Der Papst liebt das Risiko des Interviews
Der Papst hat das Geheimnis gelüftet, warum er Interviews und die freie Rede in Pressekonferenzen schätzt. Es sei ein Teil seiner Sehnsucht nach einer katholischen Kirche, die wisse, wie sie in den Dialog mit den Menschen von heute trete, schreibt Franziskus im Vorwort zu einem neuen Buch, das die Zeitung "La Repubblica" am Dienstag in Teilen abdruckte. Zwar bärgen Interviews die Gefahr, missverstanden zu werden, aber er gehe dieses "pastorale Risiko" gerne ein, um direkt mit den Menschen zu kommunizieren, so der Papst.
Eine Kirche des Dialogs sei die "Kirche von Emmaus", schreibt er mit Bezug auf die Stelle aus dem Lukas-Evangelium, in der zwei über den Tod Jesu traurige Jünger nach Emmaus gehen, als der Auferstandene unerkannt hinzukommt und Fragen stellt. In dieser Stelle "interviewe" Jesus die Jünger, die mutlos unterwegs seien, so Franziskus. "Ich wünsche mir eine Kirche, die weiß, wie sie sich in die Gespräche der Menschen einbringen kann." Interviews könnten einen pastoralen Wert haben, ähnlich wie die täglichen Predigten, die er morgens in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta halte.
Gebet vor den Fragen der Journalisten
Franziskus gesteht aber auch, dass er früher als Erzbischof keine Interviews gegeben hat: "In Buenos Aires hatte ich etwas Angst vor den Journalisten; ich dachte sie könnten mich in Schwierigkeiten bringen." Bei den Pressekonferenzen im Flugzeug während seiner Auslandsreisen bete er zum Heiligen Geist, bevor er sich die Fragen anhöre und antworte. Er möge es, in die Augen der fragenden Person zu sehen und ehrlich zu antworten. Journalisten, besonders von "kleinen Zeitungen", stellten häufig Fragen, aus denen er die Sorgen der gewöhnlichen Leute hören könne, so der Papst. Auch versuche er, eine einfache und verständliche Sprache zu gebrauchen. "Für mich sind Interviews ein Dialog und keine Vorlesung", schreibt er und fügt hinzu: "Deshalb bereite ich mich nicht auf sie vor."
In Italien erscheint am Donnerstag ein Sammelband mit den Interviews und öffentlichen Dialogveranstaltungen, die Papst Franziskus seit seiner Wahl gegeben hat. Das Buch mit dem Titel "Adesso fate le vostre domande" ("Nun stellt eure Fragen") wird von Antonio Spadaro herausgegeben, dem Jesuiten, der im September 2013 das erste große Interview mit dem damals neuen Papst geführt hatte. Eine erste Anfrage Spadaros kurz nach dem Konklave hatte Franziskus zunächst abgelehnt. (luk)