Warum Religionsunterricht? Darum!
Warum gibt es trotz der Trennung von Staat und Kirche Religionsunterricht an staatlichen Schulen? Welche Inhalte vermitteln Reli-Lehrer eigentlich? Und nehmen überhaupt noch Kinder am Religionsunterricht teil? Solche Fragen kennt der Deutsche Katecheten-Verein (dkv) zur Genüge. Und der Verein ist überzeugt: Sowohl mit Fakten als auch auf emotionaler Ebene kann er plausibel machen, warum der Religionsunterricht an deutschen Schulen sinnvoll und wichtig ist. Nur: Wer fragt schon bei einem Verein nach?
Viele, hofft der dkv. Er ist mit 6.500 Mitgliedern der größte katholische Fachverband für religiöse Bildung – zwei Drittel von ihnen sind Religionslehrer. Der Verein fühlt sich verpflichtet, sich in die Auseinandersetzung um den Stellenwert religiöser Bildung und Erziehung einzumischen. Um aktiv sein Publikum zu finden und zu erreichen, geht der dkv mit der Kampagne "daRUm!" raus auf die Straßen und in Social Media. "RU" wird von Lehrern gerne als Abkürzung für ihr Fach verwendet – der Kampagnenname meint also "Darum Religionsunterricht". Im Zuge der ein halbes Jahr dauernden Kampagne soll unter anderem ein Dokumentarfilm gedreht werden, ein Schülerwettbewerb mit dem Motto "Feier deinen RU!" wird ausgelobt – und mit provokanten Postkarten will man auch Kirchenferne erreichen.
Nichts machen ist keine Alternative
Am 3. März startet "daRUm!" in Paderborn, wo mitten auf einem Platz ein Klassenzimmer aufgebaut werden soll. Dort sollen Passanten motiviert werden, an einer "Unterrichtsstunde" teilzunehmen und ihre Fragen zu stellen – gerne auch die kritischen, sagt Tobias Weismantel, Geschäftsführer der dkv-Bundesgeschäftsstelle. Zudem sollen in Paderborn Musiker wie die "Voice of Germany"-Teilnehmerin Debby van Dooren und die christliche Rap-Gruppe "Capo di Capi" auftreten. "Wir rechnen damit, dass wir an dem Tag bis zu 1.000 Menschen erreichen", wagt Weismantel eine Schätzung. "Wir möchten vor allem ein Zeichen setzen und etwas machen – nichts zu machen ist für uns nämlich keine Alternative."
Aufmerksamkeit weit über Paderborn hinaus sollen die fünf Postkartenmotive des dkv erlangen, die in Universitäten, Kneipen und Discos ausgelegt werden. "Wer blind mit der Herde zieht, erkennt die Ärsche nicht", heißt es auf einer Karte mit einer Schafherde. Ein weißes Pferd, das in Instagram-Optik auf einen rosa Filter gezogen und mit Konfetti-Stickern beklebt wurde, verheißt: "Das Leben ist kein Ponyhof". Auf den Rückseiten folgt dann die Auflösung: Religionsunterricht schärfe den Blick und helfe, Hürden zu nehmen. Die Karte mit einem Pärchen unter der Bettdecke verspricht, "den Dingen auf den Grund zu gehen", und: "Religion macht Lust zum Weiterforschen".
In den Diözesanverbänden und im Bundesvorstand seien die Karten kontrovers diskutiert worden, aber mit einem klaren Ergebnis, berichtet Weismantel: "Jedes Motiv mit dem dazugehörigen Spruch irritiert und jeder Spruch ist theologisch korrekt und verweist auf die Themen, die im Religionsunterricht behandelt werden." Man wolle 20- bis 40-Jährige erreichen und zum eigenen Nachdenken anregen, die vor der Frage stehen, ob sie ihre Kinder in den Religionsunterricht schicken wollen. "Die Postkarten sind bewusst provokativ und irritierend aufgemacht, damit sie nicht in der allgemeinen Informationsflut untergehen", so der Geschäftsführer.
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Antworten auf die Fragen, die die Karten aufwerfen, soll es ab Ende Februar auf der Kampagnenseite und auf den Twitter-, Facebook-, YouTube- und Instagram-Accounts des Vereins geben. Dort steht dann auch, was überhaupt im Religionsunterricht passiert und welchen Zweck er erfüllt. Weismantel erklärt: "Der Religionsunterricht gibt Orientierung und hilft, die Identität zu finden und auszubauen, er hält die Sinnfrage wach und bringt dazu, die eigene Konfession und andere Religionen besser zu verstehen und mit ihnen in Dialog zu kommen." Das Fach erkläre zudem, warum es wichtig ist, sich mit Blick auf die Zukunft politisch, sozial und ökonomisch zu engagieren.
Worüber sich der Verein ärgert
Klar ist: Der Katecheten-Verein ist nicht neutral, sondern "pro Reli". Laut Weismantel ärgere man sich im dkv, wenn Kritiker des Unterrichtsfachs – und Medien – tendenziös berichteten. Etwa, wenn es pauschal heiße, dass die Zahl der am Religionsunterricht teilnehmenden Schüler seit dem Jahr 2000 drastisch gesunken sei und die Tendenz weiter nach unten zeige. "Die allgemein sinkenden Schülerzahlen und die geringer werdende Konfessionszugehörigkeit werden in solchen Meldungen ausgeblendet", sagt Weismantel. Im Schuljahr 2015/2016 nahmen 35 Prozent aller Schüler am evangelischen und 34 Prozent am katholischen Religionsunterricht teil, insgesamt mehr als 4,1 Millionen Kinder und Jugendliche.
Weismantel befürchtet zwar keine Abschaffung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen, wie sie jüngst das Luxemburger Parlament beschlossen hat. "Aber Studien zeigen, dass die Befürworter dieses Modells auch in Deutschland zunehmen." Ihm und seinem Verein ist es wichtig, die Bedeutung und den Wert des Religionsunterrichts nicht nur für die Glaubensweitergabe, sondern vor allem auch für die Gesellschaft und das Zusammenleben zu betonen. Darum die Kampagne.