Wenn man sich trennen muss
"Manchmal tut es wirklich weh, einen solchen Menschen zu verlieren." Benediktinerbruder Abraham Sauer klingt nachdenklich. "Dann denkt man daran, dass er nicht mehr mit einer Frage ins Büro kommen oder die Messe mitfeiern wird." Gemeinsam mit fünf Mitbrüdern betreut er zurzeit 37 Flüchtlinge, die in der Abtei Münsterschwarzach untergekommen sind. Ein Projekt, das seit Dezember 2014 läuft: In diesen drei Jahren haben die Benediktiner und 19 Ehrenamtliche viele geflüchtete Männer aus den unterschiedlichsten Ländern aufgenommen, aber viele davon auch wieder ziehen lassen müssen. Aus den unterschiedlichsten Gründen: Etwa, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde, sie mehr oder weniger freiwillig in ihr Heimatland zurückreisten, oder auch, weil sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen und eine andere Unterkunft gefunden hatten.
"Wenn jemand geht, tun wir uns schwer", sagt Bruder Abraham. "Wir haben sehr guten Kontakt zu jedem einzelnen und kennen jede Geschichte." Gerade bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen oder jenen, die längere Zeit in der Abtei gelebt hätten, sei die Anteilnahme hoch. "Das ist ein bisschen wie bei Kindern, die man ins Leben entlässt", meint der Benediktiner.
Mit dieser Situation müssen sich viele Flüchtlingshelfer in Deutschland früher oder später auseinandersetzen. Damit dieser Schritt besser zu bewältigen ist, hat das Erzbistum Paderborn eine "Handreichung für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit im Kontext von Trennung" herausgegeben. Das Thema ist bewusst weiter gefasst, denn die Broschüre mit dem Titel "Jeder Abschied ist schwer…" soll nicht nur eine Hilfestellung beim Loslassen sein. Sie soll auch darüber informieren, wie Helfer für sich selbst sorgen können, um sich nicht zu verausgaben. Dafür sah das Erzbistum akuten Bedarf. "Wir haben festgestellt, dass sich immer mehr Ehrenamtliche überfordert fühlen", berichtet Marie-Luise Tigges. Sie ist Leiterin des Referats Integration und Migration des Paderborner Diözesan-Caritasverbandes und gehört zum Redaktionsteam der Handreichung.
Manche Helfer sind nah am Burnout
Die Überlastung der Helfer erklärt Tigges damit, dass es zum einen neue Herausforderungen in der Flüchtlingsarbeit gebe. "Am Anfang ging es sozusagen um Bett und Brot, also darum, die Menschen erst einmal unterzubringen. Jetzt geht es um Jobperspektiven, also etwas Langfristiges, mit dem aber auch viel Frust verbunden ist." Zum anderen kehrten immer mehr Menschen in ihr Heimatland zurück, etwa, weil sie keine Perspektive sähen, oder würden abgeschoben. "Dann denken manche Ehrenamtliche: 'Ich habe jetzt so viel gemacht und alles war umsonst'", erklärt Tigges. Damit müssten die Helfer selbst klarkommen.
Ebenso sei die jahrelange Arbeit mit traumatisierten Menschen für manche Helfer belastend. Andere wiederum seien "überengagiert", übernähmen sich in ihrem Wunsch, zu helfen, und verlören sich selbst aus dem Blick. "Es gibt einzelne, die nah am Burnout sind", berichtet Tigges. Daher müssten Ehrenamtliche lernen, für sich selbst zu sorgen und "Psychohygiene" zu machen: "Wenn ich auf mich gut achte, dann kann ich anderen gut helfen, aber wenn ich das nicht mache, kann ich mich auch nicht gut um andere kümmern", fasst es Tigges zusammen. Ein Beitrag dazu will die Handreichung leisten: Auf den 24 Seiten gibt sie viele praktische Tipps, die die Helfer direkt anwenden können. Aber auch Kontaktadressen und Literaturhinweise sind aufgeführt.
Die Broschüre
Die Handreichung kann auf der Internetseite der Flüchtlingshilfe heruntergeladen oder kostenlos beim Sekretariat des Flüchtlingsbeauftragten bestellt werden. Herausgeber der Broschüre ist Domkapitular Thomas Witt, Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn. Autorin ist die psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin Irmgard Weishaupt.In der Abtei Münsterschwarzach habe keiner seiner Mitbrüder oder der Ehrenamtlichen bisher einen Burnout erlitten, obwohl auch sie lange Zeit mit den meist traumatisierten Flüchtlingen zusammenarbeiteten, erzählt Bruder Abraham. "Wir haben einen Supervisionskreis, wo über Belastendes gesprochen werden kann." Das unterstütze alle Helfer in der Verarbeitung des Erlebten – ebenso, wie die Anerkennung der eigenen Grenzen: "Bei einigen der Männer bricht das Trauma wieder hervor. Denen können wir zur Seite stehen, aber wir sind natürlich keine Psychologen", sagt er. Diese Männer erführen dann professionelle Unterstützung.
Auch beim Abschiednehmen haben sie einen Weg gefunden, der es allen Beteiligen erleichtert. "Mit den allermeisten bleiben wir in Kontakt, sodass wir uns nicht ganz aus den Augen verlieren." Wenn der Schmerz der Trennung dann nachlasse, gebe es übrigens auch viel Anlass für Freude: "Dann freut man sich über jedes Zeichen und gerade bei den jungen Männern darüber, wie sie sich weiterentwickeln."