Der Vatikan verbietet den Handel mit Reliquien

Kein Blut von Johannes Paul II. bei Ebay

Veröffentlicht am 18.12.2017 um 16:04 Uhr – Lesedauer: 
Helena, Reliquienschrein, Bonn, Münster, Gold
Bild: © KNA
Reliquien

Bonn ‐ Mit neuen Bestimmungen will der Vatikan den Handel mit Reliquien im Internet eindämmen. Aber auch die inflationäre Vermehrung der Blut-Reliquien von Johannes Paul II. könnte dadurch gestoppt werden.

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Das neue Schreiben aus dem Vatikan klingt zunächst nach Mittelalter oder Luther-Zeit: Es verbietet den Reliquien-Handel, regelt die Aufbewahrung der sterblichen Überreste von Heiligen und pocht auf eine Echtheits-Garantie. Doch ein Blick ins Internet auf die Seiten des Online-Auktionshauses Ebay belehrt schnell eines Besseren. Da wird auch im Jahr 2017 ein "Holzstück vom Heiligen Kreuz Christi" für 750 Euro angeboten, "mit zweifachem Wachssiegel", wie es im Text anpreisend heißt - offenbar um die Echtheit zu beweisen. Allein die deutsche Seite des Portals listet unter dem Stichwort "Reliquien" 328 Einträge auf, von denen allerdings die Mehrheit nur Behältnisse oder Bilder sind. Auf der italienischen Seite ist die Auswahl noch größer: Hier stehen 1.900 Angebote zur Verfügung.

Die neuen vatikanischen Bestimmungen richteten sich gegen den wachsenden Handel mit Reliquien bei Ebay und deren zunehmende Verwendung in Schwarzen Messen, erklärte Roberto Sarno von der Kongregation für die Heiligsprechungen, die das zehnseitige Dokument herausgegeben hat.

Bereits das geltende Kirchenrecht von 1983 verbietet den Reliquien-Handel. Die neue "Instruktion" mit dem Titel "Die Reliquien der Kirche: Echtheit und Aufbewahrung" schärft dieses Verbot jedoch aufs Neue ein. "Handel und Verkauf von Reliquien sind absolut verboten, ebenso wie ihre Ausstellung an profanen oder nicht dazu autorisierten Orten", heißt es darin in Artikel 25.

Ein goldener Schrein wird durch den Paderborner Dom getragen.
Bild: ©picture alliance / Rainer Hackenberg

Die Erhebung der Reliquien des Heiligen Liborius im Hohen Dom zu Paderborn.

Ebay hat sich bislang trotz Protesten von katholischer Seite nicht zu einem generellen Verbot des Reliquien-Handels entschlossen. Das Auktionsportal untersagt nur den Verkauf menschlicher Überreste. Das Turiner Grabtuch oder Tränen der Gottesmutter Maria könnten dort aber auch weiterhin angeboten werden. Kritiker in den USA werfen Ebay zudem vor, dass entgegen der eigenen Bestimmungen nicht einmal der Handel mit menschlichen Überresten von Heiligen konsequent unterbunden werde.

Aber nicht nur in der Anonymität des Internets wird Schindluder mit Reliquien betrieben. Auch die enorme Menge der Blut-Reliquien von Johannes Paul II., die dessen früherer Privatsekretär Kardinal Stanislaw Dziwisz in der Welt verteilt hat, wirft Fragen auf. Nach Angaben seines Sprechers hat Dziwisz allein bis 2013 etwa 100 Blut-Reliquien auf Anfrage herausgegeben. Der spektakulärste Fall war der schwer verunglückte polnische Formel-1-Pilot Robert Kubica, dem Dziwisz im Februar 2011 von Fernsehreportern ein Medaillon mit Blutstropfen von Johannes Paul II. überreichen ließ. Der polnische Papst wurde erst kurz darauf, im Mai 2011 selig- und 2014 heiliggesprochen. Dziwisz rechtfertigte die Herausgabe von Blutreliquien vor Abschluss der Verfahren damit, dass Johannes Paul II. bereits durch das auf ihn verübte Attentat zum Märtyrer geworden sei.

