Zeige, was du glaubst
Frage: Herr Professor Sellmann, wie glauben, was lieben, worauf hoffen Sie?
Sellmann: Ich liebe meine Frau, das ist erfreulicherweise schon mal sehr einfach zu beantworten [lacht]. Ich hoffe darauf, dass wir alle Lust dazu bekommen, unsere Welt so zu gestalten, dass alle einen wünschenswerten Platz darin haben; und ich glaube so, dass ich immer auf der Suche danach bin, was mich mit Energie versorgt, was mich auflädt, was mich inspiriert.
Frage: Was erhoffen Sie sich von dem Wettbewerb "Glaube, Liebe, Hoffnung"?
Sellmann: Ich hoffe, dass wir als die Initiatoren junge Talente und Filmemacher kennenlernen, die fähig sind, ihre künstlerische Kreativität auf solch existenzielle Themen wie Glaube, Liebe und Hoffnung zu beziehen. Ich hoffe, dass wir neue Medienformate und neue Artikulationsformen kennenlernen, neue Bild- und Sprachwelten. Und ich hoffe, dass die Preisverleihung auf den Web-Videodays 2015 in Köln ein bedeutender Programmpunkt für die ganze Youtube-Szene wird.
Frage: Wie ist bisher die Resonanz?
Sellmann: Die Resonanz ist sehr gut. Wir sind nun bei rund 24.000 Aufrufen des Trailers und bei ungefähr 100 Anmeldungen von jungen Künstlerinnen und Künstlern, die Filme einsenden wollen. Aber ich kann alle nur aufrufen, weiter mitzumachen, weil ich sonst ruiniert bin: Ich habe nämlich eine Wette laufen; au Mann, wenn ich die verliere... Ich träume davon, ich glaube daran, ich hoffe darauf [lacht], dass insgesamt 500 Filme eingesendet werden. Übrigens sind wir auch als Modellprojekt nominiert worden, das sich auf der nächsten Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vorstellen darf. Das hat uns sehr gefreut.
Frage: Es ist nicht sofort ersichtlich, dass die Kirche hinter diesem Wettbewerb steht – ist das Absicht?
Sellmann: Ja. Soziologische Studien zeigen leider sehr deutlich, dass die Worte "katholisch", "Kirche", zum Teil sogar das Wort "Glaube", bei Menschen innere Barrieren aufbauen, die ihre Phantasie eingrenzen. Die Worte haben ein eher belastetes Image, vor allem bei Kreativen, das negative Assoziationsketten weckt. Das ist sehr zu bedauern. Daher wollen wir bei diesem Wettbewerb dem Eindruck vorbeugen, es gehe der Kirche nur darum, sich mit Künstlerinnen und Künstlern zu dekorieren. Nein, sie will ein echtes Forum sein für kreative Auseinandersetzung. Es steht der Kirche gut an, wenn sie zu einer Art Talentförderungsagentur wird, die junge Leute ermutigt, zu ihrem Können zu stehen – ganz unabhängig davon, ob das der Organisation "Kirche" zugute kommt oder nicht. Menschen mit ihren Begabungen zu fördern, hat Kirche über die Jahrhunderte immer wieder als großes Ziel gehabt. Es ist eins ihrer positiven Markenmerkmale.
Frage: Läuft nicht etwas ganz falsch, wenn Kirche einen Wettbewerb ausrichtet, sich aber nicht traut, offensiv mit ihrem eigenen Namen dafür zu stehen?
Sellmann: Hier geht es ja nicht um mangelndes Zutrauen, sondern um die Frage, wie wir uns eine bestimmte Aufmerksamkeit neu verdienen können. Und das ist unsere Situation: Wenn man sich die Image- und Reputationswerte der Kirche anschaut, also die Frage, was uns unsere Zeitgenossen überhaupt noch an Kreativität und Relevanz zutrauen, dann fordern uns diese Werte schon stark zum Handeln auf. Ich würde das bezogen auf den Wettbewerb also ungern so verstehen, dass wir uns aktiv verstecken. Es geht einfach darum, nicht so stark in den Vordergrund zu treten, weil das für Manche einengend und kreativitätshindernd wirkt. Es geht um allgemeine kulturelle Kreativität. Und Kirche ist ein Teil davon.
Matthias Sellmann stellt den Wettbewerb vor: Was soll eigentlich 1'31''?
Frage: Was bedeutet die Zahl 1'31'' im Titel des Wettbewerbs?
Sellmann: Zum einen erinnert sie an das klassische Medienformat mit der Länge von einer Minute und 30 Sekunden. Die Sekunde mehr bei unseren Wettbewerb soll auffordern: Geh über das Normalmaß hinaus! Es ist eine Sekunde mehr an Intensität, an existentieller Auseinandersetzung. Außerdem verweist die Zahl auf das erste Buch der Bibel, erstes Kapitel, Vers 31, den Schöpfungsbericht. Da heißt es: "Gott sah alles an, was er getan hatte und es war sehr gut". Wir haben es mit "brillant" übersetzt, weil das hebräische Wort visueller ist als das ethische "sehr gut". Es geht da um das Gute, das von sich reden macht, um das Glänzende, das Ausstrahlende. Wie gesagt - wir möchten Leute ermutigen ihren eigenen Film anzusehen und zu sagen – wow, der ist aber brillant.
Frage: Die Stichworte "Glaube, Liebe Hoffnung" sind sehr breit gefasst. Welches könnten konkrete Themen der Beiträge sein?
Sellmann: Diese drei Begriffe sind ja nicht Worthülsen, es sind große Begriffe der Lebenskunsts Menschseins. Dabei geht es nicht um die Konfession, ein Credo, eine bestimmte Weltanschauung. Ich bin fest davon überzeugt, dass Glaube, Liebe und Hoffnung Themen sind, zu denen sich jede und jeder verhält, ob bewusst oder unbewusst. Die Frage etwa, wie ich glaube, ich, wie komme ich zur mentalen Motivation, wie komme ich dazu, morgens aufzustehen und dem Tag eine Chance zu geben - all das sind wirklich allgemein relevante Fragen. Ebenso die nach Liebe, also danach, wofür ich an meine Grenzen gehe. Oder die nach Hoffnung. Sie können sehr gut als Initialzündung für viele filmische Produkte dienen.
Das Interview führte Gabriele Höfling