Wo es so still ist, dass der moderne Mensch kaum zu atmen wagt, da ist Schwester Clara Vasseur in ihrem Element. In der Krypta von Kloster Mariendonk bei Grefrath hat sie Bienenwachs auf den Altar gelegt. „Man opfert etwas Kostbares“, erklärt sie mit leiser Stimme, „deshalb gehört Wachs für mich auf den Altar wie Brot und Wein.“ Die Ordensschwester aus Frankreich gestaltet seit vierzehn Jahren Osterkerzen und hat sogar ein Buch über ihre Symbolik geschrieben.

Leuchtende Ewigkeit

Veröffentlicht am 30.03.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ein Mädchen zündet ihre Kerze an der Osterkerze an.
Bild: © KNA
Ostern

Grefrath ‐ Wo es so still ist, dass der moderne Mensch kaum zu atmen wagt, da ist Schwester Clara Vasseur in ihrem Element. In der Krypta von Kloster Mariendonk bei Grefrath hat sie Bienenwachs auf den Altar gelegt. "Man opfert etwas Kostbares", erklärt sie mit leiser Stimme, "deshalb gehört Wachs für mich auf den Altar wie Brot und Wein." Die Ordensschwester aus Frankreich gestaltet seit vierzehn Jahren Osterkerzen und hat sogar ein Buch über ihre Symbolik geschrieben.

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Was mit schlichten Flechtmustern begann, spielt in Schwester Claras Leben inzwischen eine zentrale Rolle. Für die Osternachtsfeiern verschiedener Gemeinden verziert sie Osterkerzen mit Goldfäden und dunkelroten Kreuzen. Für sie bedeutet das mehr als Dekoration: Sie appelliert an Gläubige, sich an den ursprünglichen Sinn der Osterkerze zu erinnern. "Wir sterben daran, dass wir keine Beziehung mehr zu den Dingen des Glaubens haben", erklärt sie.

Dabei erschließe sich die Symbolik der brennenden Kerze in der Osternacht intuitiv, wenn man sie erlebe. "Zum Beispiel die Formulierung 'Licht der Welt' sagt nichts", meint Schwester Clara. "Wenn ich aber die Erfahrung des erhellten Dunkels mache, sagt mir das alles."

Der Brauch, an Ostern eine besondere Kerze anzuzünden, reicht bis in die ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte zurück. Die Osterkerze ist ein Brandopfer; das älteste Zeugnis über diesen Brauch stammt aus dem Jahr 380.

In Abgrenzung zur heidnischen Opferpraxis sollte die Flamme nicht von übelriechenden Tierleibern genährt werden, sondern von reinen Elementen. Wegen dieses Ursprungs findet Schwester Clara es noch heute entscheidend, die Kerzen aus Bienenwachs zu ziehen, nicht aus Stearin oder Paraffin.

Einst viel schlichter

Zudem waren die Osterkerzen der Frühkirche viel schlichter gestaltet als die heutigen. Die griechischen Buchstaben Alpha und Omega auf Osterkerzen stehen heutzutage oftmals für Jesus Christus als Anfang und Ende der Welt; eine Jahreszahl scheint ebenso selbstverständlich dazuzugehören wie Bildmotive.

„Wir sterben daran, dass wir keine Beziehung mehr zu den Dingen des Glaubens haben“

—  Zitat: Schwester Clara

Beliebt sind Lämmer und Tauben, Sonnenstrahlen und Regenbogen - und auch bei Osterkerzen wechseln die Trends. Schwester Clara bedauert diese Entwicklung: "Früher hat ein gespendeter Segen gereicht, ein unsichtbares Zeichen. Später wurde den Kerzen ein Kreuz eingraviert, heute brauchen wir dicke Würste aus Wachs - sonst erkennen wir die Osterkerze nicht mehr."

Der kreativen Buchautorin liegt es am Herzen, dass Gläubige die Osterkerze als Sinnbild für die Auferstehung Christi erkennen. "Das Anzünden der Kerze - das ist der entscheidende, der wichtigste Moment", sagt sie.

Die anschließende feierliche Prozession, wenn die Gläubigen hinter der brennenden Osterkerze in die Kirche einziehen, erinnert an die Feuersäule, die den Israeliten in der Wüste voranzog. Auch an anderen zentralen Bibelstellen spielen Licht und Feuer eine Rolle, etwa, wenn Gott sich Mose im Alten Testament im brennenden Dornbusch offenbart.

Schwester Clara Vasseur.
Bild: ©KNA

Schwester Clara Vasseur.

Bis zu 360 Euro

Handgemachte Kerzenproduktion ist heute selten geworden. Die Kerzen, die Schwester Clara im Mariendonker Atelier ausgestaltet, bekommt sie von Bruder Clemens Wittmann aus der Benediktinerabtei Schweiklberg. Er zieht die ein Meter langen, aus Bienenwachs gebleichten Kerzen aus einem eigens hergestellten Kessel.

"Das elfenbeinfarbene Material ist Sinnbild für den strahlenden Leib des auferstandenen Christus", erläutert Schwester Clara. Sie wiederum setzt in der Ausgestaltung auf schlichte Motive wie den Lebensbaum. "Mehrere Handschriften des Exsultet, des Osterlobs, zeigen, dass die Osterkerze früher mit Zweigen und Blättern geschmückt wurde", erklärt sie. Diese Dekoration erinnert an den paradiesischen Baum der Erkenntnis und an den Baum des Kreuzes.

Bis zu 360 Euro kosten die aufwendig gefertigten Osterkerzen, die kleinsten sind für 39 Euro zu haben. Die Abnehmer sind meist Kirchengemeinden, die schon im August ihre Bestellung für das kommende Osterfest aufgeben.

Ist die Kerze dann entzündet, brennt sie für die 50 Tage der Osterzeit, bis zum Pfingstfest. Außerdem wird sie in Taufgottesdiensten angezündet - also zu Beginn des christlichen Lebens -, und am Lebensende bei Begräbnissen. Ein Symbol für den Übergang, erklärt Schwester Clara: "Indem sie mit ihrem Leuchten Tag und Nacht verbindet, steht die Osterkerze für den Tag, der niemals endet. Sie nimmt die Ewigkeit vorweg."

Von Paula Konersmann

Hinweis: Clara Vasseur OSB: Altes neu entdecken. Die reiche Symbolik der Osterkerze, Beuroner Kunstverlag, 117 Seiten, 24,90 Euro, inkl. Musik-CD mit dem Exsultet.

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