Sportler, Priester und KZ-Häftling
Schwimmend oder auf Händen laufend – auf jeden Fall unkonventionell: Alojs Andritzki entspricht nicht dem Klischee des braven Kaplans. Seine Unangepasstheit stört auch die Nationalsozialisten, die ihn ins KZ Dachau stecken und schließlich umbringen. Seine Lebensgeschichte beginnt in einem kleinen Ort in Sachsen, in dem fast ausschließlich Sorben leben, eine kleine slawische Minderheit mit eigener Sprache und eigenen Bräuchen.
Magdalena und Johann Andritzki sind Sorben – und das Lehrerehepaar im kleinen Dorf Radibor. Ihre Kinder wachsen in der Dorfschule auf. Ihre Muttersprache ist Sorbisch, das eng verwandt ist mit dem Tschechischen und der polnischen Sprache. Alojs wird 1914, im ersten Jahr des Weltkriegs, geboren. Zwei Schwestern und drei Brüder hat er, der schon als Kind auffällt, weil er besonders sportlich ist. Er springt, rennt, klettert wo er nur kann. Zuhause wächst er wie selbstverständlich in den katholischen Glauben hinein. Für die Sorben ist der Glaube ein wesentlicher Teil ihrer Identität. Bunte Trachten sind das Festtagsgewand der Sorbinnen, mit dem sie auch in die Kirche gehen. In dieser Welt wächst Alojs auf.
"Großer Gott wir loben dich" vom Schuldach aus
Alojs ist nicht nur sportlich sondern auch wissbegierig. Im nahegelegenen Bautzen geht er aufs Gymnasium und macht 1934 sein Abitur. In dieser Zeit ist er Mitglied des sorbischen Gymnasialverbandes "Włada" und zwei Jahre lang Vorsitzender dieses Schülervereins. Da steht sein Berufswunsch schon fest. Er will Priester werden. Ein Wunsch, den er mit seinen Brüdern teilt. Wie er werden alle Priester, sein jüngster Bruder als Pater bei den Jesuiten.
In Paderborn geht er zuerst aufs Priesterseminar und studiert Theologie und Philosophie. Während seines Studiums wird er Redakteur der sorbischen Studentenzeitschrift "Serbski student" und Sprecher der sorbischen Studentenschaft. Im Anschluss an sein Studium in Paderborn ist er ein Jahr Alumnus des Priesterseminars des Bistums Meißen in Schmochtitz bei Bautzen.
In der Kathedrale von Bautzen wird er schließlich am 30. Juli 1939 von Bischof Petrus Legge zum Priester geweiht. In seinem nur acht Kilometer entfernten Heimatort Radibor feiert eine Woche später seine Primiz. Am Abend zuvor zeigt er sein musikalisches Talent. Er setzt sich mit der Trompete auf das Dach der Alten Schule, seinem Elternhaus, und bläst "Großer Gott wir loben dich", so dass es das ganze Dorf hören kann.
Seine erste Stelle, die auch seine letzte sein wird, führt ihn als Kaplan an die Hofkirche in Dresden, die heutige Kathedralkirche des Bistums Dresden-Meißen. Dort wird er Präfekt der Dresdener Kapellknaben und Präses der Dresdener Kolpingsfamilie. Und er wird auf eine Art politisch, die den Machthabern überhaupt nicht gefällt.
Martha Hantusch, seine jüngere Schwester, berichtet später, dass Alojs in Dresden Kontakt Gläubigen aus dem Nachbarland hatte. "Er war in den Ferien öfters in Polen, sprach polnisch. Er hat Beichten von Polen gehört. Und er hat Gottesdienst in polnischer Sprache gefeiert. Die Polen waren darüber sehr froh. Das war einer der Gründe für seine Verhaftung. Alois hatte viel für die Polen übrig. In Dachau hat er den Kontakt zu polnischen Priestern gesucht", so Hantusch.
Am 21. Januar 1941 wird Alojs Andritzki während einer Vernehmung festgenommen. Er kommt danach nicht mehr frei, sondern wird in Untersuchungshaft in Dresden eingeliefert. Die Anklagebehörde beim Sondergericht verfasst am 15. Juli 1941 die Anklageschrift wegen "heimtückischer Angriffe auf Staat und Partei". Seit die Nazis das so genannte Heimtückegesetz in Kraft gesetzt haben, ist es ein Straftatbestand sich über NSdAP-Mitglieder negativ zu äußern. Ein Gesetz, mit dem die Nazis willkürlich jeden verhaften können, der ihnen nicht passt. Alojs hatte gewarnt, dass die Nazis nach dem Endsieg auch die Christen ausrotten wollen. Und dass die Nazis ihren Mutterkult nur betrieben, um genügend Kinder zu haben, die sie – sobald alt genug – als Soldaten an die Front schicken können. Bei den Versammlungen der Kolpingfamilie warnt Alojs, bei den Kapellknaben und in der Pfarrjugend.
Mut und Lebensfreude auch im KZ
Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft wird Alojs Andritzki sofort wieder verhaftet und im Oktober ins Konzentrationslager Dachau abtransportiert, wo er unter der Häftlingsnummer 27829 geführt wird. Eine Jugendliche aus der Dresdner Pfarrjugend erkennt ihn am 2. Oktober 1941 auf dem Dresdner Hauptbahnhof, als er mit dem Zug nach Dachau gebracht wird.
Gedenktag: 3. Februar
Alojs Andritzki wurde am 13. Juni 2011 in Dresden seliggesprochen. Die Urne mit seiner Asche ruht seither in der Kathedrale in Dresden.Während des Transportes lernt er den Benediktinepater Maurus Münch aus Trier kennen. Mit ihm wird Andritzki bis zu seinem Tod im Priester-Block des Konzentrationslagers Dachau gefangen sein. In den ersten Tagen im KZ geloben sie sich, niemals zu klagen, niemals ihre Ehre als Akademiker mit Füßen zu treten und keinen Augenblick ihre priesterliche Berufung zu vergessen. Ein Jahr sind die beiden zusammen im KZ. Mit anderen Priestern bilden sie einen Studienkreis, in dem an drei Abenden in der Woche aus der Heiligen Schrift gelesen wird.
Rund 40 Briefe sind von Alojs Andritzki erhalten, die er aus der Haft in Dresden und aus dem KZ in Dachau geschrieben hat. Nach kurzer Verzweiflung hat er bald zu seinem Mut und seiner Lebensfreude zurückgefunden. Trotz der grauenvollen Umstände im KZ bleibt er voller Freude und unterhält seine Mitgefangenen mit akrobatischen Kunststücken.
Hunger und Typhus grassieren im KZ Dachau besonders 1942 und 1943. Nach Weihnachten 1942 erkrankt auch der 28-jährige Alojs. Aber erst am 19. Januar 1943 meldet er sich im Krankenrevier. Die Behandlung ist schlecht; Medikamente gibt es für die Staatsfeinde keine. Ihr Tod kommt den Nazis gelegen. Als Alojs im Sterben liegt, bittet er den Wärter der Krankenstation einen Mitbruder zu holen, damit er ein letztes Mal die heilige Kommunion empfangen könne. Der Wärter erwidert: "Christus will er, eine Spritze bekommt er." Am 3. Februar 1943 wird Alojs Andritzki durch eine Giftspritze ermordet.
Sein Körper wird verbrannt, seine Asche in einer Urne nach Dresden geschickt. Den Eltern wird mitgeteilt, er sei der Krankheit erlegen. Am 15. April 1943 wird die Urne in Dresden auf dem Alten katholischen Friedhof in der Friedrichstraße beigesetzt.