die sich als Erwachsene für die Kirche entschieden haben oder ihren Glauben in einer besonderen Weise leben.Frage: Hatten Sie nie Zweifel an Ihrer Entscheidung?
Sr. Gerlinde-Maria: Doch, natürlich hatte ich Zweifel. Ich vergleiche meinen Weg gerne mit dem Bild eines Labyrinths. Ich gehe meinen Weg und manchmal bin ich weiter weg von der Mitte und manchmal näher dran, aber immer bewege ich mich im Rahmen. Es gab eine Zeit, da brauchte ich für zwei Jahre Abstand von der Gemeinschaft. Ich wollte meine Entscheidung für das Klosterleben noch einmal überprüfen und stellte mir Fragen wie: Stimmt der Weg noch für mich? Ist das die richtige Gemeinschaft? Natürlich habe ich mich in dieser Zeit auch gefragt, ob es Dinge gibt, die mich eher niederdrücken und entmutigen. Das waren entscheidende Fragen, denen ich mich stellen musste. Diese Auszeit war wichtig für mich. Danach wusste ich, dass meine Freude am Glauben und das Leben in der Gemeinschaft genau das Richtige für mich sind. Übrigens habe ich mich damals auch dazu entschieden, zivile Kleidung zu tragen.
Frage: Heutzutage entscheiden sich immer weniger junge Menschen für ein Leben in einer Ordensgemeinschaft. Was denken Sie darüber?
Sr. Gerlinde-Maria: Ja, diese Not erleben wir auch. Aber dennoch gibt es uns Waldbreitbacher Franziskanerinnen schon seit 150 Jahren. Wir haben einen ganz konkreten Auftrag und suchen immer wieder nach neuen Wegen, diesen Auftrag zu erfüllen, auch mit weniger jüngeren Schwestern. Natürlich würde ich mich freuen, wenn es mehr Schwestern gibt, die unser Gemeinschaftsleben teilen. Aber das überlasse ich lieber Gott. Gott beruft und Gott wird Zeichen setzen, was er mit unserer Gemeinschaft vorhat. Ich glaube, das Ordensleben wird sich wandeln, vielleicht zu Formen hin wie das frühere Beginentum, wo jede Schwester für sich alleine lebt mit gemeinsamen Zeiten. Für mich ist es jedoch genau dieses Leben in einer geistlichen Gemeinschaft, das mich fasziniert und das ich nicht missen möchte. Ich finde es zudem viel wichtiger, dass es immer wieder Menschen gibt, die ihr Leben mit Gott leben, egal ob in Gemeinschaft oder alleine, mit Habit oder ohne.