Polnischer Dominikaner veröffentlicht Streitschrift

Flüchtlinge: Pater greift Kirche und Regierung scharf an

Veröffentlicht am 28.01.2018 um 15:35 Uhr – Lesedauer: 
Polen

Lublin ‐ In einer Streitschrift fordert ein polnischer Dominikaner einen humanitären Umgang mit Flüchtlingen in seinem Land und greift dabei Kirche und Regierung scharf an. Die Polen müssten sich entscheiden: Papst oder Kaczynski.

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"Ich klage an" heißt eine Streitschrift des polnischen Dominikanerpaters Ludwik Wisniewski, in der er die Kirche und Politik in Polen scharf kritisiert. "In Polen stirbt vor unseren Augen das Christentum", schreibt Wisniewski laut einem Bericht der "Welt". "Wie Gift" seien Feindschaft, Hass und nationale Ideologie in die polnische Kirche eingedrungen. Schlimmster Ausdruck dessen sei die Mentalität der Abschottung und die von vielen Katholiken unterstützte Flüchtlingspolitik der polnischen Regierung, so der 81-Jährige. Diese Politik sei gegen die Haltung von Papst Franziskus, schreibt Wisniewski weiter. Die zu fast 90 Prozent katholischen Polen müssten sich in der Flüchtlingsfrage entscheiden und entweder dem Papst folgen oder dem Chef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski.

Die polnische Regierung hatte sich zuvor schrittweise von der Zusage verabschiedet, 7.000 Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern aufzunehmen, und dies mit Sicherheitsbedenken begründet. Diese Weigerung, muslimische Flüchtlinge aufzunehmen, und das mit der "Verteidigung Polens und des Christentums" zu rechtfertigen, ist laut Wisniewski nicht länger hinnehmbar.

Der Pater kritisiert in seiner Streitschrift zudem eine zunehmende Politisierung der Institution Kirche. Dies ist für ihn der Grund, warum nur noch 37 Prozent der polnischen Katholiken regelmäßig in die Kirche gehen. Wisniewski greift dabei vor allem den national-katholischen Flügel um den Sender "Radio Maryja" an. Die polnischen Bischöfe, die sich bislang zu den Vorgängen im Land weitestgehend bedeckt hielten, fordert er auf, möglichst bald zu intervenieren.

Posener Erzbischof meldet sich zu Wort

Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung von Wisniewskis Appell meldete sich der Posener Erzbischof Stanislaw Gadecki zu Wort. Die mehrheitliche Ablehnung einer Aufnahme von Flüchtlingen in der polnischen Bevölkerung sei für Christen überhaupt kein Argument, sagte Gadecki. "Und selbst wenn 99 Prozent sagen, man dürfe sie nicht aufnehmen und ihnen nicht helfen, so richten wir uns trotzdem nicht danach." Das Streben der Regierung nach Sicherheit sei zwar wichtig, aber auch egoistisch. Für die Kirche gelte: "Der Mensch steht an erster Stelle", so der Erzbischof.

Wisniewskis Anklageschrift war für die Amtskirche offensichtlich dennoch zu scharf; ihr Sprecher wies sie als "beleidigend" zurück. Die regierungsnahen Medien griffen Wisniewski nach seinem Appell scharf an und sprachen ihm das Recht ab, sich katholisch nennen zu dürfen.

Ludwik Wisniewski unterstützte in kommunistischer Zeit die demokratische Opposition in Polen. Damals geriet er ins Visier der Behörden und sogar der DDR-Stasi, die den Pater auf einer Liste der wichtigsten Regimegegner führte. Im Herbst 2010 hatte Wisniewski in einem Brief an den polnischen Episkopat öffentlich Kritik an Glaubensbrüdern und Klerus geübt. Unter anderem hieß es darin: "Nach meiner Bewertung sind über 50 Prozent des Klerus mit Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und schamhaft gehütetem Antisemitismus 'infiziert'. Viele Priester haben die Grenze zwischen Evangelium und Politik überschritten." (tmg)