Weniger Luther, mehr Papst
Der katholische Theologe Thomas Söding zieht eine gemischte Bilanz des Reformationsgedenkjahrs. Kritisch sehe er zum Beispiel manche Interpretationen zu Martin Luther: Dieser werde oft zu einer "riesigen Projektionsfigur" gemacht und so getan, als hätten alle Errungenschaften der Moderne vor 500 Jahren mit ihm begonnen, sagte Söding am Montag im Deutschlandfunk: "Da steht man dann als Katholik etwas beschämt in der Ecke und hat den Eindruck, man habe irgendwas nicht mitbekommen."
Der Papst als Sprecher für alle Christen
Auf der anderen Seite aber sei er froh, "dass es insbesondere doch auch eine ganze Reihe von starken ökumenischen Akzenten in diesem 2017er Jahr gegeben hat". Positiv wertete der in Bochum lehrende Neutestamentler auch, "dass es sowohl auf evangelischer Seite nicht wie früher bei den Jubiläen antikatholische Pointen gegeben hat, und dass auf katholischer Seite eben halt doch auch eine gewisse Neugier gewachsen ist."
In der aktuellen Situation der Kirchen, so Söding weiter, brauche die katholische Kirche "eine größere Pluralismus-Fähigkeit. Sie muss anerkennen, dass auch in anderen kirchlichen Formen authentisches Christsein gelebt ist." Aber nicht nur die katholische Kirche müsse sich verändern, wenn Ökumene nicht nur den Status quo fixieren wolle. "Was ich denke, ist schon, dass die evangelische Seite sich heute mal klarwerden muss, welche Kraft es hat, dass die katholische Kirche einen Papst hat, dass sie einen Sprecher hat für alle Christen." Und dieser sei derzeit "einer der wenigen Sprecher überhaupt für Menschlichkeit, für Ethik".
Gemeinsam, so der Theologe, müssten Katholiken und Protestanten der Welt zeigen, "dass Religion nicht den Hass schürt, wie das leider Gottes oft genug passiert, wie das ja auch in der Geschichte der christlichen Kirchen der Fall gewesen ist". Die Religion habe doch oft als Brandbeschleuniger gewirkt. "Dass man für Gott brennen kann, ohne dass man andere verbrennt, das wäre so eine Lehre aus der Geschichte", betonte er. Alle Christen müssten zudem klarmachen, dass die Bindung an Gott, für die der Glaube stehe, "menschliche Freiheit nicht beschränkt, sondern dass der menschliche Freiheit ermöglicht".
Das Reformationsgedenkjahr muss laut Söding aber auch ganz praktische Konsequenzen haben. "Es muss jetzt was passieren, es muss von katholischer Seite her auch Bewegung geschaffen werden." Beispielsweise denke er an gemischt-konfessionelle Ehepaare: "Dass die jetzt dauerhaft von der Eucharistie ausgeschlossen werden können, das leuchtet mir nicht ein. Also, an der Stelle muss auf jeden Fall etwas passieren. Und das kann nur der erste Schritt sein."
Abendmahlsgemeinschaft nicht isoliert betrachten
Auch Papst Franziskus hatte in letzter Zeit mehrfach ermutigt, nach Wegen zu suchen, Menschen in konfessionsverbindenden Ehen Zugänge zum gemeinsamen Abendmahl zu erleichtern. Die Deutsche Bischofskonferenz diskutiert schon länger über ein konkretes Papier zu diesem Thema.
Was im letzten Jahr in den Gemeinden vor Ort angestoßen worden sei, werde ebenfalls weitergehen, betonte der Theologe: "Das sind jetzt nicht gleich spektakulärste Veränderungen. Aber beispielsweise muss eben halt das Gespräch intensiviert werden darüber, wie man sich Einheit der Kirche in Zukunft eigentlich vorstellen kann." Dabei dürfe es auch nicht immer nur um "Alles oder Nichts" gehen. Ebenso dürfe man auch das schwierige Ziel der Abendmahlsgemeinschaft nicht isoliert betrachten. (bod/KNA)