Schwester Charis Doepgen über das Sonntagsevangelium

Gott und Mensch finden wieder zusammen

Veröffentlicht am 23.12.2017 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Bonn ‐ In der Geschichte der Verheißung der Geburt Jesu finden Gott und Mensch auf ganz besondere Weise zueinander. Nach der Vertreibung aus dem Paradies eine wunderbare Wende, meint Schwester Charis Doepgen.

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Impuls von Schwester Charis Doepgen

Kinder lieben Geschichten. Lieblingsgeschichten wollen sie immer wieder hören. Auch die Liturgie hat Lieblingsgeschichten. Zu ihnen gehört das Evangelium von der Verkündigung der Geburt Jesu. Allein im Advent hören wir es drei Mal. Die Geschichte, wie der Engel Gabriel zu Maria kam, hat etwas von einer Seite aus dem Tagebuch der Maria. Denn wir werden mit einem Ereignis bekannt gemacht, das niemand beobachtet hat. Josef, den die Sache auch angeht, wird erst nachträglich informiert (Mt 1, 28-35). Was Lukas - ihm wird eine besondere Nähe zu Maria nachgesagt - da berichtet, ist also ziemlich exklusiv.

Maria ist allein, als der Engel plötzlich vor ihr steht. Erschrecken ist da eine normale Reaktion - mit und ohne Anrede. Dass Maria besonders die Anrede nachdenklich macht, spricht für eine junge Frau, die es nicht gewohnt ist, mit Komplimenten bedacht zu werden. Ob sie sich jemals an die überschwänglichen Titel ihrer späteren Verehrer gewöhnt hat, kann man sich hier fragen. Der Engel reagiert einfühlsam. "Fürchte dich nicht..." und noch einmal das Wort von der Gnade. Aber dann die provozierende Botschaft: Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn gebären...

Das scheint beschlossene Sache zu sein. Gott ist im Spiel, ein Thron und ewige Herrschaft. Und hier beginne ich zu staunen: Maria verschlägt es nicht die Sprache. Nach dem ersten Erschrecken sehen wir hier ein junge Frau, die mit nüchterner Geistesgegenwart - o ja, Gegenwart des Geistes! - und Bodenhaftung nach dem "Wie" fragt. Nicht wie "kann", sondern wie "soll" das geschehen. Ihre Rückfrage kommt nicht aus dem Zweifel. Dass für Gott nichts unmöglich ist, schließt Marias Glaube längst ein. Aber sie möchte mitgenommen werden und nicht überrumpelt. Wie soll die Verwirklichung aussehen?

Die Antwort des Engel bringt beide Ebenen ins Spiel, die dafür bedeutsam sind: Gottes Initiative, bei der das "Wie" sein Geheimnis bleibt, und die menschlich irdische Verwirklichung, für die es ein sichtbares Zeichen gibt: Elisabets Schwangerschaft. Maria, der das Konkrete wichtig ist, wird sich "nach einigen Tagen" (1,39) eilends auf den Weg zu Elisabet machen, um das Zeichen zu sehen. Vorher schon gibt sie dem Engel ihr Einverständnis. Gottes Plan stand für sie nicht zur Diskussion, aber sie fragt nach, denkt mit.

Die Verkündigung ist ein Höhepunkt in der Geschichte Gottes mit den Menschen. Was im Paradies mit Adam und Eva hoffnungsvoll angefangen hatte, endete durch menschliches Versagen sehr abrupt mit der Vertreibung aus dem Paradies. Schon damals hat Gott einen Ausweg angekündigt (Gen 3,15), aber es dauerte noch lange, bis der Mensch gefunden war: Maria, mit dem die Geschichte eine Wende im Sinne Gottes nehmen konnte. Heute, unmittelbar vor der Geburt des verheißenen Retters, Jesus, werden wir noch einmal mit diesem Ereignis konfrontiert. Wir können es nicht oft genug hören und meditieren: Gott und Mensch finden wieder zusammen; ein neues Kapitel in ihrer Geschichte wird aufgeschlagen. Entdecken wir dabei Maria als Schwester im Glauben.

Von Sr. Charis Doepgen OSB

Evangelium nach Lukas (Lk 1, 26-38)

Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.

Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.

Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.

Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.

Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.

Die Autorin

Schwester Charis Doepgen OSB ist Benediktinerin in der Abtei St. Erentraud in Kellenried bei Ravensburg.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreiben Ordensleute und Priester für uns.