SAT.1 hat die mit "Hochzeit auf den ersten Blick" eine neue Kuppelshow gestartet

Ja ohne Aber?

Veröffentlicht am 17.11.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 5 MINUTEN
Fernsehen

Bonn ‐ Sat.1 ist wie Gott! Wie bitte? Sie halten das für eine etwas gewagte These? Menschen wie ich, die das 'größte Liebesexperiment, das es jemals gab', gestern auf ihrem Fernsehschirm verfolgen durften, sehen das nach zwei nur durch Werbung unterbrochenen Stunden jetzt womöglich anders. Zumindest in puncto Allmächtigkeit ist der Privatsender, dem die Fernsehkultur solche Perlen wie 'Das verrückte Körperquiz' oder die Abspeckshow 'The biggest Loser' verdankt, gegenwärtig dabei, dem christlichen Herrn im Himmel ernsthaft Konkurrenz zu machen.

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Unter dem Titel 'Hochzeit auf den ersten Blick' präsentiert er uns ab sofort - und natürlich 'erstmals im deutschen Fernsehen' – 'Blind Dates im Standesamt'. Dabei sollen sich aus einer Gruppe von ursprünglich 68 Kandidatinnen und Kandidaten jeweils zwei Menschen das Ja-Wort geben, ohne sich vorher je gesehen zu haben.

Wohnpsychologie und DNA

Dafür, dass das nicht umgehend in einer Katastrophe endet, sorgt nach Sat.1 der Rechenstift der Wissenschaft: Sämtliche Aspiranten auf das große Glück haben einen ausgeklügelten Testparcours zu durchlaufen, bei dem es um Wohnpsychologie ebenso geht wie um die persönliche DNA. An seinem Ende – so ist man im Sender mit dem bunten Ball überzeugt - mag deshalb getrost die Regel gelten: Was Sat.1 zusammengefügt hat, das soll der liebe Gott nicht trennen!

Ein Brautpaar küsst sich
Bild: ©SAT.1/Christoph Kassette

Heirateten, ohne sich vorher zu kennen: Die 32-jährige Bea Bäcker und der 31-jährige Tim Kirschbaum bei der Sat.1-Show "Hochzeit auf den ersten Blick".

Heiße, von der Liebe entflammte Herzen? Für die 'Hochzeit auf den ersten Blick' sind sie eher hinderlich. Wenn Bea und Tim sich in der ersten Folge dieser Serie ihr mehr oder weniger finales Ja-Wort geben, ist das nicht der Höhepunkt einer emotionalen Entwicklung, es ist der Schlussstrich unter eine kühle Kalkulation. Die Sache, dass zwei Menschen blind miteinander eine Ehe eingehen, ist allerdings auch nicht ganz neu.

Auch zu Adam und Eva gab es keine Alternative

War es doch der Weltenschöpfer persönlich, der einst ebenfalls ein Paar namens Adam und Eva in eine Verbindung schickte, zu der es keine Alternative gab. Eine Wahlmöglichkeit war beim allerersten Dating der Weltgeschichte nicht einmal im Ansatz vorhanden. Die beiden in jeder Beziehung unschuldigen Paradiesbewohner waren ganz einfach füreinander bestimmt worden. Vom Allerhöchsten persönlich.

Auch Sat.1 kuppelt, ohne die Betroffenen zu fragen. Im Paradies von Unterföhring hat heute allerdings eine Gruppe von Experten die Schöpferrolle übernommen. Verwundert reibt man sich die Augen, dass zu ihr auch ein evangelisch-freikirchlicher Pastor namens Martin Dreyer gehört, der arrangierte Ehen für ein weithin unterschätztes Erfolgsmodell hält. Der 48-jährige Gründer der 'Jesus Freaks' hat indes hehre Ziele, wenn er Sat.1 und dessen Hochzeitskandidaten theologisch-seelisch beratend an die Seite tritt: "Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir diese Menschen immer im Blick haben, dass wir sie schützen und dass sie an diesem Experiment gewinnen, dazulernen und sich selbst besser kennen lernen."

