Schavan: Papst überfordert nicht, sondern ermutigt
Nach Ansicht der deutschen Vatikanbotschafterin Annette Schavan überfordert der Papst mit seinen Appellen zur Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen die Menschen nicht, sondern ermutigt sie. In einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte sie am Dienstag: "Der Papst ist kein Fantast, er macht sich keine Illusionen. Er weiß, wie anspruchsvoll Integration in jeder Gesellschaft ist."
Allerdings erinnere er daran, dass Schwierigkeiten niemals als Ausrede dafür dienen dürften, sich aus der Verantwortung zu ziehen, so Schavan. Mit dem Schicksal der Flüchtlinge und dem Umgang mit ihnen sei der Kern der christlichen Botschaft angesprochen. Insgesamt erlebe sie die Amtsführung von Franziskus "als immer wiederkehrenden Aufruf zur Erneuerung". Er führe der Welt vor: "Ihr habt mehr Potenzial, als ihr denkt." Das gelte für sowohl für die Kirche als auch für die Politik.
Franziskus erinnert Schavan an Papst Johannes XXIII.
Vorwürfe einiger konservativer Katholiken, der Papst weiche die katholische Lehre auf, kann Schavan nicht nachvollziehen. Auch die Wahrnehmung, dass der amtierende Papst alles anders mache als seine Vorgänger, könne sie nicht teilen. Das sei eher ein Vorwurf, der nach der Frage klinge "Passt der eigentlich zu uns?".
Franziskus erinnere sie in vielem an Papst Johannes XXIII., der die Unheilspropheten und all jene kritisiert habe, die meinten, es sei schon alles gesagt. Auch der jetzige Papst warne immer vor der Gefahr, dass die christlichen Ideen "die Menschen nicht mehr erreichen und nicht mehr verändern können". Wörtlich ergänzte Schavan: "Papst Franziskus möchte, dass seine Kirche in der Gegenwart ankommt und Verantwortung übernimmt."
Die frühere Landes- und Bundesministerin Annette Schavan (CDU) ist seit Juli 2014 Deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Ihre Amtszeit wird nach eigener Aussage im Sommer nächsten Jahres zu Ende gehen. Das Vorhaben, im Anschluss den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung zu übernehmen, ist kürzlich gescheitert. Diese Aufgabe soll nach Medienberichten der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert übernehmen. (bod/KNA)