Der Weihnachtsbaum und seine Herkunft

Vom Holzklotz zur Tanne

Veröffentlicht am 23.12.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Brauchtum

Bonn ‐ Alljährlich im Dezember werden in Deutschland mehr als 29 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Der geschmückte Lichterbaum gilt als weihnachtliches Symbol schlechthin. Doch woher stammt dieser Brauch? Ein strenger Winter im achten Jahrhundert nach Christi Geburt gibt die Antwort.

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In einem germanischen Dorf irgendwo im heutigen Deutschland versammelt sich eine Familie in ihrer Holzhütte um den Kamin. Es ist die Zeit der Raunächte zwischen der Wintersonnenwende und dem 6. Januar. Den Namen Raunächte oder Rauchnächte leiteten die Menschen von den Nebeln, die sich in dieser Zeit oft bilden, den kalten Winden und Stürmen, die um das Haus wehen, und dem Rauch der offenen Feuer ab, die dringend nötig waren, um sich zu erwärmen.

Tag und Nacht brennt in diesem strengen Winter ein Holzklotz im Kamin. Er soll böse Geister vertreiben und anderen Unholden den Zutritt in die Hütte verwehren, glauben die Germanen damals. Manche legen Feldfrüchte auf den Klotz und streuen die Asche später auf die Felder - in der Hoffnung auf Fruchtbarkeit und reiche Ernte im neuen Jahr. Und wer mit seinen Nachbarn im Clinch liegt, versammelt sich mit ihnen um den brennenden Klotz, um Frieden zu schließen.

Der Weihnachtsbaum als Symbol für Jesus Christus

Dieses Brauchtum geht auf den Baum-Kult indoeuropäischer Völker zurück. Diese stellten sich immergrüne Bäume als Sitz von Göttern vor. Und sie glaubten, dass diese halfen, Unheil und Gefahr für Leib und Leben abzuwehren. Im Volksglauben hatten Geister und Dämonen keine Chance, wenn Tannen- oder Fichtenzweige - so genannte Meyen - über der Haustür befestigt oder ins Haus geholt wurden. Sowohl die Meyen als auch der germanische Weihnachtsklotz - in Skandinavien Julklotz genannt (Jul = Weihnachten) - gelten als Vorgänger des heutigen Weihnachtsbaumes.

Bräuche wie diese wurden im frühen Mittelalter von der Kirche als heidnisch verpönt und verboten, dann aber wieder erlaubt. Die Kleriker konnten gegen die alten germanischen Traditionen kaum etwas ausrichten. So sehr waren sie in den Menschen der damaligen Zeit verwurzelt. Doch die Geistlichen gaben den immergrünen Bäumen einen neuen Sinn als Symbol für Jesus Christus - der wahre Lebensbaum und das Licht der Welt.

Der erste Weihnachtsbaum in Deutschland wurde nach Überlieferungen im Jahr 1419 von Freiburger Bäckern im dortigen Heilig-Geist-Spital aufgestellt - geschmückt mit Äpfeln, Nüssen und kleinen Lebkuchen. Die Bäckerzünfte zogen am Neujahrstag durch die Stadt zum Spital. Dort wurde der Baum ordentlich geschüttelt, und die Kinder durften die Früchte und das Backwerk auflesen.

Allmählich verbreitete sich dann im Elsass und im Schwarzwald der Brauch, Tannenbäume ins Haus zu holen. Martin Luther erklärte den geschmückten Tannenbaum zum Weihnachtssymbol der Protestanten - das der Katholiken war die Krippe . Dieser Unterschied bestand lange Zeit. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Tanne von beiden Konfessionen als Weihnachtssymbol anerkannt und sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche aufgestellt.

Kerzen wiederum galten lange Zeit als Privileg der Reichen. Erst nach der Erfindung von Stearin und Paraffin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren sie auch für Ärmere erschwinglich. In waldarmen Gegenden wurden Holzgestelle als Baum-Ersatz gefertigt. Je nach Region hießen sie Paradiesbaum, Schwibbogen oder Weihnachtspyramide. Geschmückte Paradiesgärtchen erinnerten an die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies.

Erst nach dem Bau der ersten Eisenbahnen Mitte des 19. Jahrhunderts konnten Tannen und Fichten auch in Städte transportiert werden. Der weltweite Eroberungszug der Nordmanntanne begann. Heute reist sie aus Deutschland und Dänemark in die ganze Welt. Von sich reden machte der Weihnachtsbaum sogar einmal als Friedensstifter. Am Weihnachtsabend 1914 im Ersten Weltkrieg kam es unter dem Tannenbaum zu Verbrüderungsszenen von deutschen, französischen und englischen Soldaten. Die Deutschen hatten Weihnachtsbäume mit in die Schützengräben genommen. Und auch ihre französischen und britischen Gegner ließen sich nicht lumpen und trugen mit Liedern und weihnachtlichen Leckerbissen zur Völker verbindenden Feier bei.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Weihnachtsbaum in Deutschland zu dem, was er auch heute noch ist: der leuchtende Mittelpunkt des weihnachtlichen Wohnzimmers. Rote Äpfel waren lange Zeit der beliebteste Christbaumschmuck . Der Apfel - ursprünglich die Frucht der Versuchung - wurde bereits im vierten Jahrhundert durch Bischof Ambrosius von Mailand rehabilitiert. Er verglich den am Kreuz hängenden Christus mit einem am Baum des Lebens hängenden Apfel. Das Rot erinnert an das Blut Christi. Das Symbol der Versuchung wurde so zum Zeichen der Erlösung. In alten Krippen gab es sogar einen Apfelträger, der Maria und Josef einen Apfel brachte.

Stroh für das Kind in der Krippe

Mit dem Entstehen der Glasbläserindustrie - vor allem im Thüringer Wald - wurden die Äpfel durch Christbaumkugeln ersetzt. Vor etwa 170 Jahren kamen die ersten Glasbläser von Schwaben ins thüringische Lauscha. Hier fanden sie erstklassige Bedingungen für ihr Handwerk. Geschichte schrieb das Städtchen, als die Glasbläser es sich nicht mehr leisten konnten, den Weihnachtsbaum für ihre Kinder mit echten Äpfeln zu schmücken. So kamen sie auf die Idee, diese aus Glas nachzuformen und bunt zu bemalen. Es war die Geburtsstunde der ersten gläsernen Christbaumkugel. Daraus entstand ab 1847 ein Handwerkszweig, der bis heute das Leben in der kleinen thüringischen Stadt prägt.

Auch Strohsterne gelten als klassischer Christbaumschmuck - vor allem in ländlichen Gegenden. Sie erinnern an das Stroh in der Krippe. Daher stammt auch ein Brauch, der in Familien zuweilen auch heute noch gepflegt wird: An jedem Tag in der Adventszeit wird ein Strohhalm mehr in die Krippe gelegt, damit das Jesuskind am Heiligen Abend ein weiches Bettchen hat.

Von Margret Nußbaum