Kardinal mit Ecken und Kanten
Zu Beginn seiner Kardinalszeit stolperte das französische Präsidialamt über den ungewöhnlichen Namen des Pariser Erzbischofs Andre Vingt-Trois - übersetzt "Andreas Dreiundzwanzig". Es schrieb ihn in einem Videoclip in römischen Ziffern: "Kardinal XXIII". Doch nach diesem ersten Stolperstein gab es keine Probleme mehr. Vingt-Trois ist ein Kind der französischen Hauptstadt. Am Dienstag feiert er seinen 75. Geburtstag.
Militärdienst in Deutschland
1942 in Paris geboren, besuchte Vingt-Trois dort auch die Schule und später das Priesterseminar. Anschließend leistete er seinen Militärdienst in Deutschland und wurde 1969 zum Priester geweiht. Er arbeitete in Pariser Pfarreien und in den Vororten, war Kaplan, Generalvikar und Weihbischof - immer in Paris.
Als Weihbischof wirkte Vingt-Trois an jenem kirchlichen Erneuerungsprozess mit, der 1997 in den Erfolg des Weltjugendtages in Paris mündete. Vingt-Trois war der Überzeugung, dass die Kirche in der vom Laizitätsprinzip und von zunehmender Säkularisierung geprägten Gesellschaft Frankreichs nicht "a part", im Abseits, bleiben dürfe, sondern versuchen müsse, im Dialog mit Nichtglaubenden und Zweifelnden zu überzeugen.
Nach sechs Jahren als Erzbischof von Tours übertrug ihm Papst Johannes Paul II. (1978-2005) als eine seiner letzten Amtshandlungen 2005 den Bischofsstuhl von Paris - einen der bedeutendsten der katholischen Weltkirche, in einer Liga mit Köln, Mailand oder Mexiko-Stadt, New York oder Wien.
Vingt-Trois trat die Nachfolge von Kardinal Jean-Marie Lustiger (1926-2007) an, als dessen Ziehsohn er galt. Er hatte Lustiger bereits in seinen Kaplansjahren kennengelernt, als er in dessen Pariser Pfarrei tätig war. Lange Zeit wurde Vingt-Trois von französischen Medien als Lustigers "rechte Hand" beschrieben. Nach dessen Tod sagte er, er habe "einen Vater, einen Bruder und einen Freund" verloren". 2007 wurde er selbst von Papst Benedikt XVI. in den Kardinalsstand erhoben.
Vingt-Trois, der auch Bischof der in Frankreich lebenden Katholiken der Ostkirchen ist und der von 2007 bis 2013 der Französischen Bischofskonferenz vorstand, ist ein Mann klarer Worte. Seine Ironie kommt nicht überall gut an, und sein entschiedenes Auftreten machte ihm nicht nur Freunde. Ungeschminkt, aber überlegt nimmt er immer wieder Stellung zu politischen Fragen: etwa zu Embryonenforschung, Abtreibung oder zur Asylpolitik.
Sein besonderes Arbeitsfeld ist die Familie. Er verfasste mehrere Bücher zum Thema. So protestierte er heftig gegen die Einführung der "Homo-Ehe" unter Staatspräsident Francois Hollande, gegen Leihmutterschaft und aktive Sterbehilfe. 1995 wurde er in den Päpstlichen Familienrat berufen.
Als 2016 mehrere Missbrauchsskandale in der französischen Kirche ans Licht kamen, bekannte Vingt-Trois, die Kirche habe den Opfern nicht gut genug zugehört und sie nicht mit dem notwendigen Mitgefühl begleitet. Die Pariser Terroranschläge vom November 2015 wertete der Kardial als Angriff auf die Werte, für die er stehe. Frankreich müsse sich die Frage stellen, wie sich junge Menschen so entwickeln könnten, dass sie dem Fanatismus erliegen. Sozialer Ausschluss und Schwierigkeiten bei der Integration spielten eine zentrale Rolle.
Nach der Ermordung des Priesters Jacques Hamel durch islamistische Fanatiker im Juli 2016 mahnte Vingt-Trois zu Zusammenhalt und Besonnenheit. "Die Falle, der wir uns nun ausgesetzt sehen, besteht gerade darin, dass wir aufeinander losgehen und den falschen Gegner ins Visier nehmen", sagte er. Ziel solcher Gewaltakte sei, Hass zu schüren und Gewalt zu banalisieren. Es gebe keine Antwort und keine rationalen Erklärungen für diese barbarischen Taten - nur das feste Vertrauen auf eine Zukunft, in der Frieden und Respekt herrschen.
Langwierige Nervenentzündung
Im Februar 2017 wurde Vingt-Trois mit einer langwierigen Nervenentzündung, dem Guillain-Barre-Syndrom (GBS), ins Krankenhaus eingeliefert. Nach einer längeren Erholungsphase nimmt er seit Sommer wieder Termine wahr. Er kündigte aber bereits an, mit Erreichen der Altersgrenze als Pariser Erzbischof zurücktreten zu wollen. Seinen Amtsverzicht hat er Papst Franziskus angeboten.