Zustimmung von Verwandten muss eingeholt werden

Nach den neuen vatikanischen Bestimmungen wäre ein solch freigiebiger Umgang mit dem Blut eines Verstorbenen heute nicht mehr möglich. Bereits im Vorwort heißt es, dass den sterblichen Überresten von Personen, die vor ihrer Selig- oder Heiligsprechung stehen, keine öffentliche Verehrung oder sonst irgendein Privileg von Seligen oder Heiligen zuteilwerden dürfe. Außerdem legt das Schreiben fest, dass zwar die jeweiligen Ortsbischöfe verantwortlich sind für die Reliquien, allerdings stets in Absprache mit dem Vatikan. Dass man dort über alle hundert Blut-Reliquien informiert war, die Dziwisz aus den vier Blut-Ampullen zog, die ihm Ärzte kurz vor dem Tod von Johannes Paul II. gaben, ist kaum wahrscheinlich.

Neu ist auch, dass der Vatikan die Bischöfe ausdrücklich auffordert, die Zustimmung der Verwandten einzuholen, bevor sie die Gebeine eines potentiellen Heiligen zertifizieren und ausstellen lassen. Außerdem werden sie angehalten, hierbei die zivilen Gesetze zu beachten.

Reliquienschrein und Reliquiar mit der Blutampulle des Heiligen Januarius am 19. September 2016 beim Fest des Sankt Januarius (italienisch "San Gennaro") im Dom von Neapel.
Bild: ©KNA

Das Reliquiar mit der Blutampulle des Heiligen Januarius befindet sich im Dom von Neapel. Beim erwarteten Wunder erfolgt eine Verflüssigung des Blutes.

Dahinter dürften Fälle wie der von Erzbischof Fulton John Sheen (1895-1979) stehen, für den ein Seligsprechungsverfahren läuft: Das Erzbistum New York wurde vor einiger Zeit von Sheens Angehörigen verklagt. Die Verwandten wollten seinen Leichnam zurück an seinen Heimatort Peoria holen, das Erzbistum wollte ihn dort lassen, wo er bislang lag: unter dem Hochaltar der St. Patrick's Cathedral in New York. Der oberste Gerichtshof des Bundesstaates New York gab der Familie Recht, das Erzbistum hat jedoch Berufung eingelegt.

Reliquie ist nicht gleich Reliquie, der Leichnam von Padre Pio ist etwas Anderes als die Haare der Muttergottes oder das Turiner Grabtuch. Und das auch kirchenrechtlich: Der Vatikan unterscheidet in seinen Bestimmungen zwischen primären und sekundären Reliquien. Primäre Reliquien sind demnach die Leichname von Seligen oder Heiligen, Köperteile von diesen oder die komplette Asche ihrer verbrannten Körper. Als sekundäre Reliquien gelten kleinere Körperteile, wie etwa Haare, der Heiligen oder Seligen oder Gegenstände, die unmittelbar von ihnen berührt oder benutzt wurden. Auch sie sollen würdig und mit religiöser Ehrfurcht aufbewahrt werden und behandelt werden, "um jeden Anschein von Aberglauben oder Schacherei zu vermeiden". Die neuen Bestimmungen selbst gelten jedoch nur für primäre Reliquien.

Reliquienverehrung heute selbst Katholiken fremd

Um die Echtheit der Reliquien sicherzustellen, schreibt das Dokument eine detaillierte Dokumentation vor. Die Echtheit der Reliquien muss bei der Entnahme aus dem Grab oder der Urne von einem Notar schriftlich beglaubigt werden. Wenn ein solches Dokument fehlt oder die Siegel der Urne beschädigt sind, müssten sie die größtmögliche Sorgfalt darauf verwenden, um die Echtheit der Reliquien festzustellen, heißt es in den neuen Bestimmungen. Hätte man ein solche Sorgfalt bereits bei der Entnahme der Reliquien des heiligen Nikolaus walten lassen, wäre der jüngste Streit über den Aufbewahrungsort seiner Gebeine, der nach einer Entdeckung in der Türkei wieder entbrannte, überflüssig.

Auch Katholiken können mit Reliquien oft nichts mehr oder nur wenig anfangen – ganz unabhängig davon, ob die sterblichen Überreste nun echt sind oder nicht. Das weiß man auch im Vatikan. Warum man überhaupt Reliquien verehren soll, wird denn auch gleich im ersten Satz des neuen Dokuments erklärt - auf eine für deutsche Ohren allerdings sehr blumige Weise: In der Kirche würden Reliquien verehrt "weil der Körper der Seligen und Heiligen, zur Auferstehung bestimmt, auf der Erde der lebendige Tempel des Heiligen Geistes gewesen ist und das Instrument ihrer Heiligkeit, anerkannt vom Apostolischen Stuhl". Immerhin: Der Termin für die Publikation war gut gewählt. Am selben Tag verflüssigte sich das Blut des heiligen Januarius in Neapel.

Von Thomas Jansen