Missbrauch: Platzt der Prozess gegen Kardinal Pell?
Die Verteidigung im Missbrauchsverfahren gegen den australischen Kurienkardinal George Pell hat umfangreiche Interviews und Videoaufnahmen erhalten. Die Gespräche wurden von der ABC-Journalistin Louise Milligan mit Personen angefertigt, die den Kardinal des sexuellen Missbrauchs beschuldigen. Milligan ist Autorin eines Buches, das vor der Anklage Pells erschienen war.
Ein Anwalt des Kardinals teilte laut australischen Medienberichten am Mittwoch bei einer Gerichtsanhörung in Melbourne mit, dass der Sender ABC und Milligan dem Verteidigerteam eine Festplatte mit den Recherchedokumenten übergeben hätten. Damit seien sie einer Forderung der Anwälte des ehemaligen Erzbischofs von Melbourne nachgekommen. Der Verlag hatte das Buch nach der Anklageerhebung im Juni 2017 aus dem Handel genommen.
Der heute 76-jährige Pell soll als Priester in Ballarat drei Jungen in einem Schwimmbad sexuell belästigt haben. Details der Anklage wurden noch nicht veröffentlicht. Die mutmaßlichen Opfer sind die Hauptzeugen in dem Verfahren. Für die Dauer des Verfahrens lässt Pell, der bisher alle Vorwürfe bestreitet, sein Amt als oberster Finanzverwalter des Vatikan ruhen.
Einer der Zeugen erlag seiner Leukämieerkrankung
Unklar bleibt unterdessen, wie es in dem Fall nach dem Tod des Zeugen Damian Dignan weitergeht. Er war zu Wochenbeginn seiner Leukämieerkrankung erlegen. Dignan hatte im März 2016 in einem Interview mit ABC die Ermittlungen gegen Pell ins Rollen gebracht. Er sagte darin, Pell habe im Schwimmbad seine Genitalien angefasst.
Ein ehemaliger Staatsanwalt aus Melbourne, Nicholas Papas, sagte der australischen Ausgabe der Zeitung "The Guardian", der Tod eines Zeugen sei grundsätzlich "eine ernste Angelegenheit" und könne entscheidend dafür sein, ob "ein Verfahren weitergeht oder nicht". Nach dem Gerichtstermin am Mittwoch soll der Prozess gegen Pell nun im März mit einer voraussichtlich vierwöchigen Anhörung fortgesetzt werden. Danach muss das Gericht entscheiden, ob die Beweislage für die Eröffnung des Hauptverfahrens ausreicht.
In Australien ist noch weiteres Verfahren gegen einen hochrangigen Kirchenvertreter anhängig. Erzbischof Philip Wilson (67) von Adelaide wird vorgeworfen, Missbrauchsfälle nicht bei der Polizei angezeigt zu haben. (KNA)