Erzbischof von Paris zur Debatte um Eintrittsgebühr für seine Kathedrale

Notre Dame: Freier Eintritt statt "Touri-Test"

Veröffentlicht am 21.11.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Frankreich

Bonn ‐ Für die dringend nötige Sanierung von Notre Dame in Paris fehlen über 100 Millionen Euro. Müssen Besucher daher demnächst Eintritt zahlen? Die Bischöfe sind dagegen. Auch aus Gründen der Laizität.

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Die weltberühmte Kathedrale Notre Dame in Paris bröckelt. Am Pariser Wahrzeichen offenbart sich ein allgemeines Geldproblem der Kirche in Frankreich. Um den stark sanierungsbedürftigen Sandsteinbau zu retten, fehlen über 100 Millionen Euro. Eine denkbare Geldquelle hat der zuständige Erzbischof, Kardinal André Vingt-Trois, nun ausgeschlagen: Eintrittsgebühren für die Kirchenbesucher. "Das ist ein reiner Medienhype", sagte er laut einer Vorabmeldung in einem Interview mit dem Magazin "Famille Chrétienne", das an diesem Donnerstag erscheinen soll.

TV-Moderator stößt Debatte um Eintrittsgelder an

Angestoßen hatte die Debatte der bekannte französische TV-Moderator Stéphane Bern. In einem Interview mit der Zeitung "Le Parisien" erklärte er Mitte November, dass für den Eintritt in französische Bischofskirchen "dringend" Gebühren erhoben werden müssten. Frankreich sei "das einzige Land, in dem der Eintritt gratis ist", sagte Bern. Zum Wohle der der historischen Bauwerke müsse sich das ändern.

Der als Adels- und Geschichtsexperte bekannte Bern ist seit September vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron beauftragt, eine Liste mit gefährdeten Baudenkmälern zu erstellen. Auf dieser dürften sich am Ende auch zahlreiche Kirchen finden, darunter die weltberühmte "Notre-Dame de Paris": Jahrhundertelang setzten Umwelteinflüsse dem Gotteshaus stark zu. Derzeit wird das Gebäude zwar mehr oder weniger instand gehalten, doch zu einer umfassenden Sanierung fehlen dutzende Millionen Euro. Während die Kirche in Frankreich dabei jedoch auf freiwillige Spenden setzt, plädierte Bern nun für allgemeine Eintrittsgelder.

Kardinal André Vingt-Trois ist Erzbischof von Paris.
Bild: ©dpa/Pascal Deloche

Kardinal André Vingt-Trois ist Erzbischof von Paris.

Ein Vorbild sieht der Journalist in Großbritannien: "In London ist der Eintritt zur Westminster Abbey auf 24 Euro festgelegt", erklärte Bern. Ähnlich der Hausbasilika des britischen Königshauses steht dabei auch Notre Dame unter staatlicher Obhut. Mit der gesetzlichen Einführung der strikten Trennung von Staat und Kirche in Frankreich im Jahr 1905 gingen alle Kirchen des Landes, darunter etwa 90 Bischofskirchen, in staatlichen Besitz über.

Notre Dame benötigt zusätzliche fünf Millionen Euro pro Jahr

Doch für den wird das mitunter zur Herausforderung, gab Bern zu bedenken. Die Kommunen hätten dabei oft schwerwiegende Entscheidungen zu fällen. "Sollen sie mit dem Geld ihre Kirche retten oder eine Kläranlage betreiben?" Gerade in kleineren Kommunen laute die Antwort häufig: "Nicht die Kirche." Zugleich gab der Journalist zu bedenken, dass solche Probleme längst auch in Großstädten an der Tagesordnung seien. "Eine Stadt wie Paris hat nicht mehr die Mittel, ihr großes religiöses Erbe zu unterhalten", warnte Bern.

