Wie Priester zu Helden der "Titanic" wurden
Der Untergang der "Titanic" im Jahr 1912 ist nicht nur eine der größten, sondern wohl auch die bekannteste Schiffskatastrophe der Geschichte: Am 19. Dezember 1997 kam der gleichnamige Film von James Cameron in die Kinos. Das Epos rief das Schicksal der 1.514 Todesopfer Zuschauern in der ganzen Welt in Erinnerung. Höchstens kleine Nebenrollen spielten dabei jedoch die katholischen Priester, deren Lebensgeschichten mit dem Schiff verbunden sind.
Denn beim Untergang der "Titanic" in der Nacht auf den 15. April 1912 kamen auch drei Geistliche ums Leben. Die größte Bekanntheit unter ihnen hat der Brite Thomas Byles erlangt. Der 1870 geborene Engländer war als Protestant getauft worden, konvertierte später zum Katholizismus und nahm den Vornamen Thomas an. Später absolvierte er ein Theologiestudium an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, wo er im Jahr 1902 auch zum Priester geweiht wurde.
Der Priester schafft es auf die Leinwand
Ein freudiger Anlass war es, der Byles dazu veranlasste, zur Jungfernfahrt auf der "Titanic" einzuschiffen: Der Priester sollte den Traugottesdienst seines Bruders William in den USA zelebrieren. Und auch während der Überfahrt kam er seiner Berufung nach und feierte für Passagiere der Zweiten und Dritten Klasse die heilige Messe. Am Morgen vor der Katastrophe, dem Weißen Sonntag, soll Byles der Überlieferung nach über das Gebet als spirituelles Rettungsboot gepredigt haben.
Im elffach oscarprämierten Drama von 1997 schaffte es der Priester sogar auf die Leinwand. Kurz vor dem Untergang der "Titanic" flüchten sich darin die Helden Rose (Kate Winslet) und Jack (Leonardo DiCaprio) zum Heck des bereits bedrohlich schräg stehenden Schiffes. Dabei ist kurz eine Gruppe von Menschen zu sehen, die sich an die Hand eines Priesters klammern und mit ihm den Rosenkranz beten. Es ist eben jener Thomas Byles.
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Berichte erzählen weiter davon, dass der Priester angesichts der Katastrophe dutzenden Gläubigen ein letztes Mal die Beichte abnahm, ihnen die Absolution erteilte und zu Plätzen auf den wenigen Rettungsbooten verhalf. Er selber verzichtete demnach auf einen solchen und ertrank schließlich in den Fluten. Papst Pius X. (1903-1914) soll ihn später persönlich als "Märtyrer" bezeichnet haben. Im Jahr 2015 wurde unter anderem auf Betreiben seines Nachfolgers als Pfarrer ein Seligsprechungsverfahren für Byles eröffnet.
Ähnlich heldenhaft soll sich der deutsche Benediktinerpater Joseph Peruschitz verhalten haben. Er wurde 1871 geboren und trat Anfang der 1890er Jahre in die bayerische Abtei Scheyern ein. Nach seiner Priesterweihe wirkte er als Lehrer am klostereigenen Gymnasium. Im April 1912 reiste er zunächst nach England, um dort auch die Karwoche zu verbringen. Anschließend bestieg er die "Titanic", um Zweiter Klasse in die USA zu reisen – er sollte dort die Leitung einer Klosterschule übernehmen.
Auch Peruschitz verzichtet auf ein Platz im Rettungsboot
Wie Byles feierte auch Peruschitz täglich die Messe an Bord der "Titanic". Der Benediktiner soll dabei auf Deutsch und Ungarisch gepredigt haben. Wie sein englischer Mitbruder half er in der Nacht des Untergangs flüchtenden Passagieren von den unteren Decks hinaus ins Freie und in die Rettungsboote. Auch der Benediktiner habe auf einen Platz verzichtet und stattdessen mit und für die Sterbenden gebetet. Das Kloster Scheyern soll schließlich am 4. Mai 1912 die Nachricht des Todes von Pater Peruschitz erhalten haben – dem Jahrestag seiner Priesterweihe.
Auch Juozas Montvila, der dritte bekannte katholische Priester an Bord des Schiffes, soll bis zum Ende seinem Ruf als Seelsorger gefolgt sein. Er wurde 1885 geboren und im Jahr 1908 zum Priester geweiht. Berichten zufolge wurde der römische Geistliche später unter dem zaristischen Regime verfolgt und als Staatsfeind behandelt, was ihn schließlich zur Auswanderung in die USA bewegt haben soll. Welches Ziel er dort genau hatte, ist jedoch nicht bekannt.
Filmkritik: Titanic
Für die Fachzeitschrift "Filmdienst" ist "Titanic" "mehr als ein Kostüm- und Katastrophenfilm: Der angenehm ruhige Rhythmus, teilweise herausragende Schauspieler sowie die kunstvolle Kameraarbeit lassen das Epos zu einer berührenden Love-Story werden". Lesen Sie hier die gesamte Filmkritik.Neben Byles, Peruschitz und Montvila weist die Passagierliste der Titanic noch mindestens fünf weitere Geistliche anderer Konfessionen aus, die alle beim Untergang ums Leben kamen. Besonders verbunden mit der "Titanic" bleibt hingegen ein vierter katholischer Priester, der zum Zeitpunkt des Untergangs jedoch bereits von Bord gegangen war: Der Jesuit Francis Browne hatte das Schiff als einer von nur sieben Menschen beim letzten Stopp vor der Atlantiküberquerung verlassen.
Der 1880 geborene Browne hatte die Fahrkarte von Southampton über Cherbourg bis Queenstown in Irland von seinem Onkel geschenkt bekommen. In der kurzen Zeit auf See soll er schließlich Freundschaft mit einem US-amerikanischen Ehepaar geschlossen haben, das ihm ein Ticket für die restliche Fahrt bis New York und zurück anbot. Als er bei seinem Ordensobern um Erlaubnis für die Reise bat, erhielt Browne jedoch eine eindeutige Antwort per Telegramm: "RUNTER VON DIESEM SCHIFF – PROVINZIAL". Sein jesuitischer Gehorsam soll dem Priester das Leben gerettet haben, als er daraufhin in Irland die "Titanic" verließ.
Doch seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte sich Browne durch ein anderes Vermächtnis. Der Priester war ein begeisterter Hobby-Fotograf und fertige im Lauf seines Lebens über 40.000 Bilder an. Zu seiner Sammlung, die erst nach seinem Tod im Jahr 1960 entdeckt wurde, zählen auch die letzten bekannten Aufnahmen, die auf der "Titanic" entstanden sind. In der kurzen Zeit an Bord fotografierte Browne das Schiff und dessen Einrichtung sowie vor allem Personen und deren Aktivitäten an Bord. So hinterließ der Jesuit einige der bekanntesten Aufnahmen der "Titanic" überhaupt. Nur Rose und Jack in liebevoller Umarmung an der Bugspitze des Dampfers fehlen natürlich. Anders als die Priester der "Titanic" waren sie schließlich reine Erfindung.