Füreinander geschaffen - zumindest aus wissenschaftlicher Sicht

Offensichtlich will er nur das Beste, dieser unkonventionelle Mann Gottes. Aber, so mag man grübeln, wäre die zwischenmenschliche Gewinnchance für die Eheaspiranten nicht größer, wenn ein Fernsehsender sie nicht zwingen würde, gefühlsmäßig von einem Zehn-Meter-Turm zu springen, wie es ein angehender Bräutigam formulierte?

Gewiss, Sat.1 meint, das Becken unter dem Turm der Emotionen nicht zuletzt dank Martin Dreyers Beistand ausreichend gefüllt zu haben. Man führe, so ist man sich sicher, schließlich nur Menschen zusammen, die "wissenschaftlich gesehen füreinander geschaffen sind".

So vollmundig würde wohl kein Pastor am Traualtar mehr formulieren. 'Füreinander geschaffen'? Ein Mann wie der anerkannt lebenskluge Pater Anselm Grün hält eine solche Zusicherung für ein unerfüllbares Versprechen: "Die Ehe entspringt eben nicht nur dem menschlichen Willen, sondern verweist als Sakrament auf die Gnade Gottes, aus der allein ein Miteinander auf Dauer möglich wird." Selbst Menschen, die es im theologischen Ton gern eine Nummer kleiner hätten, werden ihm vermutlich recht geben: Die Ehe ist ein Bund, der – nach Möglichkeit – fürs Leben geschlossen wird, nicht für die Wissenschaft, und schon gar nicht für das Fernsehen!

In Dänemark alle Paare wieder getrennt

Auch ein kritischer Blick zurück könnte diese Ansicht bestätigen. In Bezug auf die Langlebigkeit ihrer Beziehung liegen die biblischen Vorbilder nämlich eindeutig weit vor ihren neuzeitlichen Epigonen. Adam und Eva blieben trotz überraschender Zwangsräumung samt Flammenschwert und trotz massiver Probleme mit ihren Söhnen Zeit ihres Lebens zusammen, dem Vernehmen nach knapp tausend Jahre. Bei 'Married at first sight', dem dänischen Vorbild für die Sat.1-Kuppelshow, lag die Erfolgsquote weit niedriger: Alle Paare haben sich inzwischen wieder getrennt.

Sat.1 ist wie Gott? Vielleicht ist die Sache doch nicht so einfach…

Von Uwe Bork

Zur Person

Uwe Bork ist Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks (SWR).

Hintergrund: Kirchen kritisieren Kuppelshow

Vertreter aus Politik und Kirche - darunter auch Ex-Landesbischöfin Margot Käßmann - kritisieren die neue Sat.1-Kuppelshow "Hochzeit auf den ersten Blick". Käßmann bemängelt das Konzept der Show, die an diesem Sonntagsabend zum ersten Mal ausgestrahlt wurde: "Die Zeiten des Verkuppelns sind vorbei." Die Ehe sei "definitiv kein Spaß für eine kurze Fernsehunterhaltung"; die Beteiligten wüssten nicht, "ob sie sich im wahrsten Sinne des Wortes überhaupt riechen können". Käßmann hatte sich 2007 als erste Bischöfin scheiden lassen und dies öffentlich mitgeteilt. Die "Bild am Sonntag" zitierte den Sprecher der deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp: Die Ehe solle "nicht allein aus einer spontanen und flüchtigen Emotion heraus eingegangen werden", so Kopp laut dem Blatt. Ähnlich kritisch äußerte sich Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, zu der Kuppelshow: "Ich halte davon nichts und hoffe, dass diese Sendung bald wieder vom Markt verschwindet. Das widerspricht unserem Gedanken von der Ehe." Diese solle aus gegenseitiger Zuneigung entstehen und sei Keimzelle der Gesellschaft. (KNA/dpa)