Andrea di Montezemolo im Alter von 92 Jahren verstorben

Der Kardinal, der für alles gewappnet war

Veröffentlicht am 20.11.2017 um 12:47 Uhr – Lesedauer: 
Todesfälle

Vatikanstadt ‐ Mit Andrea di Montezemolo ist einer der außergewöhnlichsten Kardinäle gestorben: Er kämpfte gegen die deutschen Besatzer, war der erste Vatikan-Botschafter in Israel und Fachmann für Wappen.

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Andrea Cordero Lanza di Montezemolo hatte nicht nur einen der klangvollsten Namen, er war auch eine der außergewöhnlichsten Erscheinungen im Kardinalskollegium: Der am Sonntag im Alter von 92 Jahren verstorbene italienische Kardinal kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Freiwilliger gegen die deutschen Besatzer, arbeitete für einen der berühmtesten italienischen Architekten, war erster vatikanischer Botschafter in Israel und galt als die Kapazität schlechthin der kirchlichen Wappenkunde.

In seinen letzten Lebensjahren hatte sich Montezemolo ganz seiner großen Leidenschaft gewidmet, den kirchlichen Wappen. Kardinäle und Bischöfe, die Wert auf ein stilechtes Wappen legten, wandten sich an ihn, der als Adeliger von Geburt an ein eigenes Wappen besaß. Auch Benedikt XVI. suchte Montezemolos Rat, als es darum ging, wie man Freisinger Mohr, Jakobsmuschel und Korbinians-Bär verbinden kann. Nach seinem Rücktritt schlug Montezemolo ihm 2013 vor, sein bisheriges Wappen zusätzlich mit einer Bordüre zu versehen. Doch Benedikt XVI. lehnte ab: Alles sollte beim Alten bleiben. Montezemolo selbst schilderte diese Episode in seinem 2014 erschienenen "Handbuch der kirchlichen Heraldik". Insgesamt sah er die Entwicklung der kirchlichen Wappen mit Sorge. Immer mehr Bischöfe könnten ein Wappen nicht mehr von einem Logo unterscheiden, beklagte er 2014. "Dann sollte man es lieber lassen", lautete sein Rat damals.

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Im Hauptberuf war Montezemolo jedoch Diplomat des Heiligen Stuhls. Hier brachte er es bis zum prestigeträchtigsten Posten, den der Vatikan zu vergeben hat: Von 1998 bis 2001 war er Botschafter in Italien. Aufgrund der geografischen Insellage des Vatikanstaats sind die Beziehungen zu Italien traditionell besonders eng und umfangreich. Zuvor war Montezemolo an einem der größten Erfolge der vatikanischen Diplomatie in der Nachkriegszeit beteiligt: Er gehörte zur Delegation, die das 1993 unterzeichnete Grundlagenabkommen mit Israel aushandelte, das im folgenden Jahr zur Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen führte. Montezemolo wurde erster vatikanischer Botschafter in Israel. Papst Johannes Paul II. begrüßte ihn einmal mit den Worten "Unser historischer Nuntius". Nach seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst machte ihn Benedikt XVI. 2005 zum ersten Erzpriester von Sankt Paul vor den Mauern, einer Art Schirmherr über diese bedeutende Kirche. 2006 wurde er zum Kardinal ernannt.

Montezemolo folgte dem Beispiel seines Vaters und wurde Widerstandskämpfer

Der Name Montezemolo ist nicht zuletzt auch mit einem der dunkelsten Kapitel der deutsch-italienischen Geschichte verbunden. Der Offizier Giuseppe Cordero Lanza del Montezemolo, Vater des Kardinals, gehörte zu den 335 Italienern, die am 24. März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen in Rom von den deutschen Besatzern erschossen wurden. Das schlimmste NS- Massaker auf italienischem Boden ist ein Inbegriff der deutschen Terrorherrschaft während des Zweiten Weltkriegs. Als Benedikt XVI. die heutige Gedenkstätte 2011 besuchte, wurde er von Kardinal Montezemolo begleitet. Franziskus konnte er vor drei Wochen aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands nicht mehr dorthin begleiten. Auch der Kardinal hatte sich als junger Mann vor den Nazis im ukrainischen Priesterseminar in Rom verstecken müssen. Er war dem Vorbild seines Vaters gefolgt und hatte sich freiwillig gemeldet, um gegen die deutschen Besatzer zu kämpfen.

Der am 27. August 1925 in Turin geborene Spross eines piemontesischen Adelsgeschlechts war ein "Spätberufener". Nach dem Krieg studierte Montezemolo zunächst in Rom Architektur. Nach seinem Diplom arbeitete er unter anderem für einen der berühmtesten italienischen Architekten des 20. Jahrhunderts: Pierluigi Nervi. Bekannt ist Nervi für seine spektakulären Konstruktionen von Kuppeln, Dächern und Gewölben sowie seine Vorliebe für Beton. Im Vatikan hat er sich mit der Audienzhalle ein Denkmal gesetzt. Montezemolos architektonische Expertise zeigte sich später an mehreren Umbauten, die er an päpstlichen Botschaftsgebäuden vornehmen ließ.

Linktipp: Die Wappen der deutschen Bischöfe

Sie sind vielfältig wie die kirchliche Landschaft selbst: Die Wappen der deutschen Bischöfe. Jeder Bischof hat ein eigenes Wappen, das meist Bezüge zur Geschichte und Geografie des Bistums sowie zu biografischen Daten des Bischofs aufweist. Katholisch.de stellt die Wappen vor.

Montezemolo hingegen entdeckte seine Vorliebe für die geistliche Laufbahn und studierte parallel zu seiner Tätigkeit als Assistent am Lehrstuhl für Konstruktionstechnik in Rom Philosophie und Theologie. Auch nach seiner Priesterweihe 1954 arbeitete er zunächst noch fünf Jahre als Assistent an der Fakultät für Architektur weiter. Erst nachdem er die zweijährige Ausbildung zum Diplomaten des Heiligen Stuhls abgeschlossen hatte, wechselte er ganz in die geistliche Laufbahn und trat in den diplomatischen Dienst ein. Erste Stationen waren die vatikanischen Botschaften in Mexiko, Japan, Kenia und das vatikanische Staatsekretariat. Dann wurde er Untersekretär und Sekretär der päpstlichen Kommission "Iustitia et pax". Es folgten Einsätze in Lateinamerika und Papua-Neuguinea.

Der verstorbene Kirchendiplomat gehörte nicht zuletzt zu den wenigen noch verbliebenen Adeligen im heutigen Kardinalskollegium. Seine Familie war im Spätmittelalter aus Spanien ins norditalienische Piemont eingewandert. Bekannt ist der Name Montezemolo heute jedoch vor allem durch schnelle Autos: Luca Cordero del Montezemolo, ein entfernter Verwandten des Kardinals, stand bis 2014 an der Spitze des Sportwagenherstellers Ferrari. Der verstorbene Geistliche war ein Cousin von Lucas Vater. Zumindest unter kirchlichen Würdenträgern wird der Name Montezemolo jedoch stets mit Wappen und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel in Verbindung gebracht werden.

Von Thomas Jansen