EKD-Ratsvorsitzender über Menschenrechte und Obergrenzen

Bedford-Strohm gegen "deutsche" Leitkultur

Veröffentlicht am 09.02.2018 um 09:50 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Berlin ‐ Für das Zusammenleben in einem Staat braucht es Grundorientierungen, sagt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Die "deutsche" Leitkultur gehört in seinen Augen aber nicht dazu.

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Der Ratspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat sich kritisch über Begriff einer "deutschen Leitkultur" geäußert. Damit habe er "Schwierigkeiten", sagte Bedford-Strohm der "Berliner Zeitung" (Freitag). Es müsse aber Grundorientierungen als Basis für das Zusammenleben in einem Staat geben.

Zentral sei dabei das Adjektiv "menschenrechtlich", betonte der Ratspräsident: "Von einer menschenrechtlichen Leitkultur könnte ich sprechen." Der Kodex an Grundorientierungen auf der Grundlage der Menschenrechte müsse für alle gelten, unabhängig vom religiösen oder kulturellen Hintergrund. "Das gilt auch für Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen."

Scharfe Kritik übte Bedford-Strohm an den Regelungen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zum Familiennachzug. Die Kirche sehe mit großer Sorge, dass das Recht auf Familiennachzug aufgegeben sei. "Ab August sollen 1.000 Menschen pro Monat nachkommen können, aber man weiß nicht, nach welchen Kriterien sie ausgesucht werden sollen", erklärte Bedford-Strohm: "Der Familiennachzug ist aber für die Integration von großer Bedeutung." Wer in ständiger Angst um seine Familie lebe, könne sich viel schlechter integrieren.

Kritik an großen Aufnahmezentren für Asylbewerber

Der bayerische Landesbischof rief die Koalition auf, den Schwerpunkt stärker auf Integration zu setzen. Es gebe im Koalitionsvertrag richtige Ansätze wie einen besseren Zugang zu Sprachkursen. Bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt gebe es aber Defizite. "Es ist nicht integrationsfördernd, wenn Flüchtlinge herumsitzen und nicht arbeiten dürfen, selbst wenn sie qualifiziert sind und gut Deutsch sprechen", so Bedford-Strohm.

Er kritisierte auch die Pläne, Asylbewerber künftig in großen Aufnahmezentren unterzubringen. "Es heißt, dass Flüchtlinge dort immer nur für kurze Zeit leben sollen, faktisch ist es aber anders, das wissen wir aus den beiden Aufnahmezentren in Bayern. Das bringt große Probleme mit sich." Die Diskussion um Obergrenzen führe kein bisschen weiter, so Bedford-Strohm weiter. Es sei klar, dass es Grenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen gebe, an einer bestimmten Zahl sei dies aber nicht festzumachen. "Entweder gilt das Asylrecht oder es gilt nicht." Zwar sei es "vernünftig, über Korridore zu diskutieren, sie dürfen nur nicht starr sein, sondern müssen immer reagieren auf Notsituationen".

Der EKD-Ratspräsident forderte die Deutschen auf, die große Leistung des Jahres 2015 nicht zu vergessen. "Es war eine historische Zäsur, dass Deutschland mit seiner Geschichte Menschen in Not so offen willkommen geheißen hat." Die Diskussion in Deutschland sei derzeit jedoch zu stark auf Defizite orientiert, so Bedford-Strohm. (bod/KNA)

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