Und tatsächlich hält sich der öffentliche Beitrag zum Erhalt von Notre Dame in Grenzen. Nur etwa zwei Millionen Euro jährlich stammen aus staatlichen Kassen. Zusammen mit Spenden, Kollekten und Einnahmen etwa aus dem Devotionalienverkauf komme die Kathedrale auf einen Jahresetat von etwa sechs Millionen Euro, erklärte André Finot, der Sprecher der Kathedrale, gegenüber der Zeitung "20 Minutes". Davon müssten neben der Instandhaltung des Gebäudes jedoch auch Gehälter für 67 Mitarbeiter und täglich 800 Euro Heizkosten bezahlt werden. Für eine umfassende Sanierung der Bausubstanz benötige die Kathedrale laut Finot in den nächsten Jahrzehnten zusätzliche fünf Millionen Euro pro Jahr.

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Frankreich ist in ethischen Fragen gespalten wie nie. Während die Regierung neue Gesetze vorlegt, gehen Zehntausende auf die Straße, um für ihr Bild von Familie und Leben zu demonstrieren. Der Chefredakteur der christlichen Wochenzeitung "La Vie" spricht darüber. (Interview vom Februar 2014)

Der Kölner Dom verzeichnete im Vergleich dazu im Jahr mehr als doppelt so hohe Einnahmen von mehr als 13 Millionen Euro. Umgekehrt gehört Notre Dame zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Europas und zieht mit über zwölf Millionen Besuchern jedes Jahr zweimal so viele Gäste an wie ihr Gegenpart am Rhein. Und diese Zahl will Bern nun in bares Geld umsetzen. Kathedralsprecher Finot hielt unmittelbar dagegen, dass zehn Euro Eintritt bei zehn Millionen Besuchern nicht zugleich auch zehn Millionen Euro Gewinn bedeuten würden. Zugleich hätten andere große Kathedralen wie etwa in Chartres oder Straßburg ein deutlich geringeres Besucheraufkommen.

"Freier Zugang zum christlichen Glauben"

Ein juristisches Argument setzte die französische Bischofskonferenz dem Vorschlag Berns entgegen. Das Laizitätsgesetz von 1905, das die Besitzverhältnisse der Gotteshäuser regelt, sagt eindeutig: "Der Besuch der Gebäude (…) ist öffentlich; es dürfen keinerlei Steuern oder Gebühren erhoben werden". Den Bischöfen ist diese Regel sehr willkommen, schließlich seien die Kirchen "Orte des Ausdrucks eines gelebten Glaubens und keine Museen". Freier Zutritt zu diesen Stätten bedeute zugleich "freien Zugang zum christlichen Glauben".

Doch was ist mit jenen Besuchern, die sich zwar für die touristische Attraktion erwärmen, die der Glaube aber kalt lässt? Nachdem seine Idee der allgemeinen Eintrittsgelder bereits für Debatten sorgte, hatte Bern diese Unterscheidung nachgeschoben: Zahlen müssten nur waschechte Touristen, die Gläubigen dürften selbstverständlich kostenfrei zum Gottesdienst kommen.

"Ich vermute, dass er nie wirklich beobachtet hat, wer Notre Dame betritt und auf welche Weise", kritisierte der Pariser Erzbischof Vingt-Trois. Skeptisch sei er zudem, wie die Unterscheidung zwischen Gläubigen und Touristen vonstatten gehen solle: "Wir haben Metalldetektoren und Wächter, die sicherstellen sollen, dass die Menschen keine Waffen mit sich tragen, aber wir haben noch keine Motivationsdetektoren!" Man könne schlicht nicht sagen, "der ist ein reiner Tourist und muss zahlen und der ist ein hundertprozentiger Christ und darf gratis herein". Statt auf das britische Vorbild setzt Vingt-Trois zum Unterhalt seiner Bischofskirche daher auf das US-Charitywesen: Ende August startete der Kardinal eine Spendenkampagne, die vor allem auf das Wohlwollen potenter Amerikaner abzielt.

Von Kilian